Extremwetter Wie KI die Wettervorhersage unterstützen kann
Zwei neue KI-gestützte Systeme zur Wettervorhersage erreichen erstmals eine Vorhersagequalität wie herkömmliche Methoden. Die Arbeit von Wetterdiensten wird KI aber nicht ersetzen können.
Die Anwendungsgebiete von Künstlicher Intelligenz entwickeln sich rasant weiter - auch in der Wettervorhersage. In Zeiten des Klimawandels ist eine präzise und schnelle Wettervorhersage von besonders großer Bedeutung, um die Bevölkerung rechtzeitig vor immer häufiger auftretenden Extremwetterlagen zu warnen. Wie wichtig solche Warnungen sind, zeigte die Flutkatastrophe im Ahrtal, die sich nun zum zweiten Mal jährt.
Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz in der Wettervorhersage ist groß – das beweisen zwei neue KI-gestützte Vorhersagesysteme, die kürzlich im Fachmagazin Nature vorgestellt wurden.
Vorhersagequalität ähnlich wie herkömmliche Methoden
Das KI-Vorhersagesystem Pangu-Weather des chinesischen Elektronikherstellers Huawei ist auf die Vorhersage des weltweiten Wetters bis zu sieben Tage im Voraus spezialisiert. Nach Angaben der Entwickler ist seine Vorhersagequalität erstmals vergleichbar mit der herkömmlicher Systeme und erfolgt dabei bis zu zehntausendmal schneller. Wie die Vorhersage von Pangu-Weather im Vergleich zu der des deutschen Wetterdienstes aussieht, zeigt eine Website des KIT in Karlsruhe.
Das zweite System, NowcastNet, dient der kurzfristigen Vorhersage von Niederschlag und ist insbesondere dafür geeignet, vor Starkregen zu warnen. Solcher Extremwetterlagen mit herkömmlichen Methoden vorherzusagen gilt aktuell als sehr schwierig, da sie sich äußerst schnell weiterentwickeln. Die Vorhersagen der KI wurden von 62 Wetterexperten aus ganz China bewertet und schnitten in 70% der Fälle besser ab als die herkömmlicher Vorhersagesysteme.
Herkömmliche Methoden sehr aufwendig
Das derzeitige Standard-Vorhersagesystem in der Meteorologie ist die sogenannte numerische Wettervorhersage. Sie basiert auf mathematischen Formeln, die dazu dienen, die physikalischen Prozesse nachzubilden, die für die Entstehung des Wetters verantwortlich sind.
Für die numerische Wettervorhersage wird zunächst das aktuelle Wetter erfasst. Dazu gehören Ausgangswerte wie Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Windrichtung, Bewölkung und Niederschlag. Die Daten stammen nicht nur von den zahlreichen Wetterstationen an Land, sondern auch von Messbojen, Schiffen, Flugzeugen, Wetterballons, Radaren und Satelliten.
Anhand der mathematischen Formeln berechnen leistungsfähige Computer schließlich die mögliche Fortentwicklung des Wetters. Eine solche Simulation benötigt jedoch viel Zeit und Rechenleistung. Die Computer des Deutschen Wetterdiensts sind beispielsweise mehrere Schränke groß und brauchen fast eine Stunde für die Berechnung der weltweiten 7-Tage-Wetterprognose. Außerdem werden verschiedene Simulationen kombiniert, um ein möglichst umfangreiches Gesamtbild zu erhalten.
Gezielter Einsatz von KI macht die Wettervorhersage präziser
In diesem Bereich könne ein gezielter Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Wettervorhersage verbessern, sagt Stefanie Hollborn vom Deutschen Wetterdienst (DWD) im Interview mit dem SWR. Die Mathematikerin beschäftigt sich dort unter anderem mit den möglichen Anwendungsfeldern von KI in der Wettervorhersage.
Der DWD habe beispielsweise gemeinsam mit der LMU in München bereits ein KI-gestütztes Verfahren entwickelt, ein sogenanntes neuronales Netz. Dieses vereinfacht die Nutzung von Satellitenbildern für die numerische Wettervorhersage. Die KI liefert so ein weiteres Puzzleteil für das Gesamtbild des Wettergeschehens. Auch Extremwetterlagen können dadurch zumindest ein Stück weit besser vorhergesehen werden.
KI funktioniert anders als klassische Meteorologie
Eine entscheidende Funktion kann KI allerdings nicht erfüllen - und das liegt an ihrer Arbeitsweise. Der Deutsche Wetterdienst - wie auch andere Wetterdienste weltweit - arbeitet daran, die Formeln der numerischen Wettervorhersage kontinuierlich anzupassen und zu verbessern. Dazu ist ein gutes Verständnis der physikalischen Prozesse nötig, die für die Entstehung des Wetters verantwortlich sind.
Eine Künstliche Intelligenz funktioniert hier anders: Sie sucht nach Mustern in ihren Trainingsdaten, anhand derer sie die mögliche Weiterentwicklung des Wetters ableitet. Allerdings sei es nicht möglich, aus den Vorhersagen der KI herzuleiten, wie das Modell der numerischen Wettervorhersage weiter verbessert werden kann, so Hollborn: "Die kann unglaublich viel abbilden, einfach weil die Computer so leistungsfähig sind, aber wir verstehen die Prozesse nicht und das bringt uns in der numerischen Wettervorhersage nur bedingt weiter."
Verbesserung der KI nur mit physikalischem Verständnis möglich
Doch genau diese Verbesserung ist wichtig, um auch die KI in Zukunft weiter zu optimieren. Denn eine KI kann immer nur so gut sein wie ihre Trainingsdaten - und diese beinhalten unter anderem die mathematischen Formeln der numerischen Wettervorhersage. Ein weiterer Bestandteil der Trainingsdaten sind historische Wetterdaten. Die Dynamik von Extremwetterlagen könne deshalb von KIs bisher kaum erfasst werden, so Hollborn, denn: "Extremereignisse sind extrem selten, und deswegen kann man sie eigentlich schlecht lernen."
Arbeit von Wetterdiensten nicht ersetzbar
Fachleute wie Stefanie Hollborn fordern deshalb, dass KI-Wissenschaftler und Meteorologen in Zukunft eng zusammenarbeiten, um die Vorteile ihrer jeweiligen Systeme gezielt nutzen zu können. Auch Extremwetterlagen könnten so eines Tages noch besser vorhergesagt werden.
Denn der Einsatz von Künstlicher Intelligenz kann der Meteorologie zwar helfen, die Wettervorhersage noch präziser zu machen - allerdings nur stellenweise. Um die Dynamik des Wetters besser nachvollziehen und somit auch die Künstliche Intelligenz verbessern zu können, braucht es weiterhin das physikalische Verständnis der Meteorologie.