Vor EU-Krisengipfel Cameron steht Drahtseilakt bevor
Auf der Insel zunehmend unter Druck, auf europäischer Ebene zusehends vergessen - Großbritanniens Premier Cameron steckt in der Zwickmühle. Für seine Briten kämpft er um Souveränität, was dafür sorgt, dass er bei europäischen Entscheidungsprozessen immer öfter außen vor ist.
Von Sebastian Hesse, MDR-Hörfunkstudio London
David Cameron steht unter Druck. Er muss im Zuge der Euro-Rettungsbemühungen das Gesicht wahren und unbedingt zwei Eindrücke vermeiden: Erstens, dass Großbritannien in Europa keine Stimme mehr hat, und zweitens, dass die Reformen die britische Souveränität einschränken könnten. Beides wäre Wasser auf den Mühlen der Euro-Skeptiker, die gerade in Camerons konservativer Partei auf dem Vormarsch sind.
"Wir wollen die Euro-Krise lösen, aber wir werden gleichzeitig die britischen Interessen schützen und verteidigen", versichert Cameron.
Cameron fordert Sicherheitsklausel
Der britische Premier hat daher die Initiative ergriffen und eine Klausel gefordert, die das Wahren britischer Interessen garantiert. Oberstes Ziel ist es dabei, den britischen Finanzsektor zu schützen. Großbritannien lehnt entsprechend eine Finanz-Transaktionssteuer vehement ab.
"Robin Hood-Tax" nennen die Briten eine solche Abgabe verächtlich, die nach ihrer Lesart vor allem den Finanzplatz London schwächen würde. Auch bei etwaigen EU-Vertragsänderungen habe der Schutz britischer Interessen oberste Priorität. "Wenn sie sich entscheiden, den Europäischen Vertrag dafür zu nutzen, dann werde ich im britischen Interesse auf britische Schutzklauseln bestehen", meint Cameron.
Er werde keine Vertragsänderung unterzeichnen, die solche Schutzklauseln nicht beinhaltet. Wichtig ist den Briten vor allem, dass der europäische Binnenmarkt uneingeschränkt offen bleibt für britische Schlüsselindustrien. Und dazu zählt ganz zentral der Finanzsektor.
Cameron fährt mit drei Forderungen nach Brüssel: Mehr Haushalts-Disziplin und Kooperation zwischen den Euro-Ländern, das Verhindern einer globalen Kreditklemme und mehr Wettbewerb in der Euro-Zone.
Cameron droht Marginalisierung
Sein Trauma besteht darin, in Europa marginalisiert zu werden. Er hat es als äußerst schmerzhaft erlebt, bei mehreren entscheidenden Treffen zur Euro-Rettung vor der Tür geblieben zu sein. Je weniger Akzente der konservative Premier in Europa setzen kann, desto mehr Druck kriegt er von seinen EU-skeptischen Parteifreunden, was wiederum zu Spannung mit dem Europa-freundlicheren Koalitionspartner, den Liberaldemokraten, führen würde. Cameron steckt in einer Zwickmühle.
"Ich gehe nach Brüssel, um dort britische Interessen zu vertreten", betont Cameron. Bei seinen Wählern steht er im Wort, dass seine Regierung keinerlei Änderungen auf europäischer Ebene zustimmt, die mehr britische Kompetenzen nach Brüssel verlagern, ohne dass die Briten diese in einem Referendum abgesegnen würden. Die geplanten EU-Vertragsänderungen erfüllen diese Voraussetzung jedoch nicht, da sie nur die Euro-Länder betreffen.
"Euro-Probleme müssen geregelt werden"
"Das wichtigste britische Interesse ist jetzt, dass die Probleme in der Euro-Zone geregelt werden, die eine abschreckende Wirkung auf unsere Wirtschaft haben", sagt Cameron.
Immerhin: In der britischen Regierung herrscht keinerlei Dissens darüber, dass das oberste Ziel zunächst laute, die Stabilisierung der Euro-Zone voranzutreiben. Dass es in Großbritanniens ureigenem Interesse ist, die Krise abzuwenden und dem andere europapolitische Ziele, wie etwa der Rücktransfer von Entscheidungskompetenzen nach London, vorerst untergeordnet werden müssen.