Klimaforscher zu COP29-Beschlüssen Deutlich zu wenig - aber auch ein Lichtblick
Die Beschlüsse der COP29 sind bei Weitem nicht ausreichend, sagt Klimaforscher Höhne bei tagesschau24. Die Klimakrise werde uns überrollen, wenn wir nicht mehr tun. Das wirklich Positive an den Verhandlungen sei das Verhalten Chinas gewesen.
tagesschau24: Seit knapp 30 Jahren schauen Sie auf die Gespräche der Nationen zum Schutz des Klimas. Wann war denn der Zeitpunkt, als wir Menschen mit unseren Klimaschutzbemühungen noch ganz gut im Rennen waren?
Niklas Höhne: Eigentlich - seitdem wir wissen, dass es überhaupt den Klimawandel gibt, müssen wir mehr tun. Wir sind weit, weit weg von dem, was wir eigentlich machen müssen. Die Beschlüsse des jetzigen Klimagipfel werden der Klimakrise und auch den am meisten bedrohten Ländern nicht gerecht. Sie zeigen leider die Handschrift der fossilen Industrie und der fossilen Länder. Ein wirklicher Notfallmodus, wie er jetzt nötig wäre, ist leider überhaupt nicht zu sehen. Aber ich finde es schon bemerkenswert, dass es überhaupt zu einem Abschluss gekommen ist. Und das ist doch ein Zeichen der Kooperation in einer Welt, die gerade doch sehr auseinanderzudriften scheint.
tagesschau24: Reiht sich denn die COP29 in die Kette der Versäumnisse der letzten Jahrzehnte ein? Oder kann sie ein Startpunkt sein, jetzt endlich ernsthafte Maßnahmen zu treffen?
Höhne: Die Frage ist immer, was man erwartet. Und das ist ein sehr komplizierter Prozess. Das sind zahlreiche Regierungen, die sich hier einstimmig einigen müssen. Dass man sich da überhaupt einigt, ist sehr schwierig. Und dass man das jetzt eben tut in einer Zeit, wo die Welt wirklich auseinandergeht und wo es viele Egoisten und viele Populisten gibt, die eigentlich gar keine Einigung wollen - die hätten sehr profitiert, wenn es hier gar keine Einigung gegeben hätte -, aber es gab jetzt eben eine, und das heißt, die Weltgemeinschaft steht hinter dem Thema Klimaschutz, nimmt es ernst und macht etwas. Aber man muss eben ganz deutlich sagen: Das reicht alles überhaupt gar nicht.
Die Klimakrise wird uns überrollen, wenn wir nicht mehr tun. Wir müssen mehr Emissionen reduzieren und auch mehr Geld auf den Tisch legen. Hier wurde jetzt beschlossen, dass man mehr macht. Aber die Zahl, die jetzt auf dem Tisch liegt, die 300 Milliarden pro Jahr, die ist eigentlich verschwindend gering, wenn man sie vergleicht - zum Beispiel mit den 1,3 Billionen, die die Welt derzeit für fossile Energien, also für Subventionen für fossile Energien, ausgibt. Also da wäre deutlich mehr drin und da muss jetzt eben weiter daran gearbeitet werden. Aber man hat jetzt einen Schritt gemacht. Man kann sagen, das war zu langsam, aber immerhin hat man den Schritt gemacht. Eine Katastrophe wäre gewesen, hätte man gar keinen gemacht.
"Das sind Investitionen, keine Kosten"
tagesschau24: Wie könnte man denn die Industriestaaten dazu bringen, klimaschädliche Investitionen einzustellen und stattdessen klimaschonende Technologien stärker zu fördern?
Höhne: Es ist im Prinzip eine Investition in die Zukunft: Das teuerste aller Szenarien ist das ohne Klimaschutz. Denn die Schäden werden uns über den Kopf wachsen. Damit können wir einfach überhaupt nicht umgehen. Deswegen müssen wir jetzt massiv investieren. Und das sind eben keine Kosten, sondern Investitionen. Wenn wir investieren in erneuerbare Energien, dann kann das Energiesystem langfristig günstiger werden. Wenn wir in den Transportsektor investieren, dann bewegen wir uns von A nach B effizienter.
Und auch wenn wir den globalen Süden unterstützen bei der Transformation, ist das eine Investition, die sich auszahlt durch die dadurch vermiedenen Schäden und dadurch, dass die Wirtschaftskraft in diesen Ländern besser ist und dass es dann eben nicht zu langfristigen Migrationsbewegungen kommt. Denn das ist die große Gefahr: Wenn wir nichts tun, dann wird es die ärmeren Länder dieser Welt treffen und die werden sich dann irgendwann auf den Weg machen. Und das ist wahrscheinlich nicht im Interesse auch der Populisten und Egoisten.
tagesschau24: Wie kann man denn blockierende Ölstaaten wie Saudi-Arabien oder auch China dazu bringen, sich ernsthaft und konstruktiv am Veränderungsprozess zu beteiligen? Was könnte da ein Druckmittel sein?
Höhne: Das wirklich Positive an den Verhandlungen ist, dass sich China komplett anders verhalten hat als sonst. China will immer eigentlich als Entwicklungsland angesehen werden und hat gar keine Verantwortung, Geld auf den Tisch zu legen als Entwicklungsland. Das hat es aber trotzdem getan und hat auch die Sprache benutzt, die sonst den Industrieländern vorbehalten ist.
China hat ein enormes ökonomisches Interesse, dass es beim Pariser Klimaschutzabkommen bleibt. Denn China ist das Powerhouse: China ist der weltweite Marktführer bei Solar, Wind, bei Elektroautos, bei Batterien und bei Elektrolyseuren. Alles, was die Welt braucht für die Wende, kommt aus China. Und deswegen hat sich hier China eben auch kooperativ gezeigt und möchte weitermachen.
Die ölexportierenden Staaten, allen voran Saudi-Arabien, haben sich aber leider extrem rückwärtsgewandt verhalten. Da merkt man so richtig: Ja, das ist so ein letztes Aufbäumen der fossilen Lobby. Sie merken, es geht ihnen an den Kragen und jetzt versuchen sie wirklich alle, was dagegen zu tun. Da kann man nur sagen: Ja, auch dort wird der Klimawandel die Länder überrollen und langfristig können sie das nicht durchhalten.
Pariser Klimaschutzabkommen scheint stabil - auch ohne USA
tagesschau24: Sie haben China ein wenig beschrieben. Es gilt als relativ zukunftsorientiert, was klimaschonende Technologien betrifft. Kann das ein Hoffnungsschimmer sein? Oder nutzt China seine klimaschonende Technologien nur als moralisches Feigenblatt, während das Land weiter für rund ein Drittel aller weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist?
Höhne: Ja, auch in China gehen die Emissionen immer noch nicht runter, sondern immer noch ein kleines bisschen rauf. Die Hoffnung ist, dass es langfristig anders wird oder jetzt auch schon im nächsten Jahr. Die erneuerbaren Energien boomen und werden auch in China die fossilen Energien verdrängen. Jedes zweite verkaufte Auto in China ist ein Elektroauto, also das wird in die richtige Richtung gehen.
Und in China ist es vielleicht weniger der Klimaschutz, mehr das ökonomische Interesse. Die erneuerbaren Energien sind günstiger geworden, die Elektroautos sind günstiger. Damit kann man aus chinesischer Sicht sehr viel Geld machen in dieser Zeit. Und dem Klima ist es egal, ob man es jetzt aus ökonomischem Interesse macht oder für's Klima. Hauptsache ist, die Emissionen gehen runter. Und das wird eben passieren, wenn China weiter so macht wie bisher, eben die erneuerbaren Energien pusht. Nicht nur zu Hause, sondern überall auf der ganzen Welt.
tagesschau24: Über den ökonomischen Hebel würde man sich auch einen weiteren Player auf unserem Globus ganz gut eingefangen kriegen, nämlich die USA. Wie stehen die eigentlich da? Wie haben die sich verhalten auf der COP?
Höhne: Auf der Konferenz waren noch die Abgeordneten der jetzigen Biden-Regierung. Die waren sehr konstruktiv und haben eben versucht, hier auch zu einem Kompromiss beizutragen. Das ist von der neuen Administration unter Trump nicht zu erwarten. Da ist zu erwarten, dass sie rausgehen und komplett aussteigen. Aus meiner Sicht sind sie dann aber abgehängt.
Man hat eben gesehen: Der größte Konkurrent der USA ist China. Die sind dabei und die sind weiter interessiert an diesem Abkommen. Und wenn die USA jetzt aussteigen, dann sind sie im Prinzip abgehängt. Wenn sie sich selber nicht um die Zukunftstechnologien der Welt kümmern, dann wird es in den USA ziemlich schwierig. Also dieser befürchtete Dominoeffekt, dass wenn die USA rausgehen, dass dann auch andere rausgehen, der hat sich nicht bewahrheitet. Das Pariser Klimaschutzabkommen scheint stabil zu sein.
"Ausblick auf die Zukunft ist besser geworden"
tagesschau24: Abschließend erlauben Sie mir eine durchaus gefühlige Frage. Welche Stimmung herrscht denn unter den verhandelnden Nationen? Denken sich die Verhandler aus Industrie und Ölstaaten "Ach, die wirklich schlimmen Klimafolgen werden wir sowieso nicht verspüren, wir tun nur das Nötigste"? Oder gibt es noch so was wie Empathie und Mitleid gegenüber den Menschen in den ärmeren Ländern?
Höhne: Ja, das ist schon sehr gefühlsbetont. Es geht ja hier um Verhandlungen, es geht um Menschen. Es geht darum, dass man das irgendwie hinbekommt. Und alle, die dort sind, sind ja da aus einem Grund, weil sie eben etwas erreichen wollen, weil sie auch denken, dass dieser Prozess, so unzureichend wie er auch ist, aber immerhin die Welt ein kleines Stückchen besser machen kann. Und deshalb sind im Prinzip alle, die dort engagiert sind, sehr dabei. Und wir tun wirklich alles, damit das zum Erfolg wird.
Ich glaube, viele Leute sind sehr frustriert, muss man sagen, weil es einfach viel, viel, viel zu langsam geht. Ich auch. Ich bin jetzt schon so lange dabei und die Treibhausgasemissionen gehen immer noch rauf. Das kann nicht wahr sein. Aber unser Ausblick auf die Zukunft ist besser geworden ab diesem Jahr. Hoffentlich werden die Emissionen runtergehen.
Und dann ist auch unser Ausblick auf die Zukunft, die globale Temperaturerhöhung, sehr viel niedriger, als es das noch vor zehn Jahren war. Also das sind positive Signale. Aber man muss schon sagen, das ist ein sehr, sehr langer und steiniger Weg und da muss man einen langen Atem haben, um da überhaupt noch mitzumachen.
Das Interview führte Ralph Baudach, tagesschau24