Freude und Depressionen So beeinflusst Botox die Emotionen
Gesichtsbehandlungen, etwa mit Botox, können unsere Emotionen beeinflussen. Der Grund ist nicht ganz klar - der Effekt kann aber auch medizinisch genutzt werden.
Für Elsa gab es leider kein Foto. Bei der Fernsehshow "Germany’s Next Topmodel" musste vor einigen Wochen eine der Kandidatinnen gehen, weil sie ihre Lippen künstlich aufspritzen lassen hatte. Die Begründung: Durch den sogenannten Filler konnte sie auf Fotos kaum Gefühle zeigen. Der Vorfall hat die Diskussion über Gesichtsbehandlungen und Gesichtsausdruck wieder aufleben lassen.
Was nach bloßer Klatschmeldung klingt, hat tatsächlich einen wissenschaftlichen Hintergrund. Forschungserkenntnisse zeigen nämlich, dass man durch Gesichtsbehandlungen im Extremfall nicht nur dem Gegenüber nicht mehr zeigen kann, was man fühlt. Auch die eigenen Emotionen können dadurch beeinflusst werden.
Feedback von Muskulatur an das Gehirn
Tillmann Krüger ist Psychiater und forscht an der Medizinischen Hochschule Hannover zu dem Effekt von Botulinumtoxin - besser bekannt unter dem Handelsnamen Botox - auf die Psyche. Er sagt dazu: "Mit Botox oder auch mit Fillern ist man in der Lage, auch positive Emotionen zu verändern." Ebenso auch die negativen. Die Gefühlsregungen fallen nach einigen Gesichtsbehandlungen insgesamt schwächer aus.
Grund dafür könnte, so eine Theorie, das fehlende Feedback von Gesichtsmuskulatur zum Gehirn sein. Denn laut der sogenannten Facial-Feedback-Hypothese reagieren wir auf unsere Umgebung unwillkürlich mit kleinen oder auch größeren Regungen in der Mimik. "Das verstärkt eine Emotion, die da ausgedrückt wird, nach dem Motto: Ich spür es ja auch körperlich, dass ich gerade ganz freudig bin oder dass ich ganz traurig oder besorgt bin", sagt Krüger.
Künstliches Lächeln fördert positive Gefühle
Der Effekt lässt sich auch künstlich hervorrufen, indem man zum Beispiel seine Gesichtsmuskulatur anspannt. Hält man sich einen Kugelschreiber quer vor den Mund, drückt ihn nach hinten und hält ihn mit den Backenzähnen fest, schieben sich die Mundwinkel nach oben. Auch wenn die Bewegung selbst mit einem echten Lächeln kaum etwas zu tun hat, können so die Gefühle positiv beeinflusst werden. Denn unser Gehirn deutet die Bewegung der Muskeln als Emotionsregung.
Botox verhindert wahres Lächeln
Gleichzeitig können Gesichtsbehandlungen, die die Muskeln im Gesicht lähmen, aber auch Emotionen abschwächen, so Krüger: "Wenn mein Gesicht zum Beispiel sehr starr wird oder wenn ich mir die Krähenfüße behandeln lasse." Denn so ist ein sogenanntes "wahres Lächeln" oder auch "Duchenne-Lächeln" nicht mehr möglich.
Dieses Lächeln wurde benannt nach dem französichen Physiologen Guillaume-Benjamin Duchenne. Denn beim Lächeln zieht man normalerweise nicht nur die Mundwinkel nach oben. Auch die Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen. Botox-Injektionen um die Augen herum lähmen die Muskulatur und verhindern einen natürlichen Gesichtsausdruck beim Lächeln oder Lachen.
Hilfe bei Depressionen und Symptomen von Borderline
Der lähmende Effekt von Botox kann aber auch medizinisch genutzt werden. Wissenschaftler Krüger forscht schon seit einigen Jahren dazu, dass Botox-Behandlungen helfen können, die Symptome von Depressionen zu lindern. Im vergangenen August hat er mit Kolleginnen und Kollegen eine Studie veröffentlicht, wonach die Behandlung auch Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung helfen kann, indem sie die starken negativen Gefühle dämpft, die Betroffene häufig empfinden.
Auch hier, so die Theorie, kann das Feedback von den Gesichtsmuskeln an das Gehirn gestoppt werden. Wird Botox in die Muskulatur zwischen den Augenbrauen gespritzt, kann sich die sogenannte Zornesfalte glätten. Dadurch entspannt sich nicht nur die Gesichtsmuskulatur, auch den Patientinnen und Patienten geht es besser.
Noch ist das Verfahren allerdings keine Kassenleistung. Krüger behandelt zwar regelmäßig Patienten im Rahmen von sogenannten Heilversuchen. Das sind Behandlungen mit noch nicht für diese Anwendung zugelassenen Medikamenten. Diese Therapieversuche müssen allerdings selbst bezahlt werden oder im Rahmen einer Studie stattfinden.
Veränderungen im Gehirn
Ob tatsächlich das Feedback an das Gehirn der Grund dafür ist, dass Botox bei Depressionen und den Symptomen von Borderline helfen kann, ist nicht ganz klar. Es gibt aber Hinweise, dass Botox die Emotionsverarbeitung im Gehirn beeinflusst. Shauna Stark ist Neurowissenschaftlerin an der University of California, Irvine. Sie hat in einer neuen Studie, erschienen in der Zeitschrift "Scientific Reports", die Gehirne von gesunden Menschen untersucht, die Botox-Injektionen im Gesicht bekommen haben.
Die mit Botox behandelten Personen bekamen Fotos von Gesichtern mit unterschiedlichen Gefühlsausdrücken gezeigt. Zwar konnten die Probandinnen und Probanden schon unterscheiden, ob sie fröhliche, traurige oder zornige Gesichter gezeigt bekamen. Bei ihrer Gehirnaktivität zeigten sich aber Unterschiede im Mandelkern, der im Gehirn Emotionen verarbeitet.
Bei der Interpretation der Ergebnisse gibt es allerdings einiges zu bedenken: Die Studie wurde von der Firma Allergan finanziert, die Botox herstellt. Einer der Ko-Autoren ist ein prominenter forschender Angestellter der Firma. Und die Studie hat ein paar Unzulänglichkeiten, wie auch Stark selbst anmerkt: Es wurden nur zehn Probanden untersucht. Es gab keine echte Kontrollgruppe, also keine Gegenprobe ohne Botox-Behandlung. Außerdem gab es keine Abstufungen bei den gezeigten fröhlichen oder traurigen Gesichtern. Das Verfahren war also sehr grob. "Wenn wir ein sensibleres Maß für Emotionen gehabt hätten, wenn man also Gesichter auf einem Spektrum hätte und die Leute sie entlang eines Spektrums bewerten müssten, dann hätten wir vielleicht einige Unterschiede gesehen", so auch Stark.
Direkter Einfluss auf das Gehirn möglich
Auch die Interpretation dieser und vorheriger Studien, die einen Einfluss von Botox auf Gehirnaktivität gezeigt haben, ist nicht ganz klar. Abgesehen vom Feedback über die Muskeln könnte es auch sein, dass Wirkstoffe aus dem Botox direkt Einfluss auf Prozesse im Gehirn nehmen.
So kann auch Botox im Gesicht von Mäusen Depressionen lindern. Ob das an der veränderten Mimik liegt oder daran, dass das Botox in den Nagern nur einen kurzen Weg zum Gehirn zurücklegen muss, ist unbekannt. Bei Menschen liegen Gesichtsmuskeln und Gehirn zwar weiter auseinander. Dennoch ist nachgewiesen, dass das Botox auch wenigstens ein Stück entlang der Nerven wandern kann.
Vorsicht bei Gesichtsbehandlungen
Auch wenn die genaue Ursache noch nicht bekannt ist, gibt es einen nachgewiesenen Effekt von Botox auf die Emotionen, sagt Wissenschaftler Krüger: "In meinen Vorträgen sage ich immer: Passen Sie auf, was Sie alles so im Gesicht machen. Es kann immer auch einen Effekt auf die Psyche und die Emotionen haben."