Klimawandel Waldumbau in Europa wird immer schwieriger
Dass der Klimawandel auch dem Wald zu schaffen macht, ist unumstritten. Mit Aufforstung will man Lichtungen wieder schließen. Doch eine neue Studie stellt fest, dass die Zahl der dafür geeigneten Baumarten drastisch sinkt.
Der fortschreitende Klimawandel bedeutet auch für Waldökosysteme massive Veränderungen. Langanhaltende Trockenphasen, Hitze, häufigere Waldbrände, intensivere Herbststürme, Schadorganismen, wie zum Beispiel der Borkenkäfer, sind die Ursache für ein umfangreiches, oft großflächiges Absterben von Bäumen.
Um diese Ausfälle zu kompensieren, müssen die betroffenen Wälder mit Baumarten regeneriert werden, die sowohl heutige als auch künftige Klimabedingungen tolerieren. Grundsätzlich gelten Mischwälder als besonders widerstandsfähig gegenüber Störungen, sodass Wiederaufforstungen idealerweise auf diese Wälder abzielen.
Doch aktuell ist nicht abschließend geklärt, ob es ausreichend viele Baumarten gibt, um intakte Mischwälder entstehen zu lassen.
Zahl der Baumarten kann um die Hälfte sinken
Dieser Frage sind auch Forschende der Universität Wien und der Technischen Universität München nachgegangen und haben ihre Ergebnisse jetzt in einer Studie veröffentlicht. Sie untersuchten zunächst die derzeitige Verbreitung von 69 der häufigsten Baumarten unter Berücksichtigung von Daten von fast 240.000 Standorten in ganz Europa. Anschließend modellierten sie, ob die regionalen Standorte dieser Bäume unter Betrachtung verschiedener Emissionsszenarien bis zum Ende des Jahrhunderts nach definierten Kriterien weiterhin für eine Wiederaufforstung von Waldgebieten geeignet sein würden.
Das Ergebnis der kleinräumigen Modellierungen: Die durchschnittliche Anzahl der Baumarten pro Quadratkilometer könnte je nach Szenario zwischen 33 und 49 Prozent abnehmen. Damit wäre der durchschnittliche Pool an europäischen Baumarten, die sich für eine Wiederaufforstung über das gesamte 21. Jahrhundert eignen, kleiner als bei den mutmaßlichen Klimabedingungen am Ende des Jahrhunderts.
Erhöhte Sterblichkeit bei Fichte, Kiefer und Buche möglich
Christoph Leuschner, Experte für Pflanzenökologie an der Universität Göttingen, sagte dem Science Media Center (SMC): "Unter den heutigen wenigen Wirtschaftsbaumarten in Mitteleuropa - vor allem Fichte, Kiefer, Buche, Eiche, Douglasie - werden vor allem die Fichte, aber in den trockeneren Tieflandregionen auch regional die Buche und Kiefer an Vitalität verlieren und erhöhte Sterblichkeiten aufweisen."
Ein Grund dafür ist, dass Bäume, die aktuell zur Wiederaufforstung gepflanzt werden, nicht nur unter heutigen, sondern auch unter künftigen Klimabedingungen geeignet sein müssen - zum Beispiel müssen sie sowohl der Kälte und dem Frost der nächsten Jahre als auch einem am Ende des 21. Jahrhunderts heißeren und möglicherweise trockenerem Klima standhalten.
Dieser Effekt führt laut der aktuellen Studie regional bereits zu Engpässen, wenn derzeitige Bewirtschaftungsregeln von Waldgebieten zugrunde gelegt würden. Allerdings unterscheidet sich die Vielfalt der geeigneten Baumarten in Europa bereits heute regional sehr stark, etwa zwischen Deutschland, Finnland und Spanien.
Ein Aussterben von nur wenigen verfügbaren Arten in einem Lebensraum mit ohnehin geringer Artenvielfalt kann bereits zu einer kritischen Verringerung der Gesamtzahl der geeigneten Arten führen, während in anderen Regionen dagegen womöglich weiterhin eine größere Auswahl verbleibt.
Optionen für Waldumbau stark eingeschränkt
Die Forschenden schließen aus ihren Ergebnissen, dass die Optionen für den Wald(um)bau durch den Klimawandel stärker limitiert sein werden und dass eine wichtige Anpassungsstrategie in der Forstwirtschaft - die Schaffung von Mischwäldern - durch großflächige Verluste klimatisch geeigneter Baumarten in einigen Regionen Europas stark eingeschränkt sein wird.
Henrik Hartmann, Leiter des Instituts für Waldschutz am Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Quedlinburg findet es erstaunlich, dass viele immer noch davon ausgingen, den Wald in seiner jetzigen Form und Zusammenstellung bei sich gleichzeitig rasch und dramatisch veränderten klimatischen Bedingungen erhalten zu können oder zu wollen.
"Wälder müssen sich verändern"
Dem SMC sagte Hartmann, "Wälder sind dynamische Systeme, die sich verändern müssen, um unter veränderten Rahmenbedingungen bestehen zu können. Dazu gehört dann auch eine Umschichtung und eventuell eine Neuzusammenstellung der darin enthaltenen Baumarten. Die Studie zeigt in aller Deutlichkeit, dass einige der für uns heimischen Baumarten es in Zukunft nicht mehr sein werden."
"Klima- und Baumwuchsvorhersagen zu simpel"
Und Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, ist die Studie noch zu optimistisch. Er meint, die angenommenen Mittelwerte und die Zunahme von Temperatur- und Niederschlagsschwankungen reichten nicht aus. "Es spricht einiges dafür, dass das Verschwinden des arktischen Eises und die Abschwächung der atlantischen Meeresströmungen in näherer Zukunft zu noch heftigeren Achterbahnfahrten des Wetters führen werden. Zu simple Klima- und Baumwuchsvorhersagen bereiten uns nicht gut darauf vor."
Was in der Studie unter den Tisch falle, sei, dass die Lebens- und Anpassungsfähigkeit von Bäumen beziehungsweise Wäldern lokal und regional ganz erheblich auch von den Böden, dem Mikroklima, der Landnutzung und der Forstwirtschaft abhingen. "In Zukunft werden auch Feuer und biologische Faktoren wie Krankheiten, Schädlinge oder menschliche Reaktionen auf Waldschädigungen das langfristige Funktionieren von Ökosystemen auf sehr ungünstige Entwicklungspfade bringen", sagt Ibisch.