Emissionshandel Gute Idee, schwierige Durchsetzung
Den CO2-Ausstoß verringern und die Verursacher dabei in die Pflicht nehmen - das ist die Grundidee eines neuartigen Lizenzystems: des Emissionshandels. Was steckt dahinter? Warum ruft die Neuerung so viel Widerstand auf den Plan?
Von Claudia Ulferts, tagesschau.de
Eine der wichtigsten Vereinbarungen des Kyoto-Protokolls ist der Handel mit den Emissionsrechten. Der Startschuss für das weltweit erste Handelssystem mit Lizenzen, die zum Ausstoß von CO2 berechtigen, fiel im Januar 2005. In der EU läuft zunächst eine Pilotphase. Ab 2008 soll das System dann global eingeführt werden.
Was steckt hinter dem Handel?
Die Idee ist simpel: Der Handel mit den Verschmutzungsrechten basiert auf dem Kauf und Verkauf von Kohlendioxid-Zertifikaten. Firmen, die durch umweltfreundliche Technologien Kohlendioxid (CO2) einsparen, können CO2-Zertifikate verkaufen und damit Geld machen. Umweltsünder müssen sich hingegen das Recht zum erhöhten CO2-Ausstoß erkaufen. Zudem wird die Gesamtzahl der zulässigen Emissionen jedes Jahr verknappt.
An dem Handelssystem teilnehmen müssen Industrieanlagen ab einer gewissen Größe, welche genau dies sind, legen die Behörden der Bundesländer fest. Betroffen sind laut einer EU-Richtlinie zunächst nur energieintensive Unternehmen wie Kraft- und Stahlwerke, Papier-, Glas- und Zementfabriken als Hauptproduzenten des Treibhausgases CO2. In Deutschland werden dies nach Schätzungen des Umweltministeriums etwa 2400 Anlagen sein. Zuständig für die Zuteilung der Emissionszertifikate wird eine Emissionshandelsstelle sein, die dem Bundesumweltamt unterstehen soll.
Nationaler Zuteilungsplan regelt zulässige Emissionsmenge
Weniger einfach als das Grundprinzip des Emissionshandels ist seine Umsetzung im Detail, denn es müssen für jedes Unternehmen eine zulässige Emissionsmenge festgelegt und die Lizenzen verteilt werden. Wie die Verteilung erfolgen soll, regelt für jedes Land ein "Nationaler Allokationsplan", der in Brüssel eingereicht wird. Natürlich möchte jedes Unternehmen ein möglichst hohes Kontingent an Verschmutzungsrechten ergattern. Doch die mögliche Gesamtmenge kann nicht unendlich groß sein, sollen die Klimaziele erreicht werden. Daher kommt der Streit über die Frage, ab wann und um wie viel die Gesamtmenge jährlich verringert werden soll und welche Kriterien bei der Verteilung der Lizenzen eine Rolle spielen sollen.
Trittin wollte Wirtschaft beim Wort nehmen
Die Richtschnur für die Emissionsmenge gibt das Klimaschutz-Protokoll von Kyoto vor: Deutschland will den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2012 um 21 Prozent unter den Wert von 1990 bringen. 19 Prozent davon sind bereits erbracht - überwiegend durch die Sanierung veralteter Kraftwerke in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung.
Umweltminister Jürgen Trittin nahm in seinem ursprünglichen Entwurf für den deutschen Allokationsplan eine freiwillige Reduktionsverpflichtung der Wirtschaft aus dem Jahr 2000 zur Grundlage und verlangte bis zum Jahr 2007 eine CO2-Reduzierung um 3,4 Prozent jährlich. Das, so Trittin damals, entspräche der von der Industrie selbst vorgeschlagenen Reduktionsmenge. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement war ebenso wie Vertreter der Wirtschaft indes gegen Kürzungen in der ersten Phase des Emissionshandels bis 2007. Zunächst solle das Handelssystem und seine Auswirkungen auf die Industrie getestet werden, so das Argument.
Nach wochenlangem Streit folgte eine Einigung zwischen den Ressortchefs, die bei Umweltschützer Enttäuschung hervorrief. Danach soll der deutsche CO2-Ausstoß bis 2007 von 505 auf 503 Millionen Tonnen reduziert werden. Angepeilt hatte Trittin 488 Millionen Tonnen. Bis 2012 soll der Ausstoß auf 495 Millionen Tonnen verringert werden, Trittin hatte 480 Millionen Tonnen geplant.
Wer bekommt Sonderkonditionen?
Für Konfliktstoff sorgt auch die Verteilung der Lizenzen auf die Unternehmen. Sie soll anhand des realen Ausstoßes erfolgen, der über von den Firmen eingereichte Zahlen ermittelt wird. Darüber hinaus sind Härtefall-, Bonus- und Steuerungsmodelle festgelegt. Bonus-Lizenzen soll es etwa für bereits erfolgte umweltfreundliche Modernisierungen oder bei einem Ersatz von Atomkraftwerken geben. Ein Steuerungsmodell greift bei Anlagenneubauten: Danach sollen die Zertifikate für alte Anlagen in vollem Umfang auf neue Anlagen übertragen werden können, unabhängig vom Brennstoff. Neueinsteiger auf dem deutschen Markt, die keine alten Anlagen stilllegen können, erhalten nur so viel Zertifikate wie sie für eine Anlage mit der besten verfügbaren Technik erhalten würden.
Erbitterter Kampf unter Wettbewerbern
Hinter den Kulissen wird heftig um den "Emissionskuchen" gekämpft, vor allem in der Energiebranche. Immer wieder werden mögliche Wettbewerbsverzerrungen gegen die Verteilungsregeln ins Feld geführt und die Unternehmen versuchen, für den jeweils eigenen Anlagen-Mix die besten Bedingungen zu erstreiten. Ein Beispiel ist die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW). Sie legte bereits bei der Europäischen Kommission Beschwerde gegen die Vorhaben der Bundesregierung ein.
Die EnBW mit ihrem hohen Kernenergieanteil sieht sich trotz vorgesehener Bonusregelungen vor allem im Vergleich zum RWE- Konzern benachteiligt, der viele Stein- und Braunkohlekraftwerke betreibt und damit beim Neubau von Anlagen besonders viele Lizenzen übertragen kann. Bis zum Jahre 2020 ergebe sich für EnBW ein Wettbewerbsnachteil von etwa einer Milliarde Euro, so der Vorstandsvorsitzende Utz Claassen. Beim Bau eines neuen Gas- oder Dampfkraftwerks als Ersatz für einen Atommeiler erhalte der Betreiber viel weniger handelbare Zertifikate als ein Unternehmen, das ein altes Kohlekraftwerk austausche.
Wenn die EnBW-Einwände in Brüssel Erfolg haben sollten, wäre der deutsche Gesetzgeber gezwungen, die Verteilung der begehrten Zertifikate neu zu ordnen. Das könnte den Zeitplan für den Start des Handelssystem in Frage stellen.