Abgaben auf Strom, Gas und Benzin CO2-Preis - effizient aber umstritten
Für viele Ökonomen ist klar: Ein CO2-Preis ist die effektivste und günstigste Art der Klimapolitik. Vielen Bürgern dagegen erscheint der Preis auf Strom, Gas oder Benzin teuer und ziemlich ungerecht.
"Kohleausstieg geschafft!" Diese Klimameldung stammt von Ende September - und aus Großbritannien. Während in Deutschland weiter debattiert wird, wie und vor allem wann genau es mit dem Kohleausstieg klappen soll, hat Großbritannien Fakten geschaffen. Am 30. September stellte das britische Kohlekraftwerk Ratcliffe-on-Soar die letzte Kilowattstunde britischen Kohlestrom her.
Beim Ausstieg hat der CO2-Preis offenbar eine zentrale Rolle gespielt: "Großbritannien hat seit 2013 auf den CO2-Preis aus dem Europäischen Emissionshandelssystem zusätzlich noch einen nationalen Preisaufschlag draufgesetzt", erklärt Professor Matthias Kalkuhl, Experte für CO2-Bepreisung am Mercator-Forschungsinstitut in Berlin.
Strom aus Kohle zu erzeugen sei dadurch einfach nicht mehr rentabel gewesen, "das hat den Ausstieg wesentlich beschleunigt". Das schlägt sich auch in der Klimaschutzbilanz des Landes nieder: Im kürzlich veröffentlichten internationalen "Climate Change Performance Index", der die Klimapolitik der Länder vergleicht, landete Großbritannien auf einem eindrücklichen Rang 6, mit einem jährlichen CO2-Ausstoß pro Kopf von 5,7 Tonnen. Weit vor Deutschland mit 8,1 Tonnen CO2 (Rang 16).
Durch CO2-Preis lohnen sich Erneuerbare mehr
CO2-Preis heißt: Für jede Tonne CO2, die bei der Produktion ausgestoßen wird, muss ein Unternehmen sich vorher die Berechtigung zum Ausstoß kaufen, entweder zu einem festgelegten Preis oder an der Börse, wo die CO2-Ausstoßrechte zwischen den Unternehmen frei gehandelt werden und die Preise je nach Marktlage schwanken.
Wenn der Staat den Preis nach und nach immer weiter anhebt, beziehungsweise immer weniger Emissionszertifikate ausstellt, so dass sich der Preis am Markt automatisch erhöht, dann wird der Einsatz von fossilen Brennstoffen immer teurer, und Produktionsweisen, die nur erneuerbare Energie einsetzen, lohnen sich. Und zwar ohne, dass man als Staat oder Regierung weitere Vorgaben machen müsste. Jedem Unternehmen bleibt selbst überlassen, wie es die CO2-Emissionen reduziert.
Anders gesagt: Ein CO2-Preis sorgt dafür, dass Klimaschutz sich wirtschaftlich rechnet. "Das Tolle ist, dass die CO2-Bepreisung das Übel an der Wurzel bekämpft", sagt Wirtschaftsforscher Kalkuhl.
Maßnahmen richtig kombinieren
Fachleute unterscheiden grundsätzlich drei Gruppen von Klimapolitik-Maßnahmen: Erstens gesetzliche Vorgaben oder Verbote, zweitens Förderprogramme und Subventionen und drittens Emissionshandel beziehungsweise CO2-Preise.
In einer Überblicks-Studie, die im Fachjournal Science erschien ist, hat ein internationales Forscherteam kürzlich ermittelt, welche der verschiedenen klimapolitischen Maßnahmen die CO2-Emissionen in den vergangenen 20 Jahren wie stark senken konnten. Ergebnis: In vielen Fällen ist es sinnvoll, verschiedene Maßnahmen zu kombinieren.
Förderprogramme etwa scheinen dann besonders gut zu funktionieren, wenn man sie mit CO2-Preisen kombiniert. "Den ökonomischen Anreiz richtig zu setzen, scheint eine Wirkung zu haben und ein essentieller Bestandteil einer funktionierenden Klimapolitik zu sein", sagt etwa Moritz Schwarz, Klimaökonom an der TU Berlin und am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Er ist Mitautor der Studie.
EU ändert Vorgehen beim Emissionshandel
Die EU setzt im Klimaschutz schon seit fast 20 Jahren auf den CO2-Emissionshandel, 2005 wurde er eingeführt. In den ersten 15 Jahren hat davon außer Fachleuten allerdings kaum jemand Notiz genommen. Zwar müssen alle Kraftwerke und großen Unternehmen für ihre CO2-Emissionen seitdem entsprechende Zertifikate vorweisen, doch die wurden jahrelang von der EU so zahlreich auf den Markt geworfen, dass die Unternehmen sie fast umsonst bekamen.
Die Preise für den Ausstoß einer Tonne CO2 lag jahrelang bei unter 20 Euro, das tat den Konzernen wirtschaftlich nicht weh. Inzwischen ist das anders: Klimaschutz ist auf der politischen Agenda weiter nach oben gerutscht, die EU will bis 2050 klimaneutral werden, und der CO2-Emissionshandel ist ihr Haupt-Instrument, um das auch zu erreichen.
Dazu wird die Menge der CO2-Zertifikate am Markt Jahr für Jahr verknappt. Zwischenzeitlich kostete eine Tonne CO2 in der EU deshalb fast 100 Euro. Und dass der Preis aktuell wieder nur bei rund 70 Euro liegt, ist zum Großteil der Wirtschaftslage geschuldet, denn wenn Unternehmen weniger produzieren und deshalb weniger Energie verbrauchen, brauchen sie auch weniger CO2-Zertifikate. Das Angebot am Markt steigt, der Preis sinkt also.
"200 Euro wären realistisch"
Um die EU wirklich bis 2050 klimaneutral zu machen, wie es für den globalen Klimaschutz nötig ist, müssten die CO2-Preise heute schon deutlich höher liegen, sagt Matthias Kalkuhl: "200 Euro oder mehr wären realistisch." Und ab 2027 werden zusätzlich auch der Gebäude- und der Verkehrssektor Teil des EU-Emissionshandels. Das heißt auch für Heizöl, Gas, Benzin oder Diesel müssen dann Ausstoß-Zertifikate gekauft werden.
Als Endverbraucher wird man das spüren. Zwar sind es die Unternehmen, die Mineralölkonzerne und die Anbieter von Strom, Gas oder Heizöl, die den CO2-Preis entrichten, aber sie reichen die Kosten weiter. Sprich: Strom, Heizung und Tanken werden teurer. Um wie viel, kann man ziemlich genau auf der Grundlage des deutschen CO2-Emissionsfaktors ausrechnen: Beim aktuellen CO2-Preis von rund 70 Euro "stecken" in einer Kilowattstunde Strom CO2-Kosten von knapp drei Cent. Bei einem CO2-Preis von 200 Euro, sind es schon rund acht Cent. Das große Problem: Ärmere Haushalte trifft diese Belastung anteilig viel stärker, denn sie geben einen höheren Teil ihres Einkommens für Energie aus.
Würde das Klimageld helfen?
CO2-Preise haben deshalb ein großes Akzeptanz-Problem. Die Antwort der Wirtschaftswissenschaften ist das sogenannte Klimageld. Die Idee: Die Einnahmen aus den CO2-Abgaben werden zurückgezahlt, und zwar pro Kopf.
Theoretisch machen Geringverdiener bei diesem Modell finanziell sogar ein Plus: Wer in einer kleinen Wohnung lebt, kein Auto besitzt und nicht in den Urlaub fliegt, verursacht im Vergleich so wenig CO2, dass er am Ende vom Staat mehr Klimageld zurückbekommt, als er vorher an CO2-Abgaben zahlen musste. Theoretisch. Denn zumindest in Deutschland gibt es noch kein Klimageld. Die Ampelkoalition hatte es zwar im Koalitionsvertrag stehen, zur Einführung kam es aber nie. Stattdessen wurden von dem eingenommenen Geld Klima-Förderprogramme finanziert.
Klimageld nach Art des Gebäudes oder Wohnort
Und selbst wenn es ein Pro-Kopf-Klimageld gäbe, sagen viele Sozialwissenschaftler, sei die Belastung durch hohe CO2-Abgaben doch so ungleich verteilt, dass es in der Gesellschaft klare Verlierer-Gruppen gebe: Besitzer von älteren, unsanierten Einfamilienhäusern zum Beispiel, denen das Geld für die nötigen Investitionen fehlt. Die Forschungsgruppe von Kalkuhl am Mercator Institut tüftelt deshalb am Konzept für ein "Gebäudeklimageld", das die Auszahlung nach Art des Gebäudes staffelt, in dem jemand wohnt.
Österreich, wo es das Klimageld seit 2022 gibt, staffelt aktuell nach Wohnort: Auf einen Basisbetrag von 145 Euro pro Kopf pro Jahr kommen Zuschläge hinzu - je nachdem wie gut oder schlecht der Wohnort an den öffentlichen Nahverkehr angebunden ist, oder andersherum gewendet: Wie stark die Menschen aufs Auto angewiesen sind.
"Klimageld trägt nicht unbedingt zur Akzeptanz bei"
Die CO2-Bepreisung mag zwar wirtschaftswissenschaftlich gesehen das mit Abstand effektivste und eleganteste Klimaschutzinstrument sein. In der Praxis wird es allerdings ziemlich schnell recht kompliziert. Sabine Preuß vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung forscht zur Akzeptanz von Klimaschutzinstrumenten wie dem Emissionshandel und Lösungen wie dem Klimageld. Ihr Ergebnis aus zahlreichen wissenschaftlichen Befragungen: "Das Klimageld trägt nicht unbedingt zur Akzeptanz des CO2-Preises bei." Andere Forschungsgruppen kämen zu ähnlichen Ergebnissen.
CO2-Preise sind also in Sachen Klimaschutz einerseits schon jetzt nachweislich ein großes Erfolgsmodell. Gleichzeitig ist klar: Wenn sie das zentrale Instrument auf dem Weg zur Klimaneutralität sein sollen, wie es die EU vorsieht, dann müssen die Lasten gerecht und nachvollziehbar verteilt werden, um die Lösungen dafür dürfte noch hart gerungen werden.
Und das übrigens nicht nur in Europa. Auf rund ein Viertel der Emissionen weltweit werden heute CO2-Abgaben fällig - außer in Europa etwa auch in Australien, in mehreren US-Bundesstaaten und seit vier Jahren auch in China, auch wenn die Preise dort aktuell noch ähnlich gering sind wie anfangs in Europa.