Joint

Nach Bundestagsentscheidung Cannabis wird legal - Was sagt die Wissenschaft?

Stand: 24.02.2024 06:02 Uhr

Von April an dürfen Erwachsene in Deutschland legal kiffen. Das hat der Bundestag entschieden. Eine wissenschaftliche Einschätzung zum Für und Wider.

Geschätzt viereinhalb Millionen Menschen in Deutschland greifen zumindest gelegentlich zum Joint. Sie dürften sich freuen, dass das ab April legal sein wird. Doch es gibt auch Gründe, die gegen eine Freigabe sprechen. Immerhin ist Cannabis eine Droge mit Suchtpotential. Was spricht aus wissenschaftlicher Sicht für und gegen die Legalisierung von Cannabis?

Cannabis-Konsum verändert das Gehirn

Cannabis wird häufig verharmlost und unterschätzt. Vor allem bei jungen Menschen kann der Konsum von Gras zu dauerhaften Veränderungen im Gehirn führen - das zeigte eine Studie mit 800 Jugendlichen im Jahr 2021. Bei Verhaltenstests konnten sich die jungen Konsumenten schlechter konzentrieren und waren impulsiver. So eine Veränderung des Gehirns kann auftreten, bis es vollständig entwickelt ist – was erst in einem Alter von etwa Mitte 20 der Fall ist. Bis dahin ist das Risiko durch Cannabiskonsum deutlich erhöht. Das heißt: Auch 18-jährige Konsumenten können ihr Gehirn noch nachhaltig schädigen.

Psychische Folgen von Cannabis-Konsum

Cannabis kann süchtig machen. Experten schätzen, dass weltweit etwa zehn Prozent der Menschen, die Cannabis zu sich nehmen, süchtig sind. Eine Cannabis-Sucht kann zu körperlichen Entzugserscheinungen führen, aber vor allem die sozialen und psychischen Folgen sind oft schwerwiegend.

So kann häufiger Cannabis-Konsum Psychosen auslösen. Allerdings ist umstritten, ob es bei Betroffenen der einzige Faktor ist, der zu der Psychose führt. Die meisten regelmäßigen Konsumenten entwickeln keine Psychose. Aber auch das Risiko für andere psychische Erkrankungen wie Depression oder Angststörung ist bei Menschen erhöht, die gerade im Jugendalter Cannabis konsumiert haben.

Legalisierung könnte sichereren Konsum ermöglichen

Mit der Freigabe könnten aber Risiken vermieden werden, die von illegal verkauftem Cannabis ausgehen. Ein Problem ist der steigende Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC), also der psychoaktiven Substanz in diesen Züchtungen, die dadurch immer stärkere Rauschwirkungen verursachen. Es gibt viele wissenschaftliche Anzeichen dafür, dass dieses Cannabis gerade jüngere Menschen süchtig machen kann. Forschende konnten außerdem zeigen, dass Menschen, die an einer Psychose erkrankt sind, in der Regel häufig Cannabis mit sehr viel THC konsumiert haben.

Außerdem kann illegal verkaufter Cannabis verunreinigt sein: Es werden Haarspray, Glas und Blei beigemischt, um die Blüten schöner und schwerer zu machen. Zum Teil wird illegaler Cannabis mit synthetischen Cannabinoiden gestreckt. Sie können die Wirkung der Droge verstärken und unkontrollierbar machen. Die Nebenwirkungen reichen von Erbrechen über Wahnvorstellungen bis hin zu Kreislaufzusammenbrüchen.

Viele Konsumenten wissen dabei nicht, welchen Cannabis sie konsumieren, erklärt der Toxikologe Volker Auwärter von der Universität Freiburg dem SWR: "Die Konsumenten können zwischen 'normalem' Cannabis und diesem manipulierten Material nicht differenzieren, da sie sich weder im Aussehen noch im Geruch und im Geschmack voneinander unterscheiden." Synthetische Cannabinoide seien deutlich gefährlicher als THC, sowohl die Akutwirkung als auch mittelfristige Folgen betreffend, so Auwärter.

Mehr Hilfsangebote dank Entkriminalisierung

Eine Freigabe kann auch den Zugang zu Hilfsangeboten für Süchtige erleichtern. Wenn Konsumenten nicht mehr das Gefühl haben kriminell zu handeln, dann könnten sie eher bereit sein, Therapien in Anspruch zu nehmen, glauben Experten. Die Legalisierung könnte außerdem eine bessere Drogenprävention gewährleisten. Jugendliche könnten in der Schule anders aufgeklärt werden und möglicherweise offener mit ihren Eltern oder in der Therapie über den Konsum sprechen.

Stärkerer Konsum durch Legalisierung?

Ob eine Freigabe zu einem stärkeren Konsumverhalten in der Bevölkerung führt, ist umstritten. Bei Erwachsenen in Kanada nahm der Konsum seit der Legalisierung Ende 2018 kaum zu, bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ging er sogar leicht zurück. Auch dass Cannabis eine Einstiegsdroge zu härteren Drogen sei, kann durch Studien bislang nicht bestätigt werden.

Dietrich Karl Mäurer, ARD Berlin, tagesschau, 24.02.2024 06:16 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 23. Februar 2024 um 20:00 Uhr.