Erfolg in Mikrobiom-Forschung Bakterien im Darm genetisch verändert
Bakterien im Darm haben einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Jetzt ist es gelungen, solche Organismen in einer lebenden Maus genetisch zu verändern. Dies öffnet die Tür zu Therapieansätzen.
Unser Darm ist ein geschäftiger Ort: Billionen von Bakterien und anderen Mikroorganismen leben dort in komplexen Gemeinschaften. Alle "Darmbewohner" zusammen werden Mikrobiom des Darms genannt. Ihre Zusammensetzung hat einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Die Bakterien verhindern zum Beispiel, dass sich Krankheitserreger ausbreiten können, helfen bei der Verwertung von Lebensmitteln und beeinflussen unser Gehirn. Wenn sich die "falschen" Mikroorganismen im Darm ausbreiten, kann das schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Das Mikrobiom des Darms ist komplex - es zu erforschen oder gar gezielt zu behandeln, wenn etwas aus der Balance geraten ist, ist sehr schwierig. Forschenden aus Paris ist es nun erstmals gelungen, einzelne Bakterienarten im Darm einer Maus genetisch zu verändern. Dafür nutzen sie eine moderne gentechnische Methode: Das sogenannte Base Editing, eine Weiterentwicklung der Genschere CRISPR/Cas. Mit einer Art Transportvirus brachten sie das genverändernde Werkzeug in die gewünschte Bakterienarten. Bei ihnen wurden dann einzelne Bausteine des Erbguts ausgetauscht. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie vor kurzem in der Fachzeitschrift Nature.
Gene für Antibiotika-Resistenz gezielt ausgeschaltet
Auf diese Weise konnten die Forschenden beispielsweise ein Gen verändern, von dem man weiß, dass es mit der Entstehung von Darmkrebs zusammenhängt. "Ein anderes Beispiel ist ein Gen, das mit neurodegenerativen und Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht wird. Dieses Gen haben wir gezielt verändert", sagt Andreas Brödel. Er leitet das Team für synthetische Biologie beim Biotech-Unternehmen Eligo Bioscience und ist Erstautor der Studie.
Außerdem konnten er und das Forschungsteam im Darmbakterium E. coli ein Gen verändern, das für Antibiotikaresistenzen verantwortlich ist. Eine solche Genveränderung könnte dafür sorgen, dass eine Antibiotika-Therapie wieder anschlagen kann. "Wir haben die Versuche zuerst in vitro, also im Labor in Reagenzgläsern gemacht. Da war das System sehr effizient, wir haben 100 Prozent Editierung gesehen", so Brödel. "Dass es aber dann in Mäusen so gut funktioniert, war auch für uns überraschend." Je nach Gen und Organismus veränderten sie die schädlichen Gene bei 70 bis über 90 Prozent der Bakterien.
Auch Florian Fricke, Professor für Mikrobiomforschung an der Universität Hohenheim, hält diese Ergebnisse für relevant: "Das ist schon faszinierend: In so eine komplexe mikrobielle Gemeinschaft vieler Bakterien hereinzugehen und dann aber nur eines rauszupicken und da etwas zu verändern." Aktuell habe man nur recht grobe Maßnahmen zur Verfügung, wenn man ins Mikrobiom eingreifen wolle - von Antibiotika bis Stuhltransplantationen. "Da tauschen wir im Prinzip eine große unbekannte Gemeinschaft von Mikroorganismen gegen eine neue große Gemeinschaft von unbekannten Mikroorganismen aus und wissen dann immer noch nicht so genau, was passiert", so Fricke.
Therapie mit Genschere "deutlich schonender"
Die Vision der Studienautoren: "Wir verändern individuelle Gene der Bakterienpopulationen, aber wir töten sie nicht ab. Das heißt, die schädlichen Gene werden inaktiviert, aber die Bakterienpopulation an sich bleibt im Darm vorhanden", sagt Andreas Brödel von Eligo Bioscience. Das sei deutlich schonender - für die Bakterien, aber auch für die Mäuse im Versuch und in Zukunft möglicherweise für Menschen. Die Versuchstiere hätten keine Nebenwirkungen gezeigt, die Veränderungen der Gene passiere sehr gezielt ausschließlich in den Bakterien.
Zusammenhänge im Mikrobiom sind komplex
Doch so spannend diese Ergebnisse sind: Das Mikrobiom ist komplex. Vieles habe man auch noch nicht endgültig verstanden, sagt der Mikrobiomforscher Fricke: "Bloß weil jemand ein bestimmtes Bakterium mit einem bestimmten Gen im Darm hat, bekommt er nicht automatisch Darmkrebs." Da spielten noch viele weitere Faktoren eine Rolle. "Wir wissen bei einigen Genen, dass sie etwas mit der Entstehung von Darmkrebs zu tun haben, ihn begünstigen, aber noch ist es sehr schwer abzuschätzen, wie groß der therapeutische Nutzen ist, wenn man eingreift." Das müssten weitere Untersuchungen zeigen.
Häufig handle es sich auch nicht um einzelne schädliche Gene - oft gebe es vielmehr eine Störung im gesamten Darm-Ökosystem. In anderen Fällen kenne man die kritischen Gene, die man verändern müsste, noch nicht, so Fricke: "Wir haben hier also ein interessantes Werkzeug, aber wir kennen noch gar nicht alle Szenarien, in denen man das einsetzen könnte."
Widerstand der Darmbakterien möglich
Außerdem müsse man auch damit rechnen, dass die Bakterienpopulationen im Darm auf den Eingriff reagierten. "Wir gehen in das System rein, machen eine Veränderung und plötzlich verlieren die Bakterien ihre Antibiotikaresistenz - so einfach wird es nicht sein", so Fricke. Es sei gut möglich, dass die Bakterien wiederum Resistenzen gegen die genetische Veränderung entwickelten. "Das System im Darm wird in der Natur eine gewisse Widerstandsfähigkeit zeigen", sagt der Mikrobiom-Forscher. Das müsse jetzt weiter erforscht werden.
Und diese Erforschung des Mikrobioms im Darm könnte durch die neu vorgestellte Methode erleichtert werden - da sind sich die Fachleute einig. Die Forschenden des Pariser Unternehmen Eligo Bioscience wollen die therapeutische Anwendung jetzt bei weiteren Bakterien untersuchen, auch eine Phase 1-Studie beim Menschen wird geplant.