Eine Mitarbeiterin arbeitet an der Einsortierung der medizinischen Wattestäbchen mit Zellen der Wangenschleimhaut für den Typisierungsprozess der DNA.

CAR-T-Zelltherapie Innovation bei Autoimmunerkrankungen?

Stand: 25.10.2024 06:31 Uhr

Seit einigen Jahren wird eine neue Behandlungsform gegen Autoimmunerkrankungen erforscht: Die sogenannten CAR-T-Zellen. Jetzt wurden diese das erste Mal aus Spenderzellen hergestellt und erfolgreich an Patienten getestet.

Von Veronika Simon, SWR

Unter dem Begriff "Autoimmunerkrankungen" sammeln sich etliche unterschiedliche Erkrankungen: Schuppenflechte, Multiple Sklerose, Rheumatoide Arthritis - die Liste ist lang. Bei allen Formen greift das Immunsystem den eigenen Körper an - das kann in manchen Fällen auch tödlich enden.

Einer chinesischen Forschungsgruppe ist es nun gelungen, einen neuen Ansatz zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen zu entwickeln: eine Zelltherapie mit sogenannten CAR-T-Zellen, die aus gesunden Spenderzellen hergestellt wurden.

CAR-T-Zellen als Immuntherapie im Kampf gegen Krebs

Seit einigen Jahren wird an spezialisierten Zentren diese neue Form der Behandlung getestet: CAR-T-Zellen. Dabei werden dem Patienten die eigenen Immunzellen entnommen, die sogenannten T-Zellen. Sie werden im Labor genetisch verändert und mit neuen Fähigkeiten ausgestattet. Aus den T-Zellen werden CAR-T-Zellen.

Der Clou: Durch die Behandlung sind die Immunzellen jetzt in der Lage, andere Immunzellen, die sogenannten B-Zellen zu erkennen und zu zerstören. Die gehören eigentlich zu einem gesunden Immunsystem dazu, sie können aber eine Rolle bei der Entstehung von verschiedenen Erkrankungen spielen.

Ursprünglich wurde diese Zelltherapie eingesetzt, wenn sich aus diesen B-Zellen bösartige Krebszellen entwickelt hatten und dabei zu Blutkrebs führten, zum Beispiel zu Leukämien oder Lymphomen. CAR-T-Zellen entfernen die veränderten B-Krebszellen. 

Krebstherapie gegen Autoimmunerkrankung

"Irgendwann hatte man die Idee, dass man diese sehr effektive Methode der B-Zell-Elimination vielleicht auch für Autoimmunerkrankungen nutzen könnte", erklärt Claudia Lengerke. Sie ist Ärztliche Direktorin der Klinik für Hämatologie, Onkologie, klinische Immunologie und Rheumatologie an der Uniklinik Tübingen.

Denn auch bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen versuche man, die B-Zellen loszuwerden oder zu hemmen, weil diese verändert sind und krankhafte Immunreaktionen auslösen. "Das machen wir zum Beispiel mit Antikörpern oder mit anderen Medikamenten, aber die CAR-T-Zellen sind eine extrem effektive Methode, um diesen Zell-Typ zu eliminieren."

Noch sei diese Behandlungsart bei Autoimmunerkrankungen in den Kinderschuhen, so Lengerke. Die ersten größeren Studien liefen erst an. "Aber dieser Ansatz hat weltweit an Fahrt aufgenommen."

Neuer Ansatz: Gesunde Spenderzellen

Aktuell wird beispielsweise erforscht, bei welchen Autoimmunerkrankungen diese Therapien gut wirken, wie lange der Effekt hält und wie verträglich die Therapie ist. Aber es gibt auch Fortschritte bei einem weiteren Ansatz: Eine chinesische Forschungsgruppe hat vor kurzem eine Studie in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht, bei der zwei Patienten und eine Patientin mit Autoimmunerkrankungen CAR-T-Zellen erhalten haben.

Das Besondere: Diese CAR-T-Zellen waren nicht aus ihren eigenen Zellen hergestellt worden. Stattdessen haben die Forschenden gespendete Zellen von einer gesunden Person verwendet. Mit Erfolg: Bei allen drei Behandelten stoppte innerhalb von Wochen die Autoimmunerkrankung, ein halbes Jahr nach der Therapie sahen die Forschenden deutliche gesundheitliche Verbesserungen.

Für Ulrich Blache vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig könnte die Entwicklung von solchen Zelltherapien, die auf gespendeten, gesunden Zellen basieren, deutliche Vorteile mitbringen: "Zum einen könnten gesunde Zellen eine erhöhte Fitness haben. Außerdem könnte man sie auf Vorrat oder kurzfristig herstellen und nutzen." Zusätzlich könnte man solche Therapien standardisiert in großen Mengen herstellen, wenn die Herstellungskapazitäten dafür richtig ausgebaut würden.

Sehr teure Therapie könnte günstiger werden

Aus einer Zellspende könnten hunderte Therapien bereitgestellt werden, so die Autoren der chinesischen Studie. Das würde die Produktion erleichtern, denn aktuell wird noch jede Therapie einzeln, quasi in Handarbeit für den Patienten oder die Patientin hergestellt.

Das dauert lange und ist teuer. Wenn in Zukunft mehr Menschen eine solche Therapie bekommen sollten, könnte das zum Problem für die Krankenkassen werden. Die reihenweise Herstellung der Therapie aus gespendeten Zellen könnte dabei ein Baustein sein, um die Kosten zu senken, so Blache.

„Alle Hinweise deuten klar darauf hin, dass das ein Weg ist, den man verfolgen sollte.“ Dass es technisch möglich ist, CAR-T-Zellen auf Basis von gesunden Spenderzellen zu produzieren, werde gerade gezeigt – im Bereich der Autoimmunerkrankungen und im Bereich der Krebserkrankungen.

Denn auch zur Behandlung von beispielsweise Blutkrebs wird aktuell an der Verwendung von CAR-T-Zellen geforscht, die ohne die eigenen Zellen der Patienten hergestellt werden.

Abwehrreaktion muss verhindert werden

Doch noch gebe es viele offene Fragen. Denn wie bei einer Organ- oder Stammzellspende kann man auch Immunzellen nicht einfach von einem Menschen auf den anderen übertragen. Das könnte schwere Abstoßungs-Reaktionen auslösen. Deshalb mussten die Forschenden in der chinesischen Studie die Spender-Immunzellen weiter genetisch verändern, sodass diese von einem anderen Körper nicht mehr als fremd erkannt werden.

Das hat in der Studie offenbar geklappt. Mit dieser genetischen Veränderung habe man aber noch keine langfristigen Erfahrungen, betont Ulrich Blache. Ein solcher Eingriff sei immer auch mit bestimmten Risiken verbunden. "Deshalb muss man jetzt schauen, ob diese zusätzlichen Modifizierungen, die hier vorgenommen werden an der T- Zelle, nicht auch andere ungewünschte Nebeneffekte hervorrufen."

Auch Claudia Lengerke von der Uniklinik Tübingen schaut verhalten-optimistisch auf die zukünftige Verwendung von Zelltherapien, die auf gespendeten Zellen basieren: "Ich glaube, dass das eine Richtung ist, die man weiter untersuchen muss. Auch im Vergleich zu den eigenhergestellten CAR-T- Zellen aus Patientenzellen." Dann werde man sehen, ob die CAR-T-Zellen aus gespendeten Zellen die Versprechen, die sich jetzt abzeichnen, wirklich einhalten können.