Entsalzung in Italien Verwöhnt von Sonne und Wind - nicht von Wasser
Dauerhitze lässt Italiens Wasservorräte schwinden. Auf der Insel Giglio ist dank einer Entsalzungsanlage genug Trinkwasser für alle da - doch das System kommt zunehmend an seine Grenzen.
Hinter dem Hafen, berühmt geworden durch das Unglück des Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" vor zehn Jahren, liegt gewissermaßen das Herz der Insel Giglio, versteckt auf einem Hügel und groß wie ein Fußballfeld: die Meerwasser-Entsalzungsanlage.
Ohne die Anlage ginge auf Giglio gar nichts. Bis zu zwei Millionen Liter Trinkwasser entstehen hier jeden Tag. Das Wasser wird aus dem Meer heraufgepumpt und zunächst gefiltert. Dann wird es mit hohem Druck durch feine Membranen gepresst. Das Salz bleibt zurück und hinten raus kommt Süßwasser.
Salzlake lässt Pflanzen absterben
Was nach der Lösung des Süßwassermangels an vielen Orten klingt, ist allerdings mit einigen Tücken behaftet. Der Biologe Andrea Belluscio von der Sapienza-Universität Rom untersucht mit seinem Team seit mehr als zehn Jahren den Meeresboden vor Giglio, auch rund um die Entsalzungsanlage. Vom Schlauchboot aus starten sie ihre Tauchgänge. Er deutet hinüber in eine kleine Bucht, in der zwei Abwasserrohre ins Meer führen. Dort gelangt konzentrierte Salzlake aus der Anlage in die Umwelt, die dreimal so salzig wie normales Meerwasser ist.
Die Biologen stellen fest: In einem Umkreis von rund 30 Metern sind die Pflanzen abgestorben. Auch das Neptungras, das für den Wasserhaushalt entscheidend ist. Es wächst sonst überall vor Giglios Küsten. Das Neptungras habe die gleiche Bedeutung wie ein Wald am Land, erklärt Belluscio: Es stabilisiere den Boden, produziere Sauerstoff und diene Fischen und vielen anderen Lebewesen als Unterschlupf. Die Seegraswälder sind ein richtiges Ökosystem. Die Auswirkungen seien allerdings relativ lokal, sagt er. Weiter außen verdünne sich die Salzlake dann stark genug.
Über Abwasserrohre wird die hochkonzentrierte Salzlake aus der Anlage ins Mittelmeer eingeleitet.
Erneuerbare Energie? Keine Option
Die Entsalzungsanlage hat noch mehr Probleme: Alle zehn Jahre muss sie generalsaniert werden, weil sie schnell versalzt. Alle acht Tage heißt es: Filterwechsel! Ein Filter kostet 250 Euro, und es sind Dutzende nötig. Und noch ein Punkt kommt dazu: der Strombedarf. Die Anlage verbraucht im Jahr etwa so viel wie 500 Drei-Personen-Haushalte.
Die Stromproduktion auf Giglio erfolgt mit Diesel-Generatoren. Allein für die Entsalzungsanlage werden pro Tag durchschnittlich etwa 1000 Liter Diesel verbrannt. Im Sommer, wenn viele Gäste auf die Insel kommen und die Entsalzungsanlage auf Hochtouren läuft, ist es entsprechend mehr.
Giglio ist verwöhnt von Sonne und Wind. Aber Bürgermeister Sergio Ortelli sagt, regenerative Energiequellen seien keine Option. Viele Häuser sind historisch und kommen für Sonnenpanele nicht in Frage. Der Großteil der Insel ist Naturschutzgebiet, also kämen auch keine Windräder in Frage. Ortelli verweist auf ein Zukunftsprojekt: Die Insel mit einem Unterwasser-Kabel an das Stromnetz am Festland anzuschließen. Der Projekt-Start ist allerdings unklar. Und so wird weiter Öl verbrannt, um Strom und damit Trinkwasser herzustellen.
Der Hauptort der Insel Giglio: Einwohner, Urlauber und Tagesgäste teilen sich das Trinkwasser aus der Entsalzungsanlage.
Keine Alternativen zur Meerwasserentsalzung
Früher konnten sich die Insulaner allein aus den natürlichen Quellen Giglios und mit aufgefangenem Regenwasser versorgen. Aber heute gibt es zur Entsalzung keine gute Alternative: Im Sommer verzehnfacht sich die Einwohnerzahl, hinzu kommen viele Tagesgäste. Die natürlichen Quellen der Insel reichen nicht mehr, um den Wasserbedarf zu stillen.
Für Hoteliers wie Eva Mariuz wäre ein Leben ohne Entsalzungsanlage undenkbar. Als ihre Familie das Hotel 1970 eröffnete, wurde die Insel per Schiff mit Wasser versorgt. Immer wieder wurde das Wasser knapp. Seit es die Entsalzungsanlage gibt, habe sie nie wieder Probleme gehabt, sagt Mariuz.
Doch dass das Süßwasser jetzt permanent verfügbar ist, birgt eine Gefahr, glaubt Biologe Andrea Belluscio: Niemand müsse mehr darüber nachdenken, ob er sich ein, zwei, oder dreimal am Tag duscht. Im Hafen würden die Schiffe mit Süßwasser abgespritzt. Um möglichst wenig Salzlake ins Meer zu leiten und weniger Strom für die Anlage zu verbrauchen, helfe nur eines, sagt Belluscio: Mit der kostbaren Ressource Wasser sparsam umzugehen.
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