ARD-Mitmachaktion #unsereFlüsse Den Bächen geht es schlecht
Viele kleine Flüsse und Bäche in Deutschland sind in einem schlechten Zustand. Das zeigen Tausende Fotos und Beobachtungen, die Erwachsene und Kinder für die ARD-Mitmachaktion #unsereFlüsse gemacht haben.
Eigentlich, sagt der passionierte Angler Werner Kirsch, ist die Queich im südwestpfälzischen Offenbach in einem sehr guten Zustand. Beim Fragebogen der ARD-Mitmachaktion #unsereFlüsse gibt der Rentner an: "Die Queich mäandert" - das bedeutet, sie schlägt sich in einigen Kurven durch das kleine Auwäldchen - "und die Queich hat auch sehr viele unterschiedliche Wassertiefen". Das ist ein Vorteil für Fisch und Kleinstlebewesen.
Außerdem beschreibt Kirsch, dass ein Großteil des Ufers der Queich in Offenbach bewaldet ist. Dieser Bewuchs hilft, Schadstoffe aus der unmittelbaren Umgebung vom Wasser fernzuhalten. Doch Angler Kirsch sagt, immer öfter finde er hier Toilettenpapier, Plastikflaschen - ganze Einkaufskörbe habe er aus der Queich bereits rausgeholt. Angeln will er an dieser Stelle seiner Queich deshalb nicht mehr: "Ein Fisch, der im Wasser lebt, kriegt die Verschmutzung mit. Ich möchte so was nicht essen."
ARD-Mitmachaktion sammelt Tausende Bachbeobachtungen
Es sind Beobachtungen wie diese von Werner Kirsch, die ein Forschungsteam vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UfZ) mit der ARD-Mitmachaktion #unsereFlüsse zu Tausenden sammeln konnte. Die Forscherinnen Aletta Bonn und Julia von Gönner werteten die ersten 2.700 Bachbegutachtungen für die ARD aus.
Die Mitmachenden sollten sich auf die kleinen Bäche und Flüsse fokussieren. Denn anders als bei großen Flüssen wie Rhein oder Mosel liegen hier weniger umfassende oder teils gar keine Daten vor.
Drei von vier untersuchten Bächen in schlechtem Zustand
Die Bilanz: Drei von vier untersuchten Bächen bieten keinen guten Lebensraum für Fische und Insekten, und ihre Ufer sind nicht geschützt vor Schadstoffen. Außerdem sind einige Bäche begradigt, auch bei der Queich in der Südwestpfalz ist das an einer anderen Stelle der Fall. Hier fehlen Sträucher, Büsche und Bäume, die gefährliche Einträge aus der Landwirtschaft abhalten würden. Forscherin von Gönner erklärt: "Über Dreiviertel der erfassten Bäche zeigen Hinweise auf schlechte Lebensraumqualität - das macht einen schon betroffen."
Dabei sollen gemäß der EU-Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 alle Fließgewässer wieder gesund und lebendig sein. Fachleute halten ein Erreichen dieser verpflichtenden Zielvorgabe für nahezu ausgeschlossen. Erst Mitte Oktober hatte die Europäische Umweltagentur EEA zu einem besseren Umgang mit Gewässern aufgerufen. Einem aktuellen Zustandsbericht zufolge ist ein Großteil der Seen oder Flüsse in Europa verschmutzt, nur jedes dritte Gewässer war in einem guten oder sehr guten Zustand.
Damit der gute ökologische Zustand wieder hergestellt werden kann, sowohl für die kleineren Bäche in Deutschland als auch in der EU, sieht Forscherin Bonn vom Helmholtz-Zentrum die Politik in der Pflicht. Die ARD-Mitmachaktion zeige ja, dass der Wille in der Bevölkerung da ist: "Hier ist die Politik gefragt, diesen Elan mit aufzunehmen, um dann zu sagen: Okay, wir packen es an. Es gibt lokales Wissen, aber es gibt dann auch nationale Unterstützung. So viele Menschen interessieren sich, engagieren sich für ihre Bäche. Wenn man es hier schaffen kann, zusammenzuarbeiten - das ist toll."
Deutscher Städtetag fordert mehr Geld und klarere Regeln
Auch der Deutsche Städtetag macht angesichts der Bilanz der Aktion darauf aufmerksam, dass wiederkehrende Hitzesommer gezeigt hätten: Regionale und saisonale Wasserknappheit sei durchaus möglich, sowohl das Wasser in unseren Bächen und Flüssen als auch unser Grundwasser sei eine wertvolle Ressource.
Der Städtetag fordert deshalb unter anderem mehr Förderung für den Umbau der Städte: "Am Ende bedeuten Maßnahmen für einen wassersensiblen Stadtumbau immer, dass Straßen, Plätze und Wege im großen Stil aufgerissen und entsiegelt werden. Deshalb müssen zur Umsetzung von verpflichtenden Klimaanpassungskonzepten die Fördermöglichkeiten erweitert werden."
Um die Wasservorkommen zu schützen, könne der Bund außerdem im Rahmen seiner Wasserhaushaltsgesetze klarer regeln, ab wann eine Wasserentnahme zu melden und zu genehmigen sei. Teils fehle es an Daten in den Kommunen, wer wieviel Wasser entnehme. Eine Gesamtübersicht der Entnahmen wäre aber wichtig, um frühzeitig gegensteuern zu können, so der Städtetag. Auch einheitliche Entnahmegelder für kommerzielle Nutzer hält er für wichtig. Derzeit gebe es in 13 von 16 Bundesländern entsprechende Entnahmegelder, die sich in Höhe und Ausnahmeregelungen unterscheiden.