Überlastungstag Alles aufgebraucht für 2024
Früher als im vergangenen Jahr hat Deutschland seine natürlichen Ressourcen für ein Jahr aufgebraucht. Was das bedeutet und wie es um Ressourcen- und Klimaschutz in Deutschland steht.
Was heißt Überlastungstag?
Das heißt, dass Deutschland heute seine jährlichen Ressourcen aufgebraucht hat und von heute an mehr nutzt als maximal innerhalb eines Jahres nachwachsen kann. Deutschland und seine Bürger haben also mehr Wälder und Bäume abgeholzt, mehr Rohstoffe genutzt, mehr CO2 ausgestoßen als Deutschland rechnerisch zustehen würde. Ab jetzt leben wir quasi auf Pump.
Mit dem Verbrauch, den wir als deutsche Gesellschaft haben, bräuchten wir im Jahr drei Welten. Nach Berechnungen von Umwelt- und Klimawissenschaftlern ist das für Deutschland in diesem Jahr sogar früher der Fall als noch im vorigen Jahr. 2023 war der Überlastungstag für Deutschland am 4. Mai. Der symbolische Tag wird jedes Jahr vom Global Footprint Network errechnet und veröffentlicht. Für die ganze Welt gesehen liegt der Tag erst Ende Juli beziehungsweise Anfang August.
Welche Rolle spielt Deutschland im Ressourcenverbrauch?
Eine Welt ist nicht genug. Nach diesem Motto agieren viele Industriestaaten. Die Umweltorganisation Germanwatch macht auch den Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten als einen großen Faktor für den raschen Verbrauch natürlicher Ressourcen aus. In Deutschland werden rund 60 Prozent der Agrarfläche für die Produktion von Futtermitteln verwendet, so die Organisation.
"Da die einheimischen Futtermittel trotzdem nicht ausreichen, um den hiesigen Bedarf für die Tiere zu decken, werden zusätzlich massiv Flächen im Ausland in Anspruch genommen", erklärt Konstantinos Tsilimekis, Experte für Welternährung und Landnutzung bei Germanwatch. Es würden "Millionen Tonnen Soja für die Verfütterung nach Deutschland importiert. Der Anbau solcher Futtermittel ist seit Jahrzehnten ein zentraler Treiber für die Vernichtung von Wäldern und den Verlust von Biodiversität."
Wie sieht es in anderen Ländern aus?
Der weltweite Überlastungstag liegt Ende Juli/Anfang August. Vor 25 Jahren lag er noch im Oktober. Deutschland ist wie viele andere Industriestaaten relativ früh schon am Ressourcenlimit angekommen. Parallel zu uns liegt der symbolische Tag in Frankreich auch Anfang Mai. In Katar oder auch in Luxemburg ist er bereits Mitte Februar erreicht, in den USA Mitte März. China hat noch Zeit bis Anfang Juni. Ein Staat wie Indonesien kommt mit seinen Ressourcen fast genau aus. Dort wird der Überlastungstag in diesem Jahr wohl erst Ende November erreicht.
Was können wir ändern?
Neben dem Fleischkonsum nennen Klimawissenschaftler auch immer wieder den zu hohen Energieverbrauch. Hier sehen viele Lenkungsmöglichkeiten. Die Investition in erneuerbare Energien wird immer wieder als zentraler Punkt genannt. Das müsse aber konsequent passieren, betonen Klimaforschende. Und da gebe es einen Faktor aus dem vergangenen Jahr, der bedenklich stimmen müsse, so Manfred Fischedick, Leiter des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie.
"Die deutschen Treibhausgasemissionen sind im vergangenen Jahr zwar um mehr als zehn Prozent gegenüber 2022 gesunken. Das klingt erst einmal nach einem großen Erfolg", sagt Fischedick. "Aber es lag nur zu einem kleineren Teil an strukturellen Maßnahmen wie dem weiter dynamisch fortschreitenden Ausbau erneuerbarer Energien. Maßgeblich waren vielmehr der milde Winter, der verstärkte Import von Strom aus den Nachbarländern und vor allem der energiepreisbedingt starke Rückgang der industriellen Produktion."
Was bedeutet ein hoher Ressourcenverbrauch für die Umwelt?
Ein hoher Ressourcenverbrauch bringt nicht nur das Klima und die Umwelt, sondern auch die Biodiversität ins Ungleichgewicht. Eine neue Modellstudie renommierter Klimaforschender, an der auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung beteiligt war, kommt zu dem Schluss, dass der Klimawandel bis zur Mitte des Jahrhunderts zum Hauptgrund werden könnte, was den Verlust biologischer Vielfalt angeht.
In allen Szenarien führten die Auswirkungen des Landnutzungswandels und des Klimawandels kombiniert zu einem Verlust der biologischen Vielfalt in allen Weltregionen, so das Potsdam-Institut. "Die derzeitigen politischen Maßnahmen reichen nicht aus, um die internationalen Ziele für die biologische Vielfalt zu erreichen", sagt Alexander Popp, Professor für nachhaltige Landnutzung und Klimaschutz an der Universität Kassel und Mitautor der Studie. "Es sind viel stärkere Anstrengungen nötig, um den vom Menschen verursachten Verlust der Biodiversität, eines der größten Probleme der Welt, einzudämmen."
Welche Projekte gibt es?
Geht es um den Holzverbrauch, dann sind Projekte sinnvoll, die Wälder schonen und Abholzung weltweit reduzieren. Da aber Holz weiterhin ein wichtiger Rohstoff ist auch als nachhaltige Alternative im Häuserbau, gibt es immer wieder Initiativen, Holz nachhaltiger anzubauen.
Wegrow, ein deutsches Unternehmen aus Tönisvorst in Nordrhein-Westfalen, baut zum Beispiel einen rasant wachsenden Baum, den Kiri-Baum, systematisch auf Agrarflächen an. Dazu werden die kleinen Bäume in wenigen Wochen im Labor gezüchtet, dann im Gewächshaus gepflegt und nach wenigen Monaten verpflanzt. Innerhalb weniger Jahre sind diese Bäume schon mehrere Meter hoch, so hoch wie Eichen oder Birken erst nach Jahrzehnten. "Dieses Holz kann nachhaltig angebaut und dann genutzt werden, so schonen wir Holzressourcen und Wälder auf der ganzen Welt", so das Unternehmen.
Ihren eigenen CO2-Fußabdruck, der vor allem durch den Transport größer wird, versuchten sie durch effizienten Transport und die Nutzung regenerativer Energien wie Solarkraft so schmal wie möglich zu halten. Es ist nur eines von vielen Projekten, die versuchen, klima- und ressourcenfreundlich zu sein.
Was ist die Kritik am Überlastungstag?
Immer wieder werden die Berechnungen des Global Footprint Networks kritisiert. Sie seien zu einfach, Fakten würden miteinander verrechnet, die manchen Experten zufolge nicht in Relation gebracht werden können. Auch das Institut der Deutschen Wirtschaft kritisiert die Berechnungen seit Jahren. "Für den Index werden nachwachsende Ressourcen, nicht-nachwachsende Ressourcen und Emissionen zusammengefasst, obwohl sie sich schlecht vergleichen lassen", schreibt Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Insituts bereits 2021.
"Der diagnostizierte Überverbrauch von Ressourcen ist vor allem auf die CO2-Emissionen zurückzuführen, nicht auf die Ressourcennutzung. Wir verbrauchen nicht mehrere Erden. Wir haben auch nicht im Frühjahr alle Ressourcen verbraucht, die uns in einem Jahr zur Verfügung stehen. Aber die Welt produziert zu viel CO2. Das sollte man auch so benennen."