Studie zu Gesundheitsrisiken Mehr Infektionskrankheiten durch Klimawandel
Mücken und Zecken, Viren und Bakterien - durch die Erderwärmung können sich Erreger und deren Überträger in Deutschland besser ausbreiten. Das zeigt der neue Bericht "Klimawandel und Gesundheit" des RKI.
Steigende Temperaturen erhöhen das Risiko für Infektionskrankheiten. Davor warnt ein neuer Bericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zum Thema Klimawandel und Gesundheit. Unter wärmeren Klimabedingungen können sich krankheitserregende Bakterien in Deutschland besser vermehren. Auch Virus-Überträger wie Zecken und Mücken breiten sich bei steigenden Temperaturen stärker aus und tropische Arten werden bei uns heimisch.
Die Veröffentlichung ist der erste Teil des dreiteiligen Sachstandsberichts Klimawandel und Gesundheit unter der Koordination des RKI und ist im "Journal of Health Monitoring" erschienen. Die übrigen zwei Teile sollen im Laufe des Jahres veröffentlicht werden.
Asiatische Tigermücke wird heimisch
Am Beispiel der Asiatischen Tigermücke lässt sich der Einfluss des Klimawandels sehr gut zeigen. Sie ist bereits in Südwestdeutschland heimisch, aber auch in Berlin, Jena und Bayern. Das Verbreitungsgebiet nimmt zu. Problematisch ist, dass die Tigermücke gefährliche Viren wie zum Beispiel das Dengue-Virus, das Chikungunya-Virus und das Zika-Virus übertragen kann.
Diese Viren vermehren sich in der Stechmücke. Und je höher die Temperaturen im Sommer sind, desto schneller können sie sich vermehren und desto besser können sie dann übertragen werden. Das setzt natürlich voraus, dass zuerst Menschen von diesen Mücken gestochen werden, die das Virus im Blut haben, die es mitgebracht haben aus fremden tropischen Ländern.
Verstärktes Monitoring nötig
Deshalb sei jetzt verstärktes Monitoring gefragt, um einen Überblick zu haben, wo sich die Stechmücken ausbreiten, so die Autoren. Und um eingreifen zu können, wenn die Populationen zu groß werden.
Klaus Stark ist einer der insgesamt 60 Autorinnen und Autoren des Berichtes. Der RKI-Epidemiologe betont, dass durch den Klimawandel und die steigenden Temperaturen in Deutschland auch das Verbreitungsgebiet der Zecken immer größer wird. Hier werde es immer wichtiger, die Bevölkerung gut zu informieren - einmal wie man sich gegen Zecken schützen kann, aber auch wie man damit umgeht, welche Behandlungen möglich sind und natürlich die Aufklärung über die FSME-Impfung.
Neu eingewanderte Zeckenarten
Die Forschenden berichten, dass durch den Klimawandel auch neue Zeckenarten bei uns heimisch werden. "Sogenannte Hyalomma-Zecken, die eigentlich bis vor wenigen Jahren in Deutschland überhaupt nicht gefunden wurden, sind jetzt vorhanden. Noch nicht sehr viele, aber die können Fleckfieber-Arten durch Bakterien übertragen. Das kann ein Problem werden", so Stark.
Wichtig sei nun, dass zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte sensibilisiert werden, dass sie bei Fieber auch mal an Denguefieber oder das Welt-Nil-Virus denken - zumindest in Gegenden, in denen die Asiatische Tigermücke vorkommt. Oder bei Zeckenbissen eben auch Fleckfieber in Betracht ziehen.
Hitzewellen fördern klimasensible Erreger
Neben Mücken und Zecken gibt es eine ganze Reihe weiterer Infektionen, die durch den Klimawandel häufiger auftreten werden. Das liegt daran, dass etwa zwei Drittel der in Europa vorkommenden Erreger von Infektionskrankheiten als klimasensibel gelten. Vermehrte Hitzewellen oder Überflutungen begünstigen ihre Entwicklung und Ausbreitung.
Ein Beispiel dafür sind die Hanta-Viren. Sie vermehren sich stärker, wenn es mehr Wirtstiere gibt. Hanta-Viren haben ihr Reservoir in Rötelmäusen, die sich von Bucheckern ernähren. Und Buchen produzieren bei höheren Temperaturen deutlich mehr Früchte, was dann zu einem Anwachsen der Rötelmaus-Population führt- und zu einem Anstieg der Übertragungsrisiken.
Warnung vor Vibrionen in der Ostsee
Ein weiteres Beispiel für sogenannte klimasensitive Erreger sind Vibrionen. Diese eigentlich natürlich vorkommende Bakterienart vermehrt sich in der immer wärmer werdenden Ostsee überdurchschnittlich stark. Vibrionen können über kleinste Wunden in die Haut eindringen.
Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann das zu schweren Infektionen führen. Daher sollten Menschen, die in der Ostsee baden wollen, aufgeklärt werden. Denn gerade Personen mit Vorerkrankungen und oder mit einer gewissen Immunschwäche sollten dort nicht ins Wasser gehen.
Gesundheitsrisiko Hitze
Auch Hitzewellen können in Zukunft laut dem Bericht vermehrt ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko darstellen. Vor allem ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen seien gefährdet, so Elke Hertig. Sie forscht an der Uni Augsburg zum Thema Klimawandel und Gesundheit und hat den RKI-Bericht mitverfasst. Derzeit gebe es in Deutschland jährlich zwei bis drei Hitzewellen. Je nach Fortschreiten der Erderwärmung könnte es zum Ende des Jahrhunderts bis zu vier oder sogar sechs Hitzewellen pro Jahr geben. Im vergangenen Jahr verursachten Hitzewellen nach Angaben des Robert Koch-Instituts hierzulande etwa 4500 Todesfälle.
Gesundheitssystem vorbereiten
Die Forschenden fordern deshalb, das Gesundheitswesen müsse auf die Zunahme solcher Infektionsfälle vorbereitet werden. Aus zurzeit noch wenigen Fällen könnten durch den Klimawandel schnell Hunderte oder Tausende werden.
Hertig betont: "Wir stehen hier vor einer wirklich großen Herausforderung." Es gebe eine Vielzahl von Veränderungen durch den Klimawandel, nicht nur im Bereich der Infektionserkrankungen, sondern bei Luftschadstoffen. Und: "Auch die mentale Gesundheit ist etwas, das wir berücksichtigen müssen. Das sind wirklich erhebliche Herausforderungen, die auf das Gesundheitssystem zukommen."
Einig sind sich die Autorinnen und Autoren des Berichtes darin, dass unser Gesundheitssystem besser an die Folgen des Klimawandel angepasst werden muss. Berücksichtigt werden muss insbesondere, dass die Gesellschaft in Deutschland altert und hier zahlreiche ältere Menschen leben mit vielen Vorerkrankungen, die besonders verwundbar sind.