Ein Schwan sitzt auf einem Haufen mit unter anderem Plastikmüll.

UN-Gipfel in Südkorea Wie der Plastikmüll weniger werden soll

Stand: 25.11.2024 02:51 Uhr

400 Millionen Tonnen - so viel Plastik wird weltweit jedes Jahr produziert. Recycelt werden davon nur etwa zehn Prozent. Um das zu ändern, beraten die UN-Staaten ab heute in Südkorea. Die Ausgangslage ist schwierig.

Von Verena von Ondarza und Christian Baars, NDR

Heute beginnt der UN-Plastikgipfel in Busan. Das Ziel: Ein verbindliches Abkommen, das die Welt von der Plastikvermüllung befreit. Ob das gelingt, ist zweifelhaft.

Die Hoffnungen, die auf den Verhandlungen liegen, sind groß. Mit einem rechtlich verbindlichen Abkommen wollen die Vereinten Nationen, die Welt vom Plastikmüll befreien. Zehn Jahre hat die Organisation auf diesen Moment hingearbeitet. Vertreterinnen und Vertreter von 193 Staaten treffen nun für sieben Tage im südkoreanischen Busan zur fünften von fünf geplanten Verhandlungsrunden zusammen. Die Exekutivdirektorin des UN-Umweltprogrammes, Inger Angersen, spricht von einer einmaligen Chance - einer "once in a planet opportunity". 

Der aktuelle Entwurf des Vertragstextes lässt allerdings wenig Hoffnung auf einen erfolgreichen Abschluss. In mehr als 3.000 eckigen Klammern - jede davon steht für einen Umformulierungswunsch - spiegelt sich ein breiter Dissens. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass dieser innerhalb einer Woche aufzulösen ist, meint Alexandra Caterbow, die die Verhandlungen für das NGO-Bündnis Exit Plastic von Beginn an begleitet. "Normalerweise verhandelt man über einen Absatz einen ganzen Tag." Hier aber stünde praktisch noch der gesamte Vertragstext zur Diskussion.

Wichtigste Streitpunkte

Dabei geht es auch noch um Grundsatzfragen - etwa welche Teile der Liefer- und Recyclingkette von Plastik das Abkommen erfassen soll. Reicht es die Abfallsammelsysteme zu verbessern und mehr Plastik zu recyceln oder sollte es Regelungen zur Produktion von neuem Plastik enthalten. Derzeit werden weltweit rund 400 Millionen Tonnen Plastik jedes Jahr produziert, recycelt werden davon im weltweiten Schnitt nur zehn Prozent. Fast 150 Millionen Tonnen werden nicht fachgerecht entsorgt oder landen in der Natur. 

Und das Problem wird noch dringlicher. Nach Schätzungen der Weltbank könnte die weltweite Plastikproduktion im Jahr 2040 schon bei 700 Millionen Tonnen liegen. "Wir können tun und lassen, was wir wollen, wenn wir es nicht schaffen, an dieser Entwicklung zu drehen, dann werden wir die Plastikkrise nicht lösen können", meint Henning Wilts, der am Wuppertal Institut für Klima Umwelt und Energie zu Kreislaufwirtschaft forscht. Mehr und besseres Recycling sei ein Teil der Lösung, aber "wir müssen vor allen Dingen ran an das Thema Einwegplastik".

Staaten-Allianz will Produktion reduzieren

Umweltverbände und eine Koalition von Wissenschaftlern drängen darauf, den gesamten Lebenszyklus von Plastik - also auch die Gewinnung der wichtigsten Rohstoffe Erdöl und Erdgas sowie die Produktion der Vorprodukte - in den Blick zu nehmen. Weil Plastik in der Regel aus Erdöl in sehr energieintensiven Prozessen hergestellt wird, entstehen schon bei der Produktion hohe CO2-Emissionen und je nach Standort der Produktion weitere Umweltschäden durch andere Abgase.

Die sogenannte High-Ambition-Coalition, eine Allianz von Staaten, die ein weitreichendes Abkommen fordert, strebt deshalb ein Abkommen an, das auch vorsieht, dass künftig weniger neues Plastik produziert werden soll. Die EU - und damit auch Deutschland - hat sich der High-Ambition-Coalition angeschlossen. 

Anderer Staaten halten dagegen

Eine solche Produktionsobergrenze lehnen die sogenannten Like-Minded-Staaten ab. Sie sind ein Zusammenschluss wichtiger Öl- und Gasförderländer sowie Länder mit bedeutender Plastikproduktion. Dazu gehören Russland, Saudi Arabien, Iran und China. Sie fordern ein Abkommen solle sich darauf konzentrieren, dass Plastik nicht in die Umwelt gelangt, etwa indem weltweit zuverlässige Abfallsammel- und Verwertungssysteme aufgebaut werden und am Ende mehr Plastik recycelt wird. 

Weiterer Streitpunkt ist, wie weit ein mögliches Plastikabkommen in die Produktionsprozesse der Industrie eingreifen soll. Die derzeit geringen Recyclingquoten von Plastik liegen auch daran, dass heute viele hochkomplexe Plastikprodukte auf dem Markt sind, die sich nach der Nutzung nicht sauber trennen und recyceln lassen. Ein Abkommen solle daher Vorgaben zum Produktdesign machen, so die Forderung der High-Ambition-Coalition.

"Man weiß oft gar nicht, was da drin ist"

Dabei geht es auch um die Regulierung der verwendeten Chemikalien. Etwa 16.000 verschiedene sogenannte Additive werden derzeit in der Plastikproduktion eingesetzt. Ein Drittel davon wird als gefährlich eingestuft. Bei rund 10.000 ist noch nicht bekannt, wie und ob sie Mensch und Natur schädigen.

Diese Vielzahl an Additiven verhindert auch eine hohe Recyclingquote, sagt Melanie Bergmann, Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut mit dem Schwerpunkt Plastikmüll und Mikroplastik in einem Pressegespräch mit dem Science Media Center. "Denn wenn man diese Produkte dann im Recyclingprozesse zusammenbringt, weiß man oft gar nicht, was da drin ist." Die verwendeten Additive seien oft Betriebsgeheimnis. "Dann hat man einen gesundheitlich bedenklichen Cocktail und verhindert auch, dass sie in großem Maße recycelt werden, weil sie zum Beispiel in Deutschland dann nicht für Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden dürfen." Bergmann ist Mitglied der deutschen Delegation und einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern - der sogenannten Science Coalition. 

Ein aufgeweichter Kompromissvorschlag

Die Ausgangslage der Verhandlungen in Busan ist also schwierig. Um trotzdem zu einem Abschluss zu kommen, hat die Verhandlungsführung ein Kompromisspapier vorgelegt und dieses mit den Delegationen im Vorfeld abgestimmt. Dieses ist deutlich weicher formuliert und enthält nur wenige rechtlich bindende Verpflichtungen.

Außerdem klammert es wichtige Streitpunkte aus. So ist dort nicht mehr die Rede von einer Reduktion oder einem Einfrieren der Menge der Plastikproduktion, sondern nur noch von einem nachhaltigen Management der Plastikproduktion. Und auch ein umfassendes Verbot von giftigen Chemikalien hält die Verhandlungsführung nicht für konsensfähig und schlägt deshalb vor, vorerst nur eine kleine Gruppe besonders kritischer Inhaltsstoffe zu regulieren. Auch ein Zieldatum, an dem sich die Weltgemeinschaft messen lassen könnte, fehlt in dem Kompromissvorschlag. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet die Tagesschau am 25. November um 12 Uhr