Verhaltensforschung Kraken und Fische jagen erfolgreicher im Team
Jagdverbünde aus verschiedenen Tierarten sind selten. Ein Forschungsteam der Uni Konstanz hat herausgefunden: Wenn Kraken sich mit Fischen zusammentun, die ähnliches Fressen mögen, machen sie gemeinsam mehr Beute.
Es sieht fast aus wie in einem Zeichentrickfilm: Ein Oktopus holt mit einem seiner acht Arme aus und boxt einen Fisch zur Seite. Was wie ein Kampf wirkt, ist aber eigentlich Teil einer gemeinsamen Jagd. Gefilmt hat diese Szene ein Forschungsteam der Universität Konstanz im Roten Meer. Sie haben herausgefunden: Die Teams aus Oktopus und Fischen gehen bei der Jagd sehr raffiniert vor.
Das widerlege die Annahme, dass nur Artgenossen komplexe Probleme lösen können, erklärt der Verhaltensforscher Eduardo Sampaio. Er ist Teil des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten der Uni Konstanz, das unter anderem Schwarmverhalten untersucht.
Kraken und Fische profitieren voneinander
Das Forschungsteam hat in einer Studie die Bewegungen verschiedener Jagdgruppen am Computer analysiert und konnte zeigen: Je nach Zusammensetzung weist die Gruppe ein unterschiedliches Sozialverhalten auf.
Dem Oktopus fällt es mit seinen langen Greifarmen leichter, Beute wie Weichtiere und kleine Krebse aus ihrem Versteck zu jagen. Das machen sich Fische zu Nutze, die dem Oktopus folgen und einen Teil der Beute wegschnappen. Doch auch die Fische helfen bei der Jagd mit: Sie erkunden die Umgebung und zeigen dem Oktopus den Weg zu Orten mit mehr Nahrung.
Beobachtungen im Roten Meer: Der Oktopus nimmt eine eher unübliche Führungsrolle ein.
Unterschiedliche Formen der Führung sind möglich
Ob sich die Gruppe tatsächlich dorthin begibt, entscheidet aber immer noch der Oktopus - und nimmt damit eine eher unübliche Führungsrolle ein:
Es geht nicht nur darum andere mitzuziehen. Es geht auch darum zu bleiben und zu sagen: Nein, dort gehen wir nicht hin. Wir bleiben hier. Oder: Nein, ich mag diese Option nicht. Schaut euch weiter um.
Meeresbewohner zeigen soziale Kompetenz
Der sonst als Einzelgänger geltende Oktopus orientiert sich dabei am Verhalten der Fische. Das bewiesen Sampaio und sein Team in einem Experiment. Sie stellten einem Oktopus leere und volle Futterbehälter zur Auswahl. War der Oktopus allein, suchte er sich wahllos einen Behälter aus. Fische dagegen schwammen gezielt die vollen Behälter an. In 90 Prozent der Fälle habe daraufhin auch der Oktopus den Behälter angegriffen, beschreibt Sampaio: "Daraus können wir schließen, dass der Oktopus die Information versteht, die der Fisch ihm gibt."
Doch auch die Fische verhalten sich schlau: Sie nutzen den Oktopus als Werkzeug, um selbst an mehr Beute zu kommen. Doch der lässt sich nicht alles gefallen: Wer nicht genug mithilft, wird vom Oktopus mit einem Seitenhieb an den Rand der Gruppe befördert. Auch die Fische jagen einander regelmäßig aus dem Weg.
Weitere Forschung geplant
Diese gegenseitige Kontrolle der Jagdgruppe will das Forschungsteam nun näher untersuchen. "Wir wissen bereits, dass der Oktopus einzelne Arten erkennen kann - welche eher mitarbeiten und welche nur profitieren", so Sampaio.
"Jetzt wollen wir herausfinden, ob er auch einzelne Tiere wiedererkennt." Dafür will das Team einzelne Fische markieren und beobachten, ob es im Sozialverhalten der Gruppe wiederkehrende Muster gibt - und so weitere Geheimnisse der Unterwasserwelt lüften.