Krise auf Europas Gasmarkt IEA-Chef bezichtigt Russland
Der Chef der Internationalen Energieagentur macht Russland für die europäische Gaskrise verantwortlich. An den hohen Preisen und leeren Speichern sei größtenteils der staatliche Gazprom-Konzern Schuld.
Fatih Birol, der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), gibt Russland die Schuld an Europas Energiekrise. Er warf dem Land vor, die Gaslieferungen nach Europa zu einer Zeit "erhöhter geopolitischer Spannungen" zu drosseln. Das deute darauf hin, dass Moskau eine Energiekrise für politische Zwecke provoziert habe.
"Russland könnte bis zu einem Drittel mehr Gas durch bestehende Pipelines leiten", sagte Fatih Birol, Exekutivdirektor der Organisation mit Sitz in Paris. Das entspräche etwa zehn Prozent des europäischen Tagesverbrauchs - ungefähr der Menge, die nach Angaben von Branchenvertretern nötig wäre, um bei einem Kälteeinbruch eine ernsthafte Knappheit zu vermeiden. Stattdessen leere Russland absichtlich die Vorratsspeicher des russischen Gazprom-Konzerns auf dem Kontinent, um den Eindruck einer Verknappung zu stärken.
Exporte um ein Viertel gesenkt?
"Das derzeitige Speicherdefizit in der EU ist weitgehend auf Gazprom zurückzuführen", sagte Birol. Er wies darauf hin, dass der gesamte Füllstand der Speicher bei etwa 50 Prozent der Kapazität liege - verglichen mit normalerweise 70 Prozent im Januar. Darum forderte Birol die europäischen Länder auf, zusätzliche Gasspeicher aufzubauen. Nur so könne man sich künftig vor dem Einfluss eines Landes schützen.
"Im Gegensatz zu anderen Pipeline-Betreibern wie Norwegen, Algerien und Aserbaidschan, die ihre Lieferungen nach Europa erhöhen, hat Gazprom seine Exporte nach Europa im vierten Quartal um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesenkt," sagte Birol in einer Online-Pressekonferenz.
Russland betonte zuletzt, das Land habe alle langfristigen Gaslieferverträge mit Europa erfüllt. Dennoch war der Versorger Gazprom von Politikern und Experten immer wieder beschuldigt worden, Lieferungen seit dem vergangenen Jahr zurückzuhalten, indem Spotverkäufe einschränkt werden.
Noch keine Genehmigung für Nord Stream 2
Der IEA-Chef beschuldigt Gazprom, die leeren Gasspeicher in Europa zu nutzen, um politischen Druck auf westeuropäische Länder auszuüben. "Ich möchte anmerken, dass die heute niedrigen russischen Gaslieferungen nach Europa mit erhöhten geopolitischen Spannungen in der Ukraine zusammenfallen", so Birol.
Russland hat rund 100.000 Soldaten in der Nähe der ukrainischen Grenze stationiert, während Moskau und die USA über die künftige Rolle der Ukraine verhandeln. Es wird erwartet, dass diese Woche im US-Senat über einen Gesetzesvorschlag zur Verhängung von Sanktionen gegen die neue Pipeline Nord Stream 2 abgestimmt wird. Für die Ostseepipeline, die Deutschland mit russischen Gas versorgen soll, gibt es noch immer keine Genehmigung.