Elektroautos stehen zum Verladen bereit im Hafen von Suzhou, , China.
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EU-Staaten machen Weg frei Welche Folgen die Zusatzzölle auf Chinas E-Autos haben

Stand: 04.10.2024 12:41 Uhr

Die EU-Kommission darf künftig Zusatzzölle auf Elektroautos aus China erheben. Wie hoch fallen die Abgaben aus? Und wie wirken sich diese auf die Hersteller und Kunden aus? Antworten auf wichtige Fragen.

Vertreter der EU-Staaten haben heute über die Einführung von teils hohen Ausgleichszöllen auf Elektroautos aus China abgestimmt - und den Weg frei gemacht. Damit kann die EU-Kommission entscheiden, die Abgaben in Höhe von bis zu 35,3 Prozent einzuführen. Hintergrund ist, dass Peking in der Volksrepublik hergestellte Autos aus Brüsseler Sicht mit wettbewerbsverzerrend hohen Subventionen fördert.

Worüber wurde genau abgestimmt?

Die Kernfrage lautete: Werden Hersteller, die in China produzieren und von dort in die EU exportieren, ab Anfang November mit Zusatzzöllen bestraft? Dabei geht es um Zölle von 7,8 Prozent für Tesla und bis zu 35,3 Prozent für Unternehmen, die nicht mit der EU-Kommission bei der Untersuchung kooperiert haben. Die Höhe richtet sich unter anderem danach, wie viele Subventionen ein Hersteller bekommt. Sie werden auf einen ohnehin schon bestehenden Zoll von zehn Prozent aufgeschlagen.

Konkret soll für den chinesischen Hersteller BYD ein zusätzlicher Zoll von 17,0 Prozent gelten, Geely muss 19,3 Prozent zahlen und SAIC 35,3 Prozent, wie im August bekannt wurde. Geely produziert unter anderem die elektrischen Smart-Modelle #1 und #3 sowie den Volvo EX30. SAIC baut den in Deutschland populären MG4, der in den Zulassungsstatistiken aus Flensburg im Mai unter den E-Autos knapp hinter dem VW ID.3 auf dem zweiten Platz landete.

Welche Hersteller sind noch betroffen?

Neben chinesischen Herstellern wie BYD und Geely sind auch deutsche Hersteller betroffen. Die deutschen Platzhirsche Volkswagen, Mercedes und BMW produzieren auch in China für den Export und müssten entsprechend einen Aufschlag zahlen. Anfragen, inwiefern Renault aus Frankreich oder Fiat aus Italien von den Zöllen betroffen wären, ließen die beiden großen europäischen Hersteller unbeantwortet.

"Deutsche und europäische Hersteller, die aus China heraus in die EU exportieren, werden mit höheren Zöllen belastet als einzelne Wettbewerber aus China und den USA. Das ist schlichtweg unverständlich und wenig zielführend", kritisiert die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) Hildegard Müller.

Wie wirken sich die Zölle auf die Preise aus?

Ob oder in welchem Umfang die Zölle an Kundinnen und Kunden weitergegeben würden, ist derzeit noch unklar. Wie stark die Preise für aus China importierte Elektroautos steigen, ist für potenzielle Käuferinnen und Käufer noch nicht abzusehen.

Wie viele chinesische Autos gibt es in Deutschland?

Derzeit haben chinesische Hersteller nach Branchenangaben einen Marktanteil von rund einem Prozent in Deutschland. Durch einen Vorsprung in der Elektromobilität gewinnen Firmen aus Fernost aber an Boden und können etwa durch günstige Elektroautos überzeugen, die deutsche Marken schlicht nicht im Angebot haben. Doch auch in Autotests des ADAC schnitten chinesische Autos zuletzt gut ab. Die aktuellen Modelle seien "weit davon entfernt, veraltete und unsichere Billigautos zu sein". Ganz im Gegenteil: Sie können mit einem hohen Sicherheitsniveau, einer umfangreichen Komfort- und Sicherheitsausstattung sowie guter Verarbeitung überzeugen.

Dadurch sind einer ADAC-Umfrage zufolge mittlerweile fast zwei Drittel der Autofahrerinnen und Autofahrer bereit, innerhalb der nächsten drei Jahre ein Auto eines chinesischen Herstellers zu kaufen. Bei E-Autos sind es sogar 80 Prozent. Das bestätigen auch Handelszahlen: Der traditionelle Exportüberschuss der deutschen Automobilbranche in China könnte bereits in diesem Jahr kippen. Allein von Januar bis April kamen hierzulande vier von zehn importierten E-Autos aus China.

Welche Argumente sprechen für und welche gegen die Zölle?

Die EU-Kommission macht sich für die Zölle stark, weil sie im Verhalten Chinas eine Bedrohung für europäische Firmen sieht. Die Grundidee ist vereinfacht gesagt: Jeder Euro, den ein E-Auto aus China aufgrund von Subventionen günstiger wird, soll durch die Zölle aufgefangen werden, damit diese Fahrzeuge keinen unfairen Wettbewerbsvorteil haben.

Aus der deutschen Automobilbranche heißt es allerdings, die Zölle beseitigten keine strukturellen Nachteile, die in der EU bestünden. So sind der Autoindustrie etwa hohe Strompreise und Bürokratie durch gesetzliche Vorgaben ein Dorn im Auge. Zudem werden Gegenmaßnahmen befürchtet, und hier sind deutsche Hersteller im Vergleich zu anderen europäischen Firmen gefährdeter. Während andere europäische Hersteller keinen relevanten Marktanteil in China haben, sind es bei deutschen Herstellern laut VDA um die 20 Prozent. "Jedes in China verkaufte Auto finanziert die Wende zu einer klimafreundlichen Mobilität mit", sagt Verbandspräsidentin Müller.

Was sind die nächsten Schritte nach der Abstimmung?

Trotz der ausreichenden Mehrheit für die Zölle werden diese nicht automatisch ab Anfang November erhoben. Wenn Brüssel mit China am Verhandlungstisch noch eine Lösung erreicht, können die Zölle von der EU-Kommission wieder gestoppt werden, auch wenn eine Mehrheit der EU-Staaten vorher für das Vorhaben ausgesprochen hat.

Wenn sich eine Mehrheit gegen die Zölle ausspricht oder es keine Mehrheit für die Zölle gibt, heißt das aber auch nicht automatisch, dass die EU-Kommission die Zölle fallen lässt. Sie kann dann einen Berufungsausschuss einberufen, der ein zweites Mal über das Anliegen berät. Erst wenn es auch in diesem Ausschuss eine ausreichende Mehrheit gegen die Zölle ausspricht, darf die Kommission die Abgaben nicht einführen.

Wie sieht die Bundesregierung die Zölle?

Die Bundesregierung hat sich gegen die Zölle ausgesprochen. Aus grünen Regierungskreisen hieß es, Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe beschlossen, dass die Bundesregierung gegen die Zölle stimmen werde. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe dies akzeptiert. Damit nimmt Scholz angesichts von Differenzen der Koalitionspartner das letzte Wort für sich in Anspruch.

Wie sieht Peking die Zölle?

Im Hinblick auf die EU-Zusatzzölle spricht Peking von Protektionismus. Brüssel ignoriere Fakten, missachte Regeln der Welthandelsorganisation und werde sich selbst und anderen nur schaden, so das chinesische Außenministerium. Verhandlungen über eine Beilegung der Differenzen wurden von Peking unterstützt. Im September war der chinesische Handelsminister Wang Wentao zu Gesprächen nach Brüssel gereist. Doch droht Peking zugleich mit Gegenmaßnahmen.

So wurden etwa Anti-Subventionsuntersuchungen gegen importierte Milchprodukte und gegen Branntwein (Brandy) aus der EU vorangetrieben. Bei der Brandy-Untersuchung sind nach chinesischer Darstellung zwar Dumpingpreise festgestellt worden, Maßnahmen würden jedoch vorerst nicht ergriffen.

Was machen andere Länder?

Bereits im Frühjahr hatte US-Präsident Joe Biden angekündigt, Elektroautos aus China mit Sonderzöllen von 100 Prozent zu belegen - und sie so faktisch vom US-Markt zu nehmen, weil der Endpreis für die allermeisten Autokäufer dadurch zu hoch wird. Im September hat die Regierung Zollerhöhungen auf die chinesischen Importe dann auch offiziell beschlossen. Sie wirft China vor, die globalen Märkte mit künstlich verbilligten Exporten zu fluten. Damit hat sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China weiter verschärft.

Die Türkei hat erst kürzlich eine Steuer auf Autos aus China mit 40 Prozent, aber mindestens 7.000 US-Dollar pro Fahrzeug erlassen. Hinzu kommt laut Angaben des Senders TRT eine Umsatzsteuer von zehn Prozent. Investoren sind ausgenommen von dieser Regel. Kraftfahrzeuge unterliegen in der Türkei einer hohen Sondersteuer. Diese gilt für im Inland hergestellte wie für importierte Fahrzeuge. Die Höhe des Steuersatzes richtet sich nach dem Hubraum und liegt derzeit zwischen 45 bis zu 220 Prozent.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 04. Oktober 2024 um 12:00 Uhr.