Mission "Hera" mit Raumsonde (l) und begleitenden CubeSats (oben Milani und unten Juventas) am Doppel-Asteroiden Dimorphos/Didymos.

Start der "Hera"-Mission Wie Forscher an der Abwehr von Asteroiden arbeiten

Stand: 07.10.2024 11:18 Uhr

Im Florida läuft der Countdown: Heute soll die ESA-Sonde "Hera" Richtung Asteroid Dimorphos aufbrechen. Ziel der Mission: die Menschen vor möglichen Einschlägen aus dem All zu schützen.

Schauspieler Bruce Willis hatte die Lösung parat. Im Blockbuster "Armageddon" fliegt er zu einem Asteroiden, der auf die Erde zurast, und sprengt ihn. So verhindert er, dass der Asteroid auf die Erde einschlägt und einen verheerenden Schaden anrichtet. Diese Hollywood-Lösung ist für die irdische Raumfahrt nicht praktikabel, die Frage aber ist nicht minder spannend und wichtig: Was machen wir, sollte ein Asteroid die Erde bedrohen?

Die gute Nachricht: In absehbarer Zukunft nimmt kein zerstörerischer Asteroid Kurs auf die Erde - aber die Wissenschaftler wollen gewappnet sein.

Dimorphos zweiter Besuch von der Erde

Um sich vorzubereiten, will die ESA nun eine Sonde zu dem Asteroiden Dimorphos schicken. Er ist der kleinere Asteroid eines Asteroidenpaars und kreist als eine Art Mond um seinen größeren Partner. Die "Hera"-Sonde - benannt nach der Göttin der Ehe in der griechischen Mythologie - soll ihn genauestens untersuchen. Damit bekommt der Asteroid bereits zum zweiten Mal Besuch von der Erde.

Im September 2022 hatten NASA-Wissenschaftler zu Testzwecken in elf Millionen Kilometer Entfernung absichtlich eine kühlschrankgroße Sonde auf Dimorphos einschlagen lassen. Das Ziel: Seine Flugbahn absichtlich zu verändern. Für solche Experimente eignet sich ein Asteroidenpaar besonders gut, weil man den Erfolg der Mission anhand einer veränderten Umlaufbahn kontrollieren kann.

Ablenkung geglückt

Das Experiment hat tatsächlich funktioniert. Vor dem Einschlag der Sonde brauchte Dimorphos zwölf Stunden, um sich einmal um seinen Partner zu drehen, jetzt braucht er 33 Minuten weniger. Es war gelungen, Dimorphos abzulenken.

Nun soll die ESA-Sonde "Hera" in einer Folgemission den Asteroiden untersuchen, da sich eine Menge Fragen stellen: Wie hat der Einschlag den kleinen Asteroiden verändert? Wie groß ist der Krater, den die NASA-Sonde verursacht hat? Wie groß war die Masse von Dimorphos vor dem Einschlag und wie groß ist sie jetzt? Ist der Asteroid womöglich schon auseinandergebrochen und wird nur noch durch seine eigene schwache Schwerkraft zusammengehalten? Die gesamte Mission kostet 383 Millionen Euro.

Schwierige Annährung

"Hera" wird zwei Jahre unterwegs sein, bis sie den Asteroiden erreicht. Dann soll sie mehrere Monate um ihn kreisen und ihn dabei untersuchen, wobei bereits die Annäherung an Dimorphos kompliziert ist. Der Asteroid hat eine geringe Schwerkraft, trotzdem muss die Sonde auf Kurs gehalten werden.

"Unser Operationsteam wird einige Zeit brauchen, um zu lernen, wie man 'Hera' in einer Umgebung mit so geringer Schwerkraft fliegt", erklärt Ian Carnelli, "Hera"-Missionschef der ESA. Die Schwerkraft des Asteroiden sei so gering, dass sie niedriger als ein Blatt Papier in den Händen sei. "Und genau das wird die Raumsonde spüren, wenn sie den Asteroiden erreicht. Nach ein paar Monaten beginnen wir dann mit dem wissenschaftlichen Betrieb, wir schalten alle Instrumente ein und sammeln Daten, die wir zur Erde zurückschicken."

Instrumente an Bord der Sonde

Die Sonde hat viele Instrumente an Bord, beispielsweise spezielle Kameras. Sie sollen sehr detaillierte Aufnahmen machen, um die Form des Asteroiden nach dem Einschlag zu rekonstruieren, sagt Carnelli. Die Kameras stammen aus Deutschland und wurden von dem Unternehmen Jena-Optronik entwickelt, hergestellt und getestet.

Außerdem sind zwei CubeSats an Bord von "Hera", das sind zwei kleine schuhschachtelgroße Satelliten. Einer der beiden heißt Juventas und soll sogar auf dem Asteroiden landen. Auch er habe besondere Instrumente dabei, sagt Carnelli. "Da ist zum einen ein Radarinstrument, um die innere Struktur des Asteroiden zu untersuchen." Außerdem sei ein Gravimeter an Bord, das die Schwerkraft messe.

Mit den Daten, die die Forscher gewinnen, wollen sie übertragbare Modelle entwickeln, um gewappnet zu sein, falls sich in Zukunft wirklich ein Asteroid der Erde gefährlich nähert. Das Asteroidenpaar, zu dem "Hera" fliegt, wird der Erde nie wirklich gefährlich werden. Es wurde nur zu Testzwecken ausgesucht.

Gefahr aus dem All

Insgesamt sind derzeit ungefähr 36.000 sogenannte NEOs (near-earth-objects), also erdnahe Asteroiden und Kometen, bekannt. Die größten von ihnen messen im Durchmesser einige Kilometer. Bei knapp fünf Prozent bestehe die Gefahr, dass sie irgendwann einmal auf der Erde einschlagen könnten, sagt die ESA. 

"Wir wissen, es wird auf der Erde weitere Einschläge geben. Wir wissen nur nicht genau, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist", sagt ESA-Astronaut Alexander Gerst, der selbst schon auf einer Expedition in der Antarktis Meteoriten - also Bruchstücke von Asteroiden - sammelte. "Die Kombination der Missionen 'DART' und 'Hera' ist der erste Schritt zu einer aktiven Verteidigung vor einer Gefahr, die aus dem Weltraum droht."

Asteroid Apophis kommt näher

Am 13. April 2029 wird etwa der Asteroid Apophis in einer Entfernung von 32.000 Kilometern an der Erde vorbeiziehen. Er hat einen Durchmesser von etwa 375 Metern, was in etwa der Größe eines Kreuzfahrtschiffes entspricht, und wird die Erde glücklicherweise verfehlen. In weiten Teilen Europas und Afrikas sowie in Teilen Asiens wird der Asteroid für kurze Zeit für rund zwei Milliarden Menschen bei klarem, dunklem Himmel mit bloßem Auge sichtbar sein, so die ESA.

Für die Wissenschaft bietet er eine neue Chance, mehr über Asteroiden zu erfahren. Dazu könnte dann eine weitere ESA-Sonde starten, um den Asteroiden während des Vorbeiflugs zu begleiten und zu beobachten, wie er durch die Schwerkraft unseres Planeten verformt und verändert wird.

Asteroiden aus Stein, Eisen oder Gas

Es gibt noch viel über Asteroiden zu erforschen und zu lernen, sagt Gerst. "Wir können begrenzt Rückschlüsse auf die Materialien, aus denen Asteroiden bestehen, ziehen, indem wir hier auf der Erde Meteoriten einsammeln." Manche seien aus Stein, manche aus Eisen. "Daneben gibt es aber auch Kometen, die aus gefrorenem Gas und Staub bestehen. All diese Objekte haben also verschiedene Oberflächen, Zusammensetzungen und Dichten."

Je nachdem, was für eine Art von Asteroid der Erde gefährlich wird, müssen die Wissenschaftler dann passgenaue Abwehrmissionen entwickeln. Das Projekt "Hera" soll den Forschern dafür wichtige Daten liefern.