Das Containerschiff "Berlin Express" der Reederei Hapag-Lloyd im Hamburger Hafen.
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Deutsche Schifffahrt Riesige Frachter, schrumpfende Häfen

Stand: 02.10.2023 11:11 Uhr

Die "Berlin Express" ist in Hamburg getauft worden - das bislang größte deutsche Containerschiff. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die heimischen Seehäfen im Konkurrenzkampf schwer tun.

Von Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion

Sie ist aktuell das größte Containerschiff unter deutscher Flagge: Der etwa 400 Meter lange Riesenfrachter "Berlin Express" von Hapag-Lloyd, gebaut in Südkorea, ist heute in seinem Heimathafen Hamburg getauft worden. Die Taufpatin: Elke Büdenbender, die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Dabei ist der weltweit fünftgrößten Reederei, an der mit 30 Prozent auch der in Hamburg geborene Milliardär Klaus-Michael Kühne beteiligt ist, derzeit eigentlich gar nicht nach Feiern zumute. Kühne und der Chef von Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen, sind verärgert über die jüngsten Pläne der Stadt für Deutschlands größten Seehafen. Und auch die Gewerkschaft ver.di und Beschäftigte haben dagegen protestiert.

Umstrittener Teilverkauf an MSC

Hamburg will eines der wichtigsten Logistik-Drehkreuze des Landes zum Teil an einen Konkurrenten von Hapag-Lloyd verkaufen. Die Mediterranean Shipping Company (MSC) soll, so verkündete es vor gut drei Wochen Bürgermeister Peter Tschentscher, 49,9 Prozent an der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) übernehmen. Die restlichen 50,1 Prozent verbleiben der Vereinbarung zufolge bei der Hansestadt.

Diese hatte nach Investoren für den Terminal-Betreiber HHLA gesucht, wollte aber die Mehrheit am Unternehmen behalten. Die Schweizer Reederei MSC war bereit, das zu akzeptieren - im Gegensatz zu Milliardär Kühne, der zuvor ebenfalls Interesse an der HHLA bekundet hatte.

Hamburger Hafen verliert an Marktanteil

Hamburg steht unter großem Druck, Geldgeber für nötige Investitionen in die Hafeninfrastruktur zu finden. Der Containerumschlag im Hamburger Hafen ist im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11,7 Prozent auf 3,8 Millionen Standardcontainer gesunken. Hamburg ist nur noch drittgrößter Hafen Europas hinter Rotterdam und Antwerpen.

In Rotterdam wurden im vergangenen Jahr insgesamt rund 14,5 Millionen Standardcontainer umgeschlagen, in Antwerpen waren es rund 13,5 Millionen Standardcontainer. In Hamburg gingen im gesamten Jahr 2022 dagegen rund 8,3 Millionen Container über die Kaikanten. Während der Containerumschlag in Antwerpen und Rotterdam zwischen 2007 und 2021 um mehr als 40 Prozent zulegte, steht in Hamburg ein Minus von 12 Prozent zu Buche.

Umschlag in Rotterdam deutlich günstiger

Das liegt auch an geographischen Vorteilen der Häfen in Rotterdam und Antwerpen. So ist der Hafen in Rotterdam direkt an der Küste gelegen, die Terminals befinden sich unmittelbar am Tiefwasser. Die weltgrößten Containerschiffe können ihn ohne Einschränkungen erreichen.

Die "Berlin Express"
Mit knapp 400 Metern Länge, einer Breite von 61 Metern und einer Transportkapazität von 23.664 Zwanzig-Fuß-Standardcontainern (TEU) gehört die "Berlin Express" zu den weltgrößten Containerschiffen. Hapag-Lloyd hatte das Schiff Ende 2020 mit fünf Schwesterschiffen bei der südkoreanischen Werft Hanwha Ocean (früher Daewoo) bestellt, ein halbes Jahr später folgte eine Bestellung von sechs weiteren Schiffen. Die Frachter können mit Flüssigerdgas (LNG) oder konventionellem Treibstoff betrieben werden. Intern wird die Schiffsklasse "Hamburg Express" genannt. Hapag-Lloyd hat bereits ein weiteres Schiff aus der Klasse übernommen, die "Manila Express".

Der Hamburger Hafen liegt im Gegensatz dazu 100 Kilometer weit im Binnenland. Megamax-Containerschiffe wie die "Berlin Express" mit einer Länge von 400 Meter, die einen Tiefgang von mehr als 13 Metern haben, müssen für die Fahrt auf der Elbe die Flutwelle nutzen. Und: Einige Schiffe können voll beladen gar nicht in den Hafen.

Hinzu kommen hausgemachte Probleme. "Der Umschlag einer Box kostet in Rotterdam bis zu 30 Prozent weniger als in Hamburg", sagte Jan Ninnemann, Logistik-Professor an der Hamburg School of Business Administration, der "Süddeutschen Zeitung". Die höheren Kosten seien etwa auf die fehlende Automatisierung der Prozesse zurückzuführen.

Es mangelt an Produktivität

Das führt letztlich auch zu einer sinkenden Produktivität: Im jüngst veröffentlichten Container Port Performance Index (CPPI), den die Weltbank zusammen mit S&P Global Market Intelligence herausgibt, ist der Hamburger Hafen innerhalb eines Jahres fast 100 Plätze abgesackt. Von weltweit 348 untersuchten Häfen belegte er im Ranking für 2022 nur Platz 328. Die beiden anderen großen deutschen Seehäfen schneiden bei der Produktivität deutlich besser ab: Bremerhaven schafft es auf Platz 60, Wilhelmshaven auf Platz 118.

Doch auch diese beiden Häfen haben mit einem schrumpfenden Containerumschlag zu kämpfen. So sank der Umschlag in Bremerhaven zwischen 2012 und 2022 um fast 25 Prozent auf zuletzt 4,6 Millionen Standardcontainer im Jahr. Auch in Wilhelmshaven ging er zuletzt zurück - auf gerade einmal gut 685.000 im vergangenen Jahr. Der relativ junge Tiefwasserhafen bleibt damit weit entfernt davon, ausgelastet zu sein.

Konkurrenzkampf unter den Häfen

Der Hamburger Hafen soll durch die Allianz mit MSC nun einen Schub erhalten. Die größte Reederei der Welt mit Sitz in der Schweiz hat zugesichert, ihre Ladungsmenge in Hamburg stark zu erhöhen - auf mindestens eine Million Standardcontainer pro Jahr ab 2031. Leidtragender könnte Bremerhaven sein. Dort könnte die Ladung künftig fehlen. In der Seestadt wickelt MSC bislang einen Großteil ihres deutschen Containergeschäfts ab.

Der Konkurrenzkampf unter den deutschen Häfen ist groß - und die jüngsten Pläne für den Terminal-Betreiber HHLA haben ihn eher noch angefacht. Noch unwahrscheinlicher erscheint nun die Idee eine deutschen Hafen-Allianz, wie sie von Teilen der Wirtschaft gefordert wird. So haben sich Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies und auch die Handelskammer in Bremen dafür ausgesprochen, dass die deutschen Seehäfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven stärker zusammenarbeiten, um ihre Wettbewerbsposition gegenüber Rotterdam und Antwerpen zu verbessern.

Mehr Finanzierung vom Bund gefordert

Doch bislang sieht es stattdessen nach mehr Rivalität zwischen den Seehäfen aus. Und ungewiss ist, ob die deutschen Häfen unter dem Strich mehr Ladung sichern können. So denkt die mit dem HHLA-Einstieg von MSC übergangene Reederei Hapag-Lloyd darüber nach, Transportvolumen in Hamburg zu reduzieren - und Containerumschlag stattdessen nach Bremerhaven oder Wilhelmshaven zu verschieben.

Das hat Kritik laut werden lassen, dass sich der Bund stärker für die deutschen Seehäfen engagieren müsse - etwa kürzlich auf der "Nationalen Maritimen Konferenz" in Bremen. Die Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneten Franziska Hoppermann und Christoph de Vries verwiesen darauf, dass die Häfen jährlich nur rund 38 Millionen Euro vom Bund erhielten. Seit fast 20 Jahren seien die Mittel nicht erhöht worden. Nötig sei, dass der Bund die Seehäfen mit "mindestens 500 Millionen Euro jährlich" unterstütze, so ein Positionspapier der Christdemokraten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR 90,3 am 26. September 2023 um 08:00 Uhr.