Ein Dorsch schwimmt im Nordatlantik.

WWF-Report zum Artensterben "Wir zerstören, was uns am Leben hält"

Stand: 10.10.2024 01:38 Uhr

Ob an Land oder im Wasser: Die Artenvielfalt auf der Erde nimmt laut einem neuen WWF-Report weiter ab. Grund sei der Mensch - dabei habe das Artensterben auch für uns enorme Folgen. Politik und Gesellschaft müssten handeln.

Die Bestände von Wildtieren nehmen einem Report des Umweltverbandes WWF zufolge weltweit dramatisch ab. In den letzten 50 Jahren seien die untersuchten Wirbeltierbestände - Säugetiere, Amphibien, Reptilien und Vögel - durch den Menschen um durchschnittlich 73 Prozent zurückgegangen, wie aus dem sogenannten Living Planet Report 2024 hervorgeht.

Den stärksten Rückgang verzeichneten die Süßwasserökosysteme mit 85 Prozent. Geografisch seien Lateinamerika und die Karibik mit 95 Prozent, Afrika mit 76 Prozent und die Asien-Pazifik-Region mit 60 Prozent am stärksten betroffen. Sogenannte Kipppunkte drohten überschritten zu werden - damit würden unumkehrbare Veränderungen verursacht. Die kommenden fünf Jahre seien dabei entscheidend.

Für den Living Planet Report wertete der WWF nach eigenen Angaben zusammen mit der Zoologischen Gesellschaft London fast 35.000 globale Populationen von etwa 5.500 Wirbeltierarten weltweit aus.

Stabilität ganzer Ökosysteme gefährdet

Größter Treiber des Artensterbens sei die Zerstörung der Lebensräume von Tieren und Pflanzen durch den Menschen. "Wir zerstören, was uns am Leben hält", sagte Kathrin Samson, Vorständin Naturschutz beim WWF Deutschland. Unsere Gesundheit, Lebensmittelversorgung, Zugang zu sauberem Wasser, die Stabilität der Wirtschaft und erträgliche Temperaturen seien abhängig von intakten Ökosystemen und gesunden Wildtierbeständen. "Was wir für ein gutes und sicheres Leben benötigen, steht durch unsere Lebensweise auf dem Spiel."

Die "Doppelkrise" aus Biodiversitätsverlust und Klimakrise gefährde dabei die Stabilität ganzer Ökosysteme, hieß es weiter. Am Beispiel des Amazonas-Regenwaldes zeige sich, wie der Rückgang der Baumbestände mit einer geringeren Feuchtigkeitsabgabe des Waldes, geringerer Wolkenbildung, weniger Regen, einer Verschlechterung der Ökosysteme und höheren Kohlenstoffemissionen einhergehe, hieß es weiter. Neben Abholzungen trage auch der Verlust großer Säugetiere, die Früchte fressen und so Samen großer Bäume verbreiten, zum weiteren Rückgang der Tropenwälder bei.

Amazonas-Flussdelfin

Neben dem Atlantischen Kabeljau/Dorsch im Nordatlantik und der westlichen Ostsee sieht der Report auch bei den Amazonas-Flussdelfinen eine dramatische Entwicklung. Diese seien von 1996 bis 2016 um 65 Prozent gesunken.

Maßnahmen der Politik nötig

"Noch können wir das Ruder herumreißen und den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten. Dafür muss aber die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft schneller gehen", so Samson. Bei drei in Kürze anstehenden Weltkonferenzen - in Kolumbien über die biologische Vielfalt, in Aserbaidschan über das Klima und in Südkorea zum Thema Plastikmüll - müssten dringend Fortschritte erzielt werden.

Zu den erforderlichen Maßnahmen gehöre unter anderem, Flächen zu renaturieren oder schädliche Subventionen zu beseitigen. Auch müsste Umweltverschmutzung und die Ausbreitung invasiver Arten vermieden sowie eine nachhaltige, zukunftsfähige Wirtschaftsweise vorangetrieben werden.

Es gebe aber auch bereits hoffnungsvolle Entwicklungen, die zeigten, dass aktiver Artenschutz wirke, betonte der WWF. Dazu gehörten unter anderem die Ausbreitung des einst fast ausgerotteten eurasischen Bibers und wieder wachsende Bestände von afrikanischen Berggorillas.