Der Öltanker "Eagle S" im Finnischen Meerbusen.
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Russlands "Schattenflotte" Putins schwarze Tanker

Stand: 14.01.2025 08:58 Uhr

Mit maroden Schiffen, deren Eigentumsverhältnisse unklar und deren Risiken unterversichert sind, umgeht Russland gezielt internationale Sanktionen. Wie groß und wie gefährlich ist diese "Schattenflotte"?

Von Detlev Landmesser, ARD-Finanzredaktion

Was ist eine "Schattenflotte"?

Der Begriff "Schattenflotte" oder auch "Dunkle Flotte", der allgemein zum Warenschmuggel verwendete Schiffe beschreibt, wird seit der russischen Invasion der Ukraine 2022 zunehmend für die Tanker gebraucht, die Russland zur Umgehung westlicher Sanktionen einsetzt. Diese Flotte besteht vor allem aus älteren Öltankern, die unterdurchschnittlich gewartet werden, deren Eigentumsverhältnisse verschleiert werden und deren Risiken stark unterversichert sind.

Die Sanktionen verbieten insbesondere westlichen Unternehmen, den russischen Ölexporteuren Schiffe, Finanzierung und Versicherungsleistungen zu gewähren, sofern das Öl nicht mit einem deutlichen Abschlag zu den Marktpreisen verkauft wird. Dazu kommen Anlaufverbote in westliche Häfen, die zunehmend auf identifizierte "Schattenschiffe" ausgeweitet werden. Die Sanktionen zielen darauf ab, die Einnahmen des Kreml aus den Ölexporten zu minimieren, ohne zugleich die internationale Ölversorgung zu stark zu stören.

Wie groß ist Russlands "Schattenflotte"?

Aktuelle Schätzungen gehen von mehr als 400 Schiffen aus. Der britische maritime Informationsdienst Lloyd’s List Intelligence schätzt die "Schattenflotte" auf bis zu 460 Tanker. Das sind etwa zehn bis 15 Prozent der weltweiten Tankerkapazitäten. Die eingesetzten Schiffe sollen aber häufig wechseln, was genauere Angaben erschwert.

Wie die "Financial Times" dokumentiert hat, nutzen russische Ölfirmen einzelne Finanziers als Strohmänner, um über ein Geflecht an Offshore-Firmen mit russischem Geld weltweit veraltete Tanker zu erwerben und über weitere Tarnfirmen, etwa in Dubai, zu betreiben.

Welche Bedeutung haben die Tanker für Russland?

Nach Schätzung der Kyiv School of Economics hat Russland bis zu zehn Milliarden Dollar in den Aufbau der "Schattenflotte" investiert. Im Juni 2024 habe diese täglich 4,1 Millionen Barrel (rund 650 Millionen Liter) Öl transportiert. Das entsprach rund 70 Prozent der maritimen Ölausfuhren Russlands.

Der größte Teil davon wurde nach China und Indien geliefert. Der ukrainische Thinktank beziffert die gesamten russischen Öleinnahmen für 2024 auf 193 Milliarden Dollar.

Welche Sanktionen zielen direkt auf die "Schattenflotte"?

Die EU-Staaten haben im Sommer 2024 begonnen, einzelne Öltanker zu sanktionieren, die zwar nicht unter russischer Flagge fahren, aber der "Schattenflotte" zugerechnet werden. Das bedeutet, dass diese keine Häfen der Gemeinschaft anlaufen und keine Dienstleistungen von Firmen aus der EU in Anspruch nehmen dürfen.

Bislang hat Brüssel knapp 80 Schiffe sanktioniert, Großbritannien über 50, während die USA zuletzt 183 Schiffe auf die Sanktionsliste gesetzt haben. Weitere Sanktionen sollen in Abstimmung mit den G7-Staaten in Vorbereitung sein.

Die direkte Sanktionierung einzelner Schiffe gilt als recht effektiv. Zuletzt hat etwa China US-sanktionierten Tankern die Einfahrt in den Hafen Shandong verweigert. Allerdings bleibt die Identifizierung der wahren Eigentümer und Auftraggeber für die Behörden schwierig, und Russland scheint die beauftragten Schiffe häufig zu wechseln, was die Bekämpfung der "Schattenflotte" zu einem Katz-und-Maus-Spiel macht.

Welche Sicherheitsvorfälle gab es mit "Schattenschiffen"?

Experten warnen vor den hohen Risiken der schlecht gewarteten und unterversicherten Tanker für die Umwelt. Im Schnitt seien die eingesetzten Tanker 18 Jahre alt, schätzt die Kyiv School of Economics. Angesichts der Regulierungslücken und der wachsenden Bedeutung der "Schattentanker" im russischen Ölhandel sei "eine große Umweltkatastrophe nur eine Frage der Zeit", warnt das ukrainische Institut.

Bisher wurden mehrere Zwischenfälle mit Tankern registriert, die erst dadurch als "Schattentanker" identifiziert werden konnten. Dabei handelte es sich vorwiegend um Maschinenschäden, wie die Havarie der damals in den Vereinigten Arabischen Emiraten registrierten "Canis Power" vor der dänischen Küste im Mai 2023.

Für Aufsehen sorgten zuletzt die Öltanker "Eventin" und "Eagle S" in der Ostsee, die beide der "Schattenflotte" zugerechnet werden. Die "Eventin" war am Freitag vor Rügen havariert. Von dem unter panamaischer Flagge fahrenden Tanker geht keine Gefahr mehr aus.

Gravierender ist der Vorfall mit der "Eagle S", die unter der Flagge der Cook-Inseln fährt und mutmaßlich mit ihrem Anker die zwischen Finnland und Estland verlaufende Stromleitung sowie vier Kommunikationskabel beschädigt hat. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Kreml die Flotte auch als Waffe in seinem hybriden Krieg gegen den Westen einzusetzen bereit ist.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. November 2024 um 14:00 Uhr.