EU und die Seychellen Der harte Kampf um die Fischbestände
Im Indischen Ozean fischen EU-Schiffe den Gelbflossenthunfisch. Forderungen, die Menge zu reduzieren, lehnt die Europäische Union ab - obwohl die Bestände laut Experten vor dem Kollaps stehen.
"Den Fisch muss man mit Liebe und Sorgfalt behandeln", so sieht es jedenfalls Luta Faure. Sie ist Qualitätskontrolleurin bei "Fish-Basket", einem Fischexporteur auf den Seychellen. Jetzt steht sie am Kai eines kleinen Hafens in Victoria, der Hauptstadt des Inselstaates, und zeigt, was sie unter Liebe zum Fisch versteht: Die Gelbflossenthunfische werden aus dem kleinen Laderaum des Fischerbootes nach oben geholt, geköpft und zu Luta Faure auf die Waage gelegt. "60,2 Kilo" zeigt die jetzt an - ein kapitaler Fang.
Dann wird die Temperatur gemessen; wenn die Fische beim Anlanden nicht kühl genug sind, werden sie aus dem Verkehr gezogen. Der nichtindustrielle Fischfang, bei dem der ganze Fisch später für die globale Spitzenküche exportiert wird, hat hohe Standards - aber auch hohe Verkaufspreise.
Prüft die Qualität des gefangenen Gelbflossenthunfisches: Kontrolleurin Luta Faure
Die Masse kommt in die Konserve
Ein paar Kilometer weiter, im Hauptfischereihafen der Seychellen, geht es eher um Masse als Klasse - um Dosenfisch. Kräne heben aus großen Fangschiffen volle Netze mit gefrorenen Thunfischen an Land. Dann fallen sie übereinander auf lange Förderbänder und wandern mit Blessuren in große Container, bevor es in die Dosenverarbeitung geht.
Trotz Drehgenehmigung im Hafen bekommt das ARD-Team schnell Ärger: Auf dem Kai sind Dreharbeiten erlaubt, im Unternehmen nebenan aber nicht. Die größte Thunfisch-Konservenfabrik auf den Seychellen, die mehrheitlich einem thailändischen Unternehmen gehört, will anscheinend keine kritische Berichterstattung.
Die Fischvorräte vor den Seychellen sind begehrt. Aber wer dort wie fischen darf, ist zwischen der EU und dem Inselstaat umstritten.
Europäische Schiffe unter der Flagge der Seychellen
Dass es da Befürchtungen gibt, hat mit vielen Details zu tun, aber fast immer auch mit der EU. Etwa ein Dutzend Schiffe der EU beliefern nämlich die Fischfabriken hier. Nach dem neuesten Vertrag zwischen den Seychellen und der Europäischen Union zahlt die EU dem Inselstaat 2,5 Millionen Euro für 50.000 Tonnen Thunfisch im Jahr - bis 2026.
Die Schiffe der EU, fast alle aus Spanien und Frankreich, fahren in diesem Abschnitt des Indischen Ozeans unter der Flagge der Seychellen und verarbeiten auf den Seychellen. Was kann daran schlecht sein?
Sorge um den Bestand
Zunächst einmal sind die Umweltschützer entsetzt, denn der Bestand des Gelbflossenthunfischs könnte nach Meinung von Experten vor dem Kollaps stehen. Erholungsprogramme für den Bestand, wie sie seit Jahren gefordert werden, sind zwischen der EU und den Anrainerländern umstritten.
Bei einem entscheidenden Treffen der Thunfischkommission für den Indischen Ozean (IOTC) weigerte sich die EU, ihre Fänge um mehr als 21 Prozent zu reduzieren. Die Inselgruppe der Malediven hatte 35 Prozent vorgeschlagen, um die Bestände zu sichern. Die EU verlangt erst Zugeständnisse von den Anliegern des Indischen Ozeans.
"Warum hilft die EU nicht mit, das Problem zu lösen, das sie selbst geschaffen hat", klagt Charles Clover von der "Blue Marine Foundation". "Stattdessen kämpfen sie mit harten Bandagen gegen die Küstenländer, die die Fischgründe des Indischen Ozeans zum Überleben brauchen."
Überfischung einfach verrechnen?
Gestritten wird auch um Überfischung. Vor allem die spanischen Schiffe sollen gern überziehen, sagen Umweltschützer mit Blick auf die Zahlen der IOTC. Das komme vor, sagt Vivian Loonela von der EU-Kommission, sei aber kein Problem: "In diesem Fall wird die überfischte Menge von der Quote des nächsten Jahres abgezogen."
Taschenspielertricks, sagen Umweltschützer und monieren noch ein weiteres Detail der EU-Fischerei: Die Art des Thunfischfangs mit Ringwaden. Das sind bis zu zwei Kilometer lange Netze, die sich ringförmig um einen Thunfischschwarm legen. Wenn dann noch spezielle Vorrichtungen zum Anlocken der Schwärme (sogenannte FAD) dazukommen, lassen sich riesige Mengen mit kleinem Aufwand fangen.
Allerdings gibt es dabei große Mengen "Beifang": zu kleine Thunfische, Schildkröten oder Seidenhaie etwa. Hilfsmittel unterstützten die EU-Flotte aber bei der Vermeidung von CO2, sagt Sprecherin Vivian Loonela, "da gibt es kein Schwarz und Weiß". Damit hatte ein Vorschlag Kenias, FAD zu beschränken, keine Chance vor der IOTC.
Kaum Arbeitsplatzeffekte
Die EU gibt den Beobachtern Rätsel auf, denn die Unterstützungsmaßnahmen für die Fischfang-Industrie kosten viel Geld. Nach Angaben des Umweltinformationsdienstes Mongabay soll die spanische Fischereiindustrie zwischen 2000 und 2010 EU-Subventionen in Höhe von rund acht Milliarden Euro erhalten haben. Große Arbeitsplatzeffekte sind dabei zu bezweifeln - weite Teile des Prozesses laufen ja nicht in der EU ab.
Über vier Jahrzehnte haben EU-kontrollierte Schiffe allein fast vier Millionen Tonnen Thunfisch aus dem Indischen Ozean gezogen, rechnen Umweltschützer wie Nirmal Shah von "Nature Seychelles" vor, das sind ein Drittel aller Fänge.
Welchen höheren Grund gebe es für die EU, fern der Heimat mehr zu fischen als andere, die selbst Anrainer sind - arme Länder wie etwa Madagaskar? "Ich sehe Madagaskar nicht in der Welt rumlaufen und behaupten, es hätte eine tolle Strategie für nachhaltige Entwicklung", schimpft Shah. "Sie sagen nicht, wir haben einen grünen Plan, einen blauen Plan - aber die EU sagt es." Er sieht gar "Neokolonialismus“ am Werk.
Der Schutz der eigenen Fischerboote im Indischen Ozean war dem spanischen Staat vor einigen Jahren einen Militäreinsatz wert - hier schützt die Marine im Jahr 2009 Fischer auf dem Weg in Richtung Seychellen vor Piraten.
2,8 Millionen für kleinere Betriebe
Die nachhaltige Entwicklung versucht die EU mit künftig 2,8 Millionen Euro pro Jahr für kleine Fischereibetriebe und regionale Gemeinschaftsprojekte voranzubringen. Der Ansatz ist sicher gut gemeint, mittelfristig wollen die Insulaner aber lieber auf eigenen Füßen stehen, auch wirtschaftlich.
Louis Bossy, Fisch-Exporteur und Firmenchef von "Fish-Basket" weiß: "Die Regierung möchte die Fischerei zu einer Hauptsäule unserer Wirtschaft machen. Es braucht Zeit - aber es ist machbar."