Krise lässt Preise für Bordeaux-Weine fallen Edle Tropfen "fast zum Spottpreis"
Spitzenweine aus Bordeaux waren in den vergangenen Jahren vor allem Spekulationsobjekte - die Preise explodierten. Doch nun sind die edlen Tropfen um bis zu 50 Prozent billiger. Was die Chateau-Besitzer grämt, freut die Kunden.
Von Angela Ulrich, SR-Hörfunkstudio Paris, zzt. St. Emilion
Schlüsselrasseln, ein Tor geht auf: Der Schlossherr schließt sein Allerheiligstes auf - den Weinkeller des Chateau Angelus bei St. Emilion. Tief unten lagern verstaubte Flaschen auf Holzregalen, kühl hinter dicken Steinmauern: 1929 steht auf einem Etikett, 1899 auf einem anderen.
Die ganz alten Flaschen sind unbezahlbar
Hubert de Bouard ist Chef des Familienunternehmens Chateau Angelus. Die ganz alten Flaschen im Keller sind Sammlerstücke und kaum zu bezahlen. Doch gleich nebenan lagert in Kisten die Ernte der vergangenen Jahre: Chateau Angelus, Premier Grand Cru Classé. Einer der besten und bekanntesten Bordeaux-Weine im Nobel-Anbaugebiet von St. Emilion.
Dieser ist in diesem Jahr deutlich günstiger zu haben – "fast zum Spottpreis", sagt Bouard und grinst: "Der Kunde zahlt zwar immer noch um die 100 Euro pro Flasche. Das ist nicht wenig. Aber wenn man bedenkt, dass es im vergangenen Jahr noch 180, gar 200 Euro pro Flasche waren, dann ist es jetzt um die Hälfte billiger."
Edle Tropfen als Spekulationsobjekte
Die Krise machts möglich. In den vergangenen Jahren waren die Spitzenweine aus Bordeaux und St. Emilion im Preis in die Höhe geschnellt und die edlen Tropfen zum Spekulationsobjekt geworden. Das rückt sich jetzt zurecht, sagt Bouard. Zudem sei der Jahrgang 2008 ein sehr guter: "Spekulanten hatten die guten Weine quasi gekapert, um Reibach zu machen. Ich senke die Preise jetzt, weil mich einerseits die Krise dazu zwingt - aber auch, weil ich die Konsumenten zurückgewinnen möchte. Denn für mich ist sogar der beste Wein zum Trinken da, zum Träumen!"
Im Weinberg von Chateau Angelus ist gerade die sogenannte "vendange verte" im Gange, die "grüne Ernte". Dabei werden überzählige Trauben abgeschnitten, um den besseren Rispen mehr Platz zu geben. Mühsame Handarbeit, die aber nötig ist, sagt de Bouard: "Es ist wie in der Haute Couture. Wie wenn Hermès sein Leder per Hand mit Laser schneidet. Ähnlich präsize wählen wir unsere Trauben bei der Ernte und der Lese aus."
Genießer statt Spekulanten
James Bond hat in einem seiner jüngsten Filme Wein aus dem Chateau Angelus getrunken. Bouards Tropfen bleibt begehrt, er kann die günstigeren Preise verkraften. Für Weinhändler Jean-Luc Thunevin in St. Emilion hingegen ist die Krise deutlich spürbar: "Seit Januar ist unser Umsatz auf die Hälfte gesunken. Wir haben nur halb so viele Flaschen ins Ausland verkauft. Vor allem bei den teuren Spitzenweinen gibt es einen Einbruch. Sogar die Reichen trinken günstiger. Die Zeit von Bling-Bling ist vorbei!"
Nicht mehr die Spekulanten, sondern die Genießer seien jetzt an der Reihe, sagt Thunevin. Wie die zahlreichen Weintrinker, Einheimische und Touristen auf dem Kirchplatz von St. Emilion. Einer von ihnen bringt es auf den Punkt: "Uns macht das Freude. Es gibt sehr gute Weine zu erschwinglichen Preisen."