Psychosomatik So beeinflusst Stress die Darmgesundheit
Dass Stress auf die Verdauung schlagen kann, ist schon länger bekannt. Forschende haben nun herausgefunden, welche Mechanismen im Körper für stressbedingte Darmerkrankungen verantwortlich sind.
In Deutschland leiden mehr als 320.000 Menschen an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa. Tendenz steigend. Typische Symptome: Schubweise heftige Bauchkrämpfe, Durchfall und Fieber. Bei manchen Menschen verläuft die Krankheit mild, bei anderen so stark, dass sie sogar lebensbedrohlich sein kann.
Chronischer psychosozialer Stress kann, wie eine Studie aus dem Jahr 2020 zeigt, das Immunsystem des Darms schwächen. Dadurch werden Entzündungen begünstigt und es entsteht ein ungesundes Milieu im Darm.
Forschende aus den USA haben nun den Mechanismus entschlüsselt, wie Stress genau auf den Darm wirkt. Das könnte auch erklären, warum manche Therapien bisher nicht den gewünschten Erfolg haben.
Psychische Faktoren oft außer Acht gelassen
Entzündungsschübe bei Menschen mit entzündlichen Darmerkrankungen werden meist mit Kortison behandelt, das akute Entzündungen reduzieren soll. Reagieren Betroffene nicht mehr auf Kortison, werden sogenannte Biologika verabreicht. Dabei handelt es sich um Antikörper, denen die Fähigkeit zugeschrieben wird, den Entzündungsprozess zu stoppen.
Doch ein Aspekt sei lange vernachlässigt worden, sagt Christoph Thaiss, Mikrobiologe an der University of Pennsylvania in Philadelphia im SWR: Bei der Untersuchung stellten er und Kollegen immer wieder fest, dass Patienten, die über belastende Lebenssituationen wie die Trennung vom Partner oder den Tod eines Familienmitglieds klagten, deutlich stärkere Darmentzündungsparameter aufwiesen.
Gehirn sendet bei Stress Signale an die Nebennieren
Dieses Feedback nahmen Thaiss und sein Team zum Anlass, näher zu erforschen, wie sich der psychische Status und Stressfaktoren auf Darmerkrankungen auswirken. Gemeinsam mit dem Team von Mikrobiologin Maayan Levy, ebenfalls von der University of Pennsylvania, untersuchten die Forscher zunächst, was passiert, wenn unter Stress Signale an das Gehirn gesendet werden.
In Tierversuchen mit Mäusen fanden die Forschenden heraus, dass das Gehirn nach einer Stresswelle Signale an die Nebennieren sendet. Die Nebennieren schütten ihr eigenes Kortison (Glukokortikoide) aus. Das hat zunächst schmerzstillende und entzündungshemmende Eigenschaften.
"Der Körper reagiert auf Stress und schüttet Glukokortikoide als Stresshormone aus. Und die supprimieren dann akut die Immunantwort", erklärt Mikrobiologe Thaiss. "Das heißt, akut wird die Entzündung gedämpft. Chronischer Stress führt allerdings zur Verstärkung der Entzündungsreaktion."
Stresshormone werden an Immunzellen weitergeleitet
Die Forscher gingen zunächst davon aus, dass die Glukokortikoide eine direkte Wirkung auf Immunzellen haben. Es stellte sich jedoch heraus, dass es eine Art Schnittstelle gibt, die Stresssignale an die Immunantwort weiterleitet: sogenannte Gliazellen.
Diese Zellen haben eine wichtige Funktion für die Beweglichkeit des Darmes. Gesteuert werden diese Vorgänge auch von in der Darmwand sitzenden Neuronen. Der Darm ist das einzige Organ außerhalb des Gehirns, das über ein eigenes Nervensystem verfügt.
Stress beeinflusst Darmmuskulatur
Durch unwillkürliche Bewegungen der Ring- und Längsmuskulatur wird der Speisebrei normalerweise über den Dünndarm und Dickdarm Richtung Enddarm befördert. Die Forscher fanden nun heraus, dass in der Darmwand sitzende Gliazellen und Neurone Stressmoleküle erkennen und darauf reagieren können. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Immunantwort im Darm.
Wenn die Gliazellen über längere Zeit in der Umgebung merken, dass sich dort Stresshormone (Glukortikoide) im Darm festgesetzt haben, beginnen sie, entzündungsfördernde Moleküle zu produzieren. Diese aktivieren wiederum Immunzellen im Darm. Die Entzündungsreaktion des Darmes wird dadurch verstärkt.
Andererseits reagieren auch Neurone im Darm auf Glukortikoide und verlieren ihre Fähigkeit, die Muskulatur zu regulieren. Die Nahrung bleibt länger im Darm. Diese beiden Phänomene tragen zur Verschlimmerung von Darmerkrankungen bei.
Spaziergänge, Yoga und Meditation gegen Stress
Forscher denken nun über zwei Möglichkeiten nach, wie sie Menschen mit chronischen Darmerkrankungen in Zukunft besser helfen können. Experte Thaiss rät als erste Maßnahme dazu, Stress zu reduzieren. Dadurch soll eine Verschlimmerung der Entzündung verhindert werden. Weiterhin beschäftigen sich die Forschenden mit der Frage, ob die Gliazellen, die in der Forschung als wichtige Faktoren für die Darmgesundheit identifiziert wurden, auch therapeutisch genutzt werden können - das heißt, welche Medikamente auf die entzündungsfördernden Moleküle wirken könnten.
Solange diese Frage unbeantwortet bleibt, empfehlen Experten verschiedene Methoden, um Stress abzubauen. Dazu gehören ausreichend Schlaf und regelmäßige Bewegung - etwa dreimal pro Woche 30-minütige Spaziergänge. Auch Entspannungsübungen wie Yoga, Meditation und Autogenes Training können helfen, Stress abzubauen.