Klimawandel Allergien - fast das ganze Jahr lang
Fast das ganze Jahr über juckende oder tränende Augen und ständiges Niesen - für einige Allergiker ist das schon Realität. Der Klimawandel verlängert die Allergiesaison. Doch es gibt Lösungen.
Der Herbst galt lange als entspannte Zeit für Allergiker. Doch mittlerweile kämpfen Betroffene auch im November mit Symptomen. Gräser wie Beifuß setzen bis zum Ende des Jahres noch Pollen frei, und ab Dezember beginnen Hasel und Erle bereits zu blühen. "Das ist eine Folge der milderen Winter- und Herbsttemperaturen", erklärt die Landschaftsökologin Susanne Jochner-Oette von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Die Zeit ohne Pollen in der Luft wird kürzer. Das bedeutet für Allergiker, die auf verschiedene Pflanzenarten allergisch reagieren, dass sie fast das ganze Jahr über mit Niesen und juckenden oder tränenden Augen zu kämpfen haben.
Allergiegefahr durch invasive Pflanzen wächst
Zusätzlich verschärfen invasive Pflanzenarten das Problem. So breitet sich das ursprünglich aus Nordamerika stammende Ackerunkraut Ambrosia aufgrund der steigenden Temperaturen vermehrt in Deutschland aus. Auch der Götterbaum aus China zeigt ein hohes Allergiepotential.
In Südeuropa gehören Oliven- und Zypressenbäume zu den Hauptauslösern für Überreaktionen des Immunsystems. Weil sie sehr hitzetolerant sind, pflanzt man diese Bäume mittlerweile häufiger in Nordeuropa an, was zur Folge hat, dass auch hier Allergien gegen sie zunehmen.
Auch die zunehmenden Belastungen, denen Pflanzen durch das Klima ausgesetzt sind, haben einen Einfluss: Auf Stress durch Dürre, Hitze oder auch Starkregen reagieren Pflanzen, indem sie ihr Immunsystem hochfahren. Sie produzieren dann vermehrt bestimmte Pollen-Proteine.
"Diese Proteine führen bei Allergikern zu stärkeren Reaktionen", sagt die Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann von der Universität Augsburg. "Mehr Protein im Pollen heißt im Grunde, dass die Pflanze stärkere Allergien hervorruft. Umgangssprachlich wird das als 'aggressivere Pollen' bezeichnet."
Steigende Anzahl an Allergikern in Europa
Dass wir zum einen von mehr allergen-wirkenden Pflanzen umgeben sind und zum anderen die Pollen stärkere Immunreaktionen auslösen, zeigen auch die Zahlen. Medizinerin Traidl-Hoffmann hat untersucht, wie sich die Zahl der Allergiker im Laufe der Zeit entwickelt hat. Seit den 1950er-Jahren verzeichne man einen exponentiellen Anstieg - betroffen sind vor allem jüngere Menschen.
Laut der Europäischen Akademie für Allergie und klinische Immunologie (EAACI) leiden ein Drittel der Europäer bereits unter einer chronischen allergischen Erkrankung, bis 2050 könnte es jeder Zweite sein.
Neben dem Einfluss des Klimawandels spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle, insbesondere die Feinstaubbelastung, erklärt die Landschaftsökologin Susanne Jochner-Oette. "Luftschadstoffe sorgen dafür, dass die Pollen ihre Allergene schon in der Atmosphäre freisetzen. Diese können sich an winzige Partikel wie Feinstaub anlagern, die tief in die Atemwege gelangen und Asthma auslösen können."
Darüber hinaus schwächen Schadstoffe und Chemikalien die Abwehrmechanismen des Körpers, insbesondere Haut und Schleimhäute, sagt Umweltmedizinerin Traidl-Hoffmann. Der drastische Anstieg an Chemikalien in der Umwelt habe spürbare Auswirkungen. "Seit 1950 wurden 350.000 neue Chemikalien eingeführt, die über Nahrung und Wasser die Schutzbarriere des Körpers beeinträchtigen."
Mögliche Lösungen
Die Klimakrise und Umweltbelastungen treiben Allergien also in zweifacher Weise voran: Sie erhöhen das Allergiepotenzial der Pflanzen, und sie schwächen den menschlichen Körper, wodurch dieser wiederum anfälliger wird. Doch Traidl-Hoffmann macht Allergikern Hoffnung: "Wenn Betroffene bereit sind, sich über mehrere Jahre behandeln zu lassen, liegt die Heilungsrate bei 80 Prozent."
Zudem können städtebauliche Maßnahmen helfen. Fahrverbote und die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs führen zu weniger Feinstaub und senken so indirekt allergische Reaktionen. Zudem sollte der Anbau von stark allergenen Bäumen vermieden werden. "Auf dem Potsdamer Platz in Berlin steht eine Birke neben der anderen. So sollte man es nicht machen", erklärt die Umweltmedizinerin Traidl-Hoffmann.
Stattdessen empfiehlt sie die Bepflanzung mit Bäumen, die ein geringes allergenes Potenzial aufweisen. Darunter fallen der Ahorn und viele Arten, die hauptsächlich von Insekten bestäubt werden, zum Beispiel Apfel- oder Kirschbäume, Edelkastanien und Magnolien. Es sind also vergleichsweise einfache Maßnahmen, die erheblich dazu beitragen können, Allergikern das Leben zu erleichtern.