Bremer Institut Schiffsverkehr dürfte Klimaziel verfehlen
Der Schiffsverkehr soll nach EU-Vorgaben bis 2050 klimaneutral werden. Das Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik hält das für unrealistisch. Der Fokus müsse weg von LNG hin zu grünen Kraftstoffen gehen.
Die Zielvorgabe ist klar: Bis 2050 soll der Schiffsverkehr klimaneutral werden. Das will die Europäische Union (EU) mit ihrem "Green Deal", das will aber auch die Weltschifffahrtsorganisation IMO, die sich im vergangenen Sommer auf entsprechend strengere Klimaschutzvorgaben verständigte.
Klimaziel kaum zu erreichen
Die Treibhausgasemissionen in der Schifffahrt bis 2050 auf null senken - das Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) hält dieses Ziel jedoch für unrealistisch. "Ich denke, dass das aus heutiger Sicht kaum zu erreichen ist", sagte Burkhard Lemper, ISL-Geschäftsführer und Professor an der Hochschule Bremen.
"Nach wie vor sind es nur sehr wenige Einheiten in der Weltflotte und auch im Orderbuch, die alternative Kraftstoffe nutzen könnten, und zumindest die derzeit neu gebauten Schiffe sind mit hoher Wahrscheinlichkeit 2050 noch in Fahrt."
Ist der Fokus auf LNG ein Irrweg?
Die meisten Schiffe, die nicht Schweröl oder Diesel nutzen, fokussieren sich nach Angaben des Bremer Instituts derzeit auf flüssiges Erdgas. Doch bei LNG handele es sich ebenfalls um einen fossilen Brennstoff, der sich schädlich aufs Klima auswirken könne. "Es muss viel mehr in Schiffe mit alternativen Antrieben investiert werden, nicht in LNG", forderte der Experte im Vorfeld des 6. Bremer Kongresses für Nachhaltigkeit in der Schifffahrt.
Bei der zweitägigen Tagung tauscht sich die Branche ab heute unter anderem über alternative Brennstoffe aus. Schifffahrt verursacht drei Prozent der CO2-Emissionen Die Schifffahrt war und ist traditionell ein bedeutender Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung Europas. Heute ist die Europäische Union (EU) im internationalen Vergleich der mengenmäßig größte Exporteur und der zweitgrößte Importeur von Waren.
Weltweit werden 90 Prozent des Warenhandels per Schiff abgewickelt. Die oft riesigen Containerschiffe fahren überwiegend mit Schweröl oder Marinediesel und einige auch mit flüssigem Erdgas LNG. Das sind allesamt fossile Energieträger, bei deren Einsatz CO2 ausgestoßen wird. Damit gehen etwa drei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes auf das Konto der internationalen Schifffahrt.
Experte setzt auf E-Fuels statt auf Wasserstoff
Doch die für eine Umrüstung auf alternative Antriebe notwendigen Investitionen seien so hoch, dass es sich die meisten Reedereien ohne öffentliche Unterstützung nicht leisten könnten, erklärte ISL-Experte Lemper. Außerdem fehle die Kapazität für die Produktion grüner Kraftstoffe. Die Politik müsse erst die finanziellen und regulatorischen Rahmenbedingungen schaffen.
Der Institutsleiter rechnet langfristig mit einem Mix aus verschiedenen grünen Kraftstoffen wie Ammoniak, Methanol und anderen E-Fuels, der direkte Einsatz von Wasserstoff in Schiffsantrieben sei eher unwahrscheinlich.
Übrigens: Einzelne Reedereien und Unternehmen habe sich eigene Klimaziele gesetzt, die ambitionierter sind als die IMO-Ziele. So wollen etwa die wichtige dänische Containerreederei Maersk und die Kreuzfahrtreederei Aida Cruises bereits 2040, die deutsche Hapag-Lloyd bis 2045 klimaneutral arbeiten.
Auch Häfen sollen klimaneutral werden
Doch nicht nur die Schiffe sollen klimaneutraler werden, sondern auch die Häfen: Die EU fordert bis 2030 eine Landstromversorgung für wichtige Häfen. Ob das jedoch tatsächlich einen Beitrag fürs Klima leisten kann? Der ISL-Geschäftsführer ist skeptisch. Dafür müsse der mit Dieselgeneratoren selbst produzierte Strom der Schiffe beispielsweise durch Solar- oder Windenergie ersetzt werden.
"Solange wir wegen Mangel an solchem erneuerbaren Strom den Zusatzbedarf für die Landstromversorgung der Schiffe mit Kohle- oder Gas-Kraftwerken produzieren müssen, haben wir für das Klima nichts erreicht", so Lemper.
Da auf absehbare Zeit weder der erforderliche erneuerbare Strom noch ausreichende Mengen an grünen Treibstoffen zur Verfügung stehen würden, müsse der Fokus mittelfristig auf die Einsparung von Treibstoff liegen, forderte Lemper. Erreicht werden könne dies etwa durch langsameres Fahren, hydrodynamische Optimierung und Windunterstützung. Außerdem sei es wichtig, Luftschadstoffe im Hafengebiet weitestgehend zu vermeiden.