Schäden an einem Haus in Ruskin, Florida, nach dem Hurrikan Milton.

Hurrikan in den USA Die wirtschaftlichen Schäden von "Milton"

Stand: 11.10.2024 06:02 Uhr

Hurrikan "Milton" könnte als einer der teuersten seiner Art in die Geschichtsbücher eingehen. Experten zufolge dürfte er auch die Wirtschaftsleistung der USA deutlich schmälern.

Eine Analyse von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Hurrikan "Milton" hinterlässt auf seinem Weg durch Florida eine Spur der Zerstörung - neben der Gefahr für Leib und Leben rechnen Experten auch mit schweren Sachschäden. Einer Schätzung der Analysten der Ratingagentur "Morningstar DBRS" zufolge könnte sich die Versicherungsbranche mit Versicherungsschäden von 60 bis 100 Milliarden Dollar konfrontiert sehen.

"Katrina" bislang teuerster Hurrikan

"Milton" könnte damit einer der bislang teuersten Hurrikans werden. Bislang führt Hurrikan "Katrina", der 2005 die USA und allen voran New Orleans verwüstete, diese unrühmliche Rangliste an: "Katrina" verursachte damals versicherte Schäden in Höhe von 99,8 Milliarden Dollar, die Gesamthöhe der wirtschaftlichen Schäden belief sich sogar auf 201 Milliarden Dollar.

Das geht aus Berechnungen der Munich Re für die Jahre 1980 bis 2023 hervor, die der weltweit größte Rückversicherer tagesschau.de auf Anfrage zur Verfügung gestellt hat. Auf Rang zwei folgt Hurrikan "Harvey" (2017), der gesamtwirtschaftliche Schäden in Höhe von 109 Milliarden Dollar verursachte; die versicherten Schäden beliefen sich auf 38,3 Milliarden Dollar.

Hurrikan "Ian" (2022) liegt mit gesamtwirtschaftlichen Schäden von 108 Milliarden Dollar knapp dahinter; die versicherten Schäden fielen mit 64,3 Milliarden Dollar deutlich höher aus als bei "Harvey". Zur Erinnerung: "Ian" war ein Hurrikan der Kategorie 4, der ebenfalls im Westen Floridas auf Land traf, verbunden mit extremen Windstärken, sintflutartigen Regenfällen und einer Sturmflut. Hurrikan "Milton" dagegen wurde ursprünglich in der höchsten Kategorie 5 eingestuft und traf schließlich mit Stärke 3 auf Land.

Weniger Wirtschaftsleistung, mehr Arbeitslose

Dabei dürfte "Milton" nicht nur äußerst hohe gesamtwirtschaftliche (und versicherte) Schäden verursacht haben - auch die Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung der USA dürften aller Voraussicht nach erheblich sein. Etwa 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der größten Volkswirtschaft der Welt seien direkt von "Milton" betroffen, sagte Ryan Sweet, Chefökonom für die USA bei Oxford Economics.

Auch Dana Peterson, Chefökonomin des Nonprofit-Thinktanks Conference Board, ist überzeugt, dass der Sturm kurzfristig Auswirkungen auf Wirtschaftsdaten wie das BIP und die Arbeitslosigkeit haben könnte. Diese ökonomischen Folgen seien üblicherweise innerhalb eines Monats beziehungsweise innerhalb eines Quartals zu beobachten, erklärte Peterson im "Morning Brief" auf yahoo!finance.

"Milton" wird US-BIP erheblich schmälern

Gregory Daco, Chefökonom der Unternehmensberatung EY, rechnet vor, dass "Milton" das reale BIP-Wachstum der USA im vierten Quartal um schätzungsweise 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte verringern wird. "Florida, das am direktesten betroffen ist, könnte im vierten Quartal einen Rückgang seines Bruttosozialproduktwachstums um drei bis vier Prozentpunkte verzeichnen."

Dabei ist wichtig zu verstehen, dass die wirtschaftlichen Schäden - ablesbar an dem Verlust von Vermögenswerten wie Häusern, Unternehmen, Fahrzeugen und Industrieanlagen - und die Auswirkungen auf das BIP zwei Paar Schuhe sind. Denn der Wert der verlorenen Vermögensgegenstände wirkt sich nicht auf das BIP aus - sehr wohl aber die durch den Hurrikan sinkenden Ausgaben für Waren und Dienstleistungen.

Starker Einbruch des Tourismus in Florida als Folge

Welche Sektoren werden davon am stärksten betroffen sein? Laut Conference-Board-Ökonomin Peterson dürfte vor allem der Transportsektor leiden. EY-Experte Daco sieht vor allem den Tourismus in Florida, ein entscheidender Motor für die Wirtschaft des Bundesstaates, vor einem starken Einbruch. Er verweist auf annullierte Reisen und Flüge sowie die beschädigte Infrastruktur.

Doch damit nicht genug: "Im Energiesektor könnte es bei der Ölförderung in der Golfregion zu Schließungen oder Verlangsamungen kommen." Auch der Bausektor werde wahrscheinlich auf die Bremse treten, ein Rückgang bei den Verkäufen neuer Häuser und bei Baubeginnen werde vorhergesagt, so Daco.

Was zerbrochene Fenster mit "Milton" zu tun haben

Aber wird der folgende Wiederaufbau nicht auch einen temporären Boom der Baubranche auslösen und so die wirtschaftlichen Schäden wieder wettmachen? Ökonomen verweisen in diesem Zusammenhang gerne auf den sogenannten "Trugschluss des zerbrochenen Fensters" (im Englischen: Broken Window Fallacy).

Danach ist es falsch anzunehmen, dass die Zerstörung von Gütern einen gleichbleibenden oder gar steigenden gesamtwirtschaftlichen Nutzen nach sich zieht. Der französische Ökonom Frédéric Bastiat hat in seiner "Parabel vom zerbrochenen Fenster" als erster gegen diesen Irrtum argumentiert: Denn dabei werden nicht die Opportunitätskosten der zur Behebung des Schadens eingesetzten Ressourcen berücksichtigt, wenn Geld für die Reparatur kaputter Gegenstände und nicht für neue Waren und Dienstleistungen ausgegeben wird.

Auch EY-Ökonom Daco ist daher überzeugt, dass die Wiederaufbaubemühungen zwar höhere Ausgaben nach sich ziehen werden. "Aber die wirtschaftlichen Gewinne werden sich über die Zeit verteilen und den durch den Sturm verursachten Verlust der Wirtschaftsleistung wahrscheinlich nicht ausgleichen können."