Rabea Rogge
interview

Forscherin Rogge will ins Weltall "Es ist Zeit, dass eine Frau fliegt"

Stand: 19.08.2024 12:36 Uhr

Sie selbst habe Frauen als Vorbilder und dachte sich: Das kann ich auch schaffen, erzählt die Elektroingenieurin Rabea Rogge im Interview mit der tagesschau. Ende des Jahres könnte sie als erste deutsche Frau ins Weltall fliegen.

tagesschau.de: Wie geht es Ihnen und wo erreichen wir Sie gerade?

Rabea Rogge: Ich bin gerade in Los Angeles, im Hauptquartier von SpaceX, und trainiere. Ich bin mit meinen Crew-Mitgliedern schon seit Februar im Training, auch wenn unsere Mission erst jetzt bekannt wurde. Wir trainieren gerade in einem Mockup der Crew-Dragon-Kapsel, also dem Raumschiff von SpaceX, mit dem wir ins All fliegen. Das ist das gleiche Training, das auch die Astronauten der NASA und ESA machen für diese Kapsel.

Das Zentrifugentraining haben wir schon hinter uns. Da muss der Körper Beschleunigung aushalten. Das war wie eine angenehme Achterbahnfahrt, einfacher, als ich gedacht habe. Wir haben auch ein Expeditionstraining in Alaska hinter uns. Da ging es darum, wie ich mich in Extremsituationen verhalte. Ich habe auch medizinisches Training, weil ich während der Mission der "medical officer" bin.

tagesschau.de: Die Mission, an der Sie teilnehmen, ist eine private, also kommerziell. Bezahlt wird sie von dem Bitcoin-Millionär Chun Wang. Wie haben Sie ihn kennenglernt?

Rogge: Vor ungefähr einem Jahr habe ich Chun bei einer Expedition auf Svalbard, beziehungsweise Spitzbergen, kennengelernt. Dort haben wir gelernt, wie man bei minus 20 Grad überlebt. Während des Trainings habe ich den anderen Teilnehmern von meiner damaligen Arbeit bei einem Satelliten-Team berichtet, da ich so begeistert davon war.

So sind wir ins Gespräch gekommen über Weltraumtechnologie, bemannte Raumfahrt und ambitionierte Pläne. Und ein halbes Jahr später bekam ich die Anfrage von Chun, dass er bei seiner Mission drei Plätze zur Verfügung hat und ob ich einen davon nehmen möchte.

Doktorarbeit über autonome Boote in der Arktis

tagesschau.de: Insgesamt sind Sie zu viert an Bord der Kapsel. Wer ist dabei und warum?

Rogge: Chun hat erzählt, dass er uns ausgewählt hat, weil wir alle verschiedene Blickwinkel auf die Polarregion haben. Wir fliegen ja mit unserem Raumschiff in einer polaren Umlaufbahn, also über polare Gebiete. Wir haben Eric aus Australien im Team, ein Polarabenteurer, der die Arktis und Antarktis kennt. Dabei ist die Filmemacherin Jannicke aus Norwegen und ich als Robotik-Forscherin, die in der Arktis arbeitet.

tagesschau.de: Sie sind 28 Jahre alt und kommen aus Berlin. Was für eine Ausbildung haben Sie?

Rogge: Ich habe an der ETH, der Universität in Zürich, meinen Bachelor und Master in Elektrotechnik gemacht. Außerdem habe ich ein Auslandssemester in Schweden absolviert. Ich glaube, ein Studium gibt einem eine gute Grundlage, und technisches Wissen zu haben, ist gut. Aber operative Erfahrung und Expeditionen sind viel wichtiger.

Bis vor Kurzem habe ich an meiner Doktorarbeit über autonome Boote in der Arktis gearbeitet. Bei dieser Arbeit musste ich - wie im Weltraum auch - Situationen unter Zeitdruck einschätzen lernen und mich fragen: Welche Hilfsmittel habe ich? Was sind meine Ressourcen? Wie kann ich mit meinem Team am besten arbeiten? Ich habe auch schon drei Monate auf See vor Westafrika verbracht und musste mit dem arbeiten, was gerade da war und kreativ sein.

"Man muss sich schon sehr viel mehr durchsetzen als Frau", Rabea Rogge, Astronautin, zu möglichem Flug ins All

tagesschau24, 19.08.2024 14:00 Uhr

Erste deutsche Frau im All?

tagesschau.de: Die Nachricht, dass Sie in den Weltraum fliegen, sorgte vor allem deshalb für Schlagzeilen, weil Sie nach zwölf deutschen männlichen Astronauten die erste Frau sind. War das okay für Sie?

Rogge: Ja, es ist Zeit, dass eine Frau fliegt. Die deutschen Astronauten, die vor mir geflogen sind, sind aber natürlich inspirierende Menschen. Aber ich habe, als ich ein Satelliten-Team geleitet habe, gemerkt, dass man sich als Frau mehr durchsetzen muss.

Ich habe ebenfalls Frauen als Vorbilder, die CEO sind, und dachte: Das kann ich auch schaffen. Wenn nach meiner Mission nur eine Frau denkt, dass sie etwas schaffen kann, weil es ihre Passion ist, dann wäre das ein Gewinn für mich.

tagesschau.de: Sie haben keine "klassische" ESA-Ausbildung durchlaufen, waren nicht bei der Europäischen Weltraumagentur. Braucht es die überhaupt noch?

Rogge: Ich denke, in Zukunft wird es auch weiterhin staatliche Astronauten geben. Aber die Zeiten haben sich geändert. Man muss nicht mehr ein "Supermensch" sein, um in den Weltraum zu fliegen. Gerade bei der Crew-Dragon-Kapsel ist sehr viel automatisiert, das heißt, sehr viel weniger hängt vom Astronauten ab. Früher brauchten Astronauten viel mehr Training. Ich habe beispielsweise keinen Pilotenschein und Eric auch nicht.

Manche Trainings sind überflüssig geworden, etwa ein "Fighter Jet Training" in einem Kampfflugzeug. Der Weltraum kann und soll allen Menschen geöffnet werden. Aber es ist nicht so, dass die jahrelange Ausbildung bei der ESA ein "alter Weg" ist. Es ist ein anderer Weg. Ich überlege, mich bei der nächsten Ausschreibung auch noch bei der ESA zu bewerben.

Wie passt sich der Mensch an extreme Umgebungen an?

tagesschau.de: Ihre Mission ist kein Touristenflug, sondern hat auch einen wissenschaftlichen Anspruch. Um was geht es?

Rogge: Das Profil unserer Mission ist sehr spannend. Zum ersten Mal werden Menschen in einer polaren Umlaufbahn fliegen. Wir haben Experimente der NASA und vieler Universitäten dabei. Die Fragestellung, welcher wir nachgehen ist: Wie passt sich der Mensch an extreme Umgebungen an? Das kann die Arktis und Antarktis sein, der Weltraum oder sogar Covid Isolation.

Wir haben zum Beispiel ein neuartiges portables Röntgengerät dabei, darüber werde ich aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr sagen. Wir untersuchen außerdem Lichtphänomene und machen Versuche zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Weltraums auf unsere Körper.

tagesschau.de: Wann fliegen Sie genau? Bei SpaceX heißt es in der typischen Raumfahrtsprache "nicht früher als Ende 2024".

Rogge: Auch dazu werde ich nichts sagen. Aber ich habe viel Vertrauen, dass wir bald launchen. Ich bin sehr inspiriert, wenn ich sehe, wie SpaceX arbeitet. Am Anfang war ich eher kritisch, aber es ist erstaunlich, wie hart, motiviert und zielorientiert man hier ist.

Das Gespräch führte Ute Spangenberger, SWR