Experte zu Dolomiten-Unglück Künftig mehr Gletscherabbrüche möglich
Gletscherabbrüche wie in den Dolomiten sind nach Ansicht des Gletscherforschers Mayer künftig verstärkt möglich. Dass sich so ein Vorfall auch in den deutschen Alpen ereignet, hält er aber für unwahrscheinlich.
Christoph Mayer von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Gletschern, auch im Alpenraum. Den Abbruch eines Teils des Marmolata-Gletschers in Norditalien bezeichnet der Glaziologe als einen Einzelfall, der zwar nicht jedes Jahr vorkommt, aber sich in Zukunft häufen könnte.
Führte Schmelzwasser zum Abbruch?
Warum Teile des Gletschers nun abgebrochen sind, dafür hat der Gletscher-Forscher eine Theorie: Er vermutet, dass Schmelzwasser den Abbruch verursacht haben könnte.
Vermutlich ist Schmelzwasser über die Gletscherspalten eingedrungen und ist bis zum Grund des Gletschers vorgestoßen und hat dadurch den angefrorenen Teil losgelöst. Dadurch ist dann ein relativ großer Block abgestürzt.
Dass Teile eines Gletschers abbrechen, sei bei sogenannten Hängegletschern nichts Ungewöhnliches. Hängegletscher sind Gletscher, die sich an sehr steilen Felsflanken befinden und einen Überhang haben. Da sich ein Hängegletscher bewegt, bricht regelmäßig immer wieder ein Stück am vorderen Teil ab. Deshalb vermeide man es auch, an diesen Gletschern vorbeizugehen, so Mayer. Der Marmolata-Gletscher hingegen sei kein Hängegletscher, deshalb sei das Ereignis nun ungewöhnlich.
Wärme und wenig Schnee setzen Gletschern zu
Dieses Jahr sei ein warmes Jahr, die Gletscherschmelze sei schon sehr weit fortgeschritten, so Mayer. Außerdem hätten viele Gletscher des Alpenraums keinen oder wenig Schnee. Dieser sei aber aus zwei Gründen sehr wichtig: Zum einen, weil Gletscher Schnee benötigen, um neues Eis zu generieren. Zum anderen, weil die Schneedecke die Gletscher davor schützt, zu schmelzen. Der weiße Schnee reflektiere das Sonnenlicht viel besser als die Eisdecke, erklärt Mayer weiter.
Auch der Marmolata-Gletscher habe sich in den vergangen Jahren sehr verändert und die Temperaturen seien in diesem Jahr besonders hoch. Die Tendenz sei im Alpenraum klar: Es gebe insgesamt wärmere Sommer und der Schnee reiche nicht mehr aus, die Gletscher zu erhalten, so der Wissenschaftler.
Abbrüche wie in den Dolomiten schwer vorhersagbar
Es sei schwierig, so einen Abbruch wie beim Marmolata-Gletscher vorherzusagen. Eine Voraussetzung, damit es zu so einem Abbruch kommt, sei jedoch, dass es ein steiles Gefälle gebe. Das allein reiche aber noch nicht aus. Es müssten mehrere Faktoren zusammenkommen - wie zum Beispiel steigende Temperaturen und Schmelzwasser, das den Gletscher vom Boden löst und diesen ins Rutschen bringt.
Um solche Vorfälle zu vermeiden, sollte nun überdacht werden, welche Gletscher man besonders im Auge haben muss. Das Monitoring sei sehr teuer, deshalb müsse so etwas auch von einer Behörde übernommen werden. Die Wissenschaft könne beim Monitoring unterstützen, so der Gletscher-Forscher.
Einen Gletscherabbruch mit solch drastischen Auswirkungen wie in Italien hält Mayer in Deutschland allerdings für unwahrscheinlich: "Von den vier Gletschern, die wir noch haben in Bayern, sind eigentlich alle zu flach. Die einzige Stelle, die steil genug wäre, ist der obere Teil des Blaueises. Der ist aber so gut in den Fels eingebettet, dass der nicht ins Rutschen gerät."