Ein Tropfen Wasser kommt aus einem Wasserhahn.
Interview

UN-Wasserkonferenz "Vergesst das Wasser nicht"

Stand: 22.03.2023 19:24 Uhr

Jeder vierte Mensch hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Laut den Vereinten Nationen wird sich die Lage durch die Klimaerwärmung noch verschärfen. Was die Forschung dagegen tun kann, erklärt "Wassertechnologie-Experte Mohr im Interview.

tagesschau.de: In vielen Ländern wird das Trinkwasser knapp, im Sommer auch in Teilen Südeuropas. Wie ist die Situation in Deutschland?

Marius Mohr: Es ist noch nicht so schlimm wie in Südeuropa. Allerdings hatten wir die letzten Jahre regional zu bestimmten Zeiten im Jahr Wassermangel. Wo dann die Frage war: Konkurrenz um Wasser, wie viel bekommt die Landwirtschaft noch? Die Verbraucher haben bisher noch keine akuten Sorgen. Das wird sich aber in der Zukunft in Deutschland auch ändern.

Marius Mohr
Zur Person
Dr.-Ing. Marius Mohr leitet das Innovationsfeld "Wassertechnologien und Wertstoffrückgewinnung" am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. Er engagiert sich in der Kooperation mit Indien im Bereich Wassermanagement und Abwasserreinigung.

Wasserwiederverwendung als Chance

tagesschau.de: Welche Möglichkeiten gibt es, Wasser zu gewinnen?

Mohr: Grundwasser und Oberflächenwasser sind die klassischen Wasserreserven. Die Ozeane sind voll von Wasser, das ist aber zu salzig, um als Trinkwasser zu dienen. Meerwasserentsalzung ist eine Technologie, die verwendet wird. Die ist aber energieintensiv, und gleichzeitig bleiben hinterher die Salze übrig. Wenn man die lokal einleitet, dann hat das schlechte ökologische Folgen.

Ein großes Thema, wie man Wasser effizienter nutzen kann, ist die Wasserwiederverwendung. Das heißt Wasser, was bereits genutzt wurde, so zu reinigen, dass es wieder genutzt werden kann.

tagesschau.de: Wie funktioniert Meerwasserentsalzung?

Mohr: Da wird Wasser durch enge Membranen mit hohem Druck gepresst, und einfach vorgestellt bleibt das Salz zurück und das Wasser geht durch. So wird das Salz vom Wasser getrennt und hinterher ist das Wasser komplett salzlos. Es wird dann normalerweise wieder etwas angereichert, dass es dem normalen Wasser entspricht.

Inga Wonnemann im Interview mit Marius Mohr, Fraunhofer-Institut IGB Stuttgart, zu Technologien für sauberes Trinkwasser

tagesschau24

Umweltschäden durch Salzlauge

tagesschau.de: Die dabei entstehende Salzlauge wird oft wieder ins Meer gegeben. Was sind die Gefahren für die Umwelt?

Mohr: Im Grunde ist es Salz, das aus dem Meer kommt und das man wieder zurückgibt. Das ist aber eine Frage der Konzentration. Lokal hat man dann höhere Salzkonzentrationen, die für Lebewesen im Wasser giftig wirken.

Auch über das Recycling der Salzlauge wird heftig nachgedacht. Salz ist ein Wertstoff, wir brauchen das insbesondere für die Ernährung. Es ist aber relativ aufwendig und teuer, aus diesem unspezifischen Meersalz ein Salz herzustellen, das genutzt werden kann. Es ist eine Kostenfrage, das Salz in diesen Mengen zu verwenden, dass es als Wertstoff gilt. Was aber das Ziel sein muss, ist der Kreislaufgedanke.

Nachhaltig nur mit erneuerbaren Energien

tagesschau.de: Die Entsalzung wird in einigen Ländern bereits angewendet, vor allem im Nahen Osten. Die dazu benötigte Energie wird meist aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Warum nicht mit erneuerbaren Energien?

Mohr: Man kann es auch mit erneuerbaren Energien machen. Die Schwierigkeit ist nur: Grüner Strom wird für so viele Dinge gebraucht - zum Beispiel für Elektrofahrzeuge oder zur Herstellung von Wasserstoff. Natürlich kann ich den auch verwenden, um Meerwasser zu entsalzen. Aber solange wir noch nicht so weit sind, dass wir die Energieinfrastruktur so umgestellt haben, dass wir 100 Prozent Erneuerbare haben, muss man davon ausgehen, dass in erster Linie fossile Energie für die Entsalzung genutzt wird.

Entsalzung als ein Puzzlestück von vielen

tagesschau: Ist die Meerwasserentsalzung trotzdem geeignet für die zukünftige Wasserversorgung?

Mohr: Es hat natürlich insbesondere an Küsten den großen Charme, dass es eine sichere Wasserversorgungsquelle ist. Solange Energie da ist, ist auch Wasser vorhanden. Man kann große Anlagen bauen, das heißt, auch die Produktion wird relativ günstig. Allerdings bleiben die Nachteile, insbesondere der hohe Energieverbrauch und das Salz, wo man immer noch nicht genau weiß, was man damit machen soll.

Ich denke, es wird ein Baustein, ein Puzzlestück in der Wasserversorgung sein, insbesondere an Küsten. Es wird aber nicht die einzige Quelle sein. Weitere werden etwa Regenwasser sein, Grundwasser und Oberflächenwasser, aber auch die Wasserwiederverwendung.

Das sind alles Ansatzpunkte, und ich denke, die werden sich in Zukunft zu einem System zusammenfügen, sodass jeweils regional unterschiedlich die nachhaltigste Option gewählt wird.

Wasserqualität muss verbessert werden

tagesschau.de: Wenn die Wasserentsalzung teuer ist - eignet sich die Wasserwiederverwendung für ärmere Länder?

Mohr: Aus meiner Sicht ja - wobei man berücksichtigen muss, dass man die Hygiene im Auge behalten muss. Wenn man das technologisch nicht richtig macht, dann hat man im schlimmsten Fall die Keime aus dem Abwasser wieder im Trinkwasser.

Gleichzeitig ist es eine Chance für Länder, insbesondere solche Länder, die keine komplette Abwasserinfrastruktur haben. Dort wird bisher das Abwasser teilweise noch ungereinigt wieder in die Oberflächengewässer eingeleitet oder im Grundwasser versickert.

Wenn man dort eine Kläranlage baut und damit die Wasserqualität verbessert, dann kann man auch gleich so weit denken, dass man die Technologien zur Verfügung stellt, um das Wasser so aufzubereiten, dass man es noch mal nutzen kann.

Und man muss dieses Wasser nicht immer nur für Trinkwasser nutzen. Das allermeiste Wasser wird nicht zum Trinken genutzt, sondern zum Beispiel für Bewässerung in der Landwirtschaft, für Industriebetriebe oder zur Straßenreinigung.

Finanzmittel und Fachpersonal fehlen

tagesschau.de: Was muss auf politischer Ebene passieren, damit die Wasserversorgung besser wird?

Mohr: Hier wird man sich darauf vorbereiten müssen, dass es durch den Klimawandel im Sommer trockener und heißer wird und deshalb der Wasserbedarf steigt und das Wasserangebot abnimmt. Da ist man schon dabei, Maßnahmen auszuarbeiten, wie man Knappheiten vermeidet.

In Ländern, in denen die Abwasserinfrastruktur noch nicht so weit entwickelt ist, geht es darum, Finanzmittel und Fachpersonal bereitzustellen, um Abwasser zu reinigen und wieder so aufzubereiten, dass man es wieder nutzen kann.

Da ist die Frage, welche Konzepte wähle ich? Mache ich das zentral in einer großen Anlage für eine Stadt oder mache ich das dezentral, vielleicht mit vielen kleinen Anlagen? Da gibt es große Diskussionen und verschiedene Ansätze, was man da machen kann.

"Wasser hat eine relativ kleine Lobby"

tagesschau: Was erhoffen Sie sich von der UN-Weltwasserkonferenz?

Mohr: In erster Linie, dass das Thema präsent wird bei den Entscheidungsträgern, die über Budgets entscheiden müssen und sagen müssen: Okay, ich investiere jetzt in den Straßenausbau oder ich investiere in die Energieversorgung oder in die Wasserversorgung - was alles wichtige Themen sind.

Aber dadurch, dass das Wasser eine relativ kleine Lobby hat und gleichzeitig so lebensnotwendig ist, erhoffe ich mir, dass es ein politisches Signal an die Entscheidungsträger gibt: Vergesst das Wasser nicht.

Ein spannendes Beispiel ist Indien. Die haben ein eigenes Wasserministerium. Dort ist es schon präsent, dass Wasser wichtig ist. Das ist in den meisten Ländern auf der Welt nicht der Fall.

Das Gespräch führte Inga Wonnemann, tagesschau-Redaktion. Es wurde für die schriftliche Fassung redigiert und gekürzt.