Vertragsarbeit in der DDR "Ich fühle mich von beiden Ländern betrogen"
David Macou war 19, als er 1979 als Vertragsarbeiter aus Mosambik in die DDR kam. Versprochen war ihm eine Berufsausbildung und Geld, mit dem er eine Zukunft in Mosambik aufbauen wollte. Heute zieht er eine bittere Bilanz.
David Macou erinnert sich noch gut, wie junge Leute in seinen Heimatort Chidenguele Gaza in Mosambik kamen und von der DDR schwärmten. Es sei ein Land mit sozialer Sicherheit und Gleichberechtigung. Und man könne gut Geld verdienen, versprachen sie. Das klang für den jungen Mann gut. Seine Heimat versank gerade im Bürgerkrieg, die DDR schien da eine gute Alternative.
So wie David ging es vielen jungen Mosambikanern. Von 1979 bis zum Ende der DDR 1989 kamen etwa 17.000 Frauen und Männer. Sie wollten eine Berufsausbildung machen und mit dem verdienten Lohn eine Existenz in ihrer Heimat aufbauen.
Was sie nicht wussten: Sie waren nur Marionetten in einem zwischenstaatlichen Kuhhandel zwischen der DDR und Mosambik. Das afrikanische Land lieferte Arbeitskräfte, die die DDR dringend brauchte. Im Gegenzug erließ die DDR Mosambik Schulden für Waffen- und Warenlieferungen, die das arme Land sonst nicht hätte begleichen können.
Harte Arbeit und Rassismus
Davon jedoch bemerkten David und die anderen Betroffenen zunächst nichts. David kam nach Cottbus, er sollte im Braunkohlebergbau arbeiten. Dort im Tagebau Welzow lernte er Schlosser, machte seinen Meister, später lernte er noch Schweißer. Die Arbeit war hart. David erzählt von zwölf Stunden täglich. Er wurde Gruppenleiter, trug Verantwortung.
Doch außerhalb des Arbeitsumfelds war die Stimmung eine andere. Von Anfang an gab es Rassismus und Anfeindungen, erinnert sich David. "Wir sind immer in Gruppen von vier bis sechs Leuten unterwegs gewesen. Allein hatten wir Angst."
Dabei gab es kaum Kontakt zur örtlichen Bevölkerung. Die Vertragsarbeiter wohnten in Wohnheimen. Dennoch stießen sie überall auf Vorurteile und Ablehnung. Nur wenige Menschen waren freundlich, es gab vereinzelt Freundschaften und manchmal Liebesbeziehungen zu Deutschen.
Einsam in der Fremde
Für die jungen Mosambikanerinnen und Mosambikaner war das ein hartes Leben, zumal sie auch nicht nach Hause durften - nicht einmal zu Besuch. Bei der Einreise waren ihnen ihre Pässe weggenommen worden. Rückkehr oder Urlaub war erst nach vier Jahren vorgesehen. Trost aus der Heimat konnte es nur per Post geben, aber die brauchte ewig. David erzählt, dass er immer zwei bis drei Monate auf Antwort warten musste, wenn er eine Nachricht an seine Familie geschickt hatte. Er sei sehr einsam gewesen.
Dabei ging es David noch vergleichsweise gut. Andere konnten nicht einmal die versprochene Ausbildung machen. Junge Frauen, die davon träumten, Krankenschwester zu werden, fanden sich in der Textilindustrie wieder: körperlich schwere Arbeit am Fließband. Viele landeten auch in der Landwirtschaft. Überall dort, wo die Arbeit hart war und der DDR Arbeitskräfte fehlten, wurden Vertragsarbeiter eingesetzt. Neben Mosambikanern waren auch Menschen aus Angola, Kuba und Vietnam im Einsatz.
Aber anders als die Arbeitskräfte aus den anderen Ländern bekamen die Mosambikaner nicht ihren ganzen Lohn ausgezahlt. Es gab einen Sockelbetrag von 350 DDR-Mark. Vom Rest zogen die Betriebe bis zu 60 Prozent ab; Geld, das die DDR mit Mosambik als Schuldentilgung verrechnete. Den Arbeitern wurde gesagt, sie würden den fehlenden Lohn dann in Mosambik bekommen, wenn sie wieder zurückkehren.
In der Heimat nicht willkommen
Doch das passierte nur in den seltensten Fällen. Die Mehrzahl ging leer aus. Schlimmer noch: Den Rückkehrern schlug Misstrauen und Verachtung entgegen. Sie galten als Drückeberger, weil sie nicht im Bürgerkrieg gekämpft hatten. Trotz zum Teil guter Qualifikation bekamen sie auch keine Arbeit in ihrer Heimat. Viele lebten und leben in Armut.
Auch David Macou ist davon betroffen. Er war zwölf Jahre in der DDR und im wiedervereinigten Deutschland, lebte bis 1991 in Hoyerswerda. Dort überlebte er zwei Neonazi-Angriffe auf Wohnheime mit Vertragsarbeitern. Nach dem zweiten Anschlag musste er Deutschland verlassen, obwohl er inzwischen eine deutsche Freundin und eine kleine Tochter hatte.
Er wäre sehr gern geblieben, sagt er heute - zumal ihn in Mosambik Arbeitslosigkeit und Armut erwarteten. Er schlägt sich bis heute als selbständiger Schlosser und Schweißer durch, aber das reiche oft nicht einmal für Brot, klagt er. Inzwischen hat er eine Familie in Mosambik, Frau und drei Kinder. Eigentlich habe er ja gerade für solch eine Zukunft in der DDR gearbeitet gehabt, sagt er. Doch nun habe er nichts.
Betrogen von zwei Ländern
David fühlt sich betrogen von beiden Ländern: von der DDR, die ihm seinen Lohn vorenthielt, und von Mosambik. Denn 1992 zahlte die Bundesrepublik 75 Millionen D-Mark an das afrikanische Land, damit dieses das Geld an die Vertragsarbeiter weitergebe. Aber das passierte so gut wie gar nicht. Die Millionen versickerten in den korrupten Strukturen Mosambiks.
Deshalb protestieren David und viele andere ehemalige DDR-Vertragsarbeiter seit 30 Jahren jeden Mittwoch in Maputo für die Auszahlung ihres Geldes. 100 bis über 1.000 Menschen seien es jedes Mal, berichtet David. Sie wollen so lange weitermachen, bis sie ihren ausstehenden Lohn oder wenigstens eine Entschädigung für ihr erlittenes Unrecht bekommen. Aber sie wissen, von Mosambik ist da nicht viel zu erwarten.
David Macou (Mitte) fordert Entschädigung für sich und andere ehemalige Vertragsarbeitende in der DDR.
Forderungen an Deutschland und Mosambik
Nun hoffen sie auf Deutschland. Doch auch hier gibt es wenig Bewegung in der Sache. Zwar hat sich der Menschenrechtsausschuss des Bundestages im vergangenen Jahr damit befasst, aber seither ist wenig passiert. Deshalb haben die SED-Opferbeauftragte des Bundestages Evelyn Zupke und das Deutsche Institut für Menschenrechte gemeinsam mit anderen Unterstützern heute einen Appell veröffentlicht, in dem sie beim Deutschen Bundestag für eine unbürokratische Entschädigung eintreten. Sie fordern noch in dieser Legislaturperiode einen entsprechenden Beschluss.
Die Bundesrepublik könne nicht einfach auf die Regierung in Mosambik verweisen, die vor 30 Jahren die Gelder einkassiert habe, argumentieren sie. Der Vertrag sei eben nicht explizit zugunsten der ehemaligen Vertragsarbeiter formuliert gewesen. Zudem nütze den Betroffenen der Verweis auf Mosambik nichts. Viele von ihnen seien arm, alt und krank. Von den ehemals 17.000 Menschen seien bereits etwa 5.000 gestorben. Deutschland habe eine Verantwortung den Menschen gegenüber. Diese seien jahrelang ausgebeutet worden, hätten ihrerseits aber durchaus Steuern gezahlt und in die Rentenversicherung eingezahlt. Ihnen stehe eine Entschädigung zu.
Das findet auch David Macou. Er brauche das Geld. Aber er wünsche sich auch moralische Wiedergutmachung. "Respekt und Anerkennung erwarte ich", sagt er. Und so nebenbei würde er sich über Visaerleichterungen für ehemalige Vertragsarbeiter freuen. Er könnte so leichter seine Tochter in Hoyerswerda besuchen. Schließlich sei er inzwischen Opa und sehr stolz auf seinen kleinen Enkel.