
Kapverdische Inseln Ein Inselstaat setzt Afrikas Maßstab für E-Mobilität
Warum teuer Benzin importieren, wenn die Sonne im Schnitt 350 Tage im Jahr scheint? Auf den Kapverdischen Inseln fördert die Regierung deshalb die E-Mobilität und wird dabei von Deutschland unterstützt. Wie kommt das an?
Mit einem Videoclip im staatlichen Fernsehen der Kapverden geht es los. Die Sängerin Fatou Diakite wirbt darin für den Umstieg auf das Elektroauto: "Machen Sie mit bei diesem Wandel", sagt sie vor der Kamera, "tragen sie mit dazu bei, dass wir in Cabo Verde einen umweltfreundlichen Verkehr entwickeln." Das war im Oktober 2023. Diakite ist auf den Kapverden ein Star.
Wahrscheinlich hat sie mit dem Werbefilm mit dazu beigetragen, dass dort heute schon rund 450 E-Autos über die Straßen rollen. Absolut gesehen ist das keine große Zahl, aber der Anteil der E-Autos an den Neuwagen liegt bei acht Prozent und damit weit über der Zielvorgabe der Regierung, die bereits begonnen hat, den eigenen Fuhrpark umzustellen. Afrikaweit sind die Kapverdischen Inseln damit Vorreiter.
Manche Privatleute ziehen nach. Der Taxifahrer Adilson Gomez lebt auf Santiago, der größten der neun bewohnten Inseln der Kapverden, und hat sich für ein E-Auto der Mittelklasse entschieden. Ein Verbrenner in derselben Größe wäre für ihn zu teuer gewesen, sagt er. Umgerechnet etwa 25.000 Euro habe er aufbringen müssen statt 30.000.
"Für einen Diesel hätte ich viel mehr ausgeben müssen", sagt er beim Zwischenstopp an einer Ladesäule in der Hafenstadt Santa Cruz. Er habe viel weniger Importzoll zahlen müssen für seinen batteriebetriebenen VW als für ein herkömmliches Auto, sagt Gomez.
Außerdem gebe es für E-Autos Steuererleichterungen und in seinem Fall als Taxibetreiber auch günstigere Kredite. Aber besonders freue ihn, dass sich sein Auto wieder etwas auflade, wenn er bremse. Ladesäulen gebe es darüber hinaus inzwischen auch genug.
Der Import wird subventioniert
Eine der meistgenutzten Ladesäulen steht auf einem Parkplatz am Strand von Kebra Kanela in der Hauptstadt Praia. In der Schlange wartet ein junger Mann in einem E-Auto der Luxusklasse geduldig auf den Schnell-Ladeanschluss. Er zeigt sich zufrieden mit der neuen Technologie: "Es ist ein innovatives System, es ist umweltfreundlich und gut für den Fortschritt im Land." Sein Beifahrer meckert allerdings über die Wartezeit. Schnelladesäulen gebe es noch zu wenige, schimpft er.
Mehr als zehn Millionen Euro habe die Regierung für Subventionen beim Import von Elektroautos bereitgestellt, bilanziert Alexandre Monteiro, der zuständige Minister für Industrie, Handel und Energie im Interview mit der ARD. Der Einsatz habe sich gelohnt, wie die Zahlen der importierten Neuwagen bewiesen.
Die Kapverden wollten schon 2030 mehr als 50 Prozent ihrer Energie aus Wind und Sonne gewinnen und den auf diese Weise günstiger erzeugten Strom auch im Verkehr nutzen, deswegen sei ein Umstieg auf E-Fahrzeuge unvermeidlich, sagt Monteiro. Die Politik seiner Regierung ziele darauf ab, vom Import fossiler Energien und den schwankenden Preisen unabhängiger und klimafreundlicher zu werden.
Die Erneuerbaren sind billiger
Mit Dieselkraftstoff Strom zu erzeugen sei allein wegen der Diesel-Kosten vier Mal teurer als Strom aus Erneuerbaren, rechnet der Minister im Interview vor. Jeden Tag verbraucht allein das Elektrizitätswerk in der Hauptstadt Praia nach Auskunft eines leitenden Ingenieurs sechs Tanklasterfüllungen à 30.000 Liter Diesel. 180.000 Liter am Tag - dazu kommt der Bedarf der herkömmlichen Tankstellen.
Die Kapverden und ihre rund 500.000 Einwohner leben vor allem vom Tourismus und den Überweisungen der rund 800.000 Exilkapverdianer in die Heimat. Importkosten zu verringern, vor allem auch für Kraftstoffe, ist für das hoch verschuldete Land wichtig.
Im kommenden Jahr wird das Parlament neu gewählt, doch keine Partei, stelle den Abschied vom Verbrennermotor auf der Inselgruppe infrage, sagt Minister Monteiro: "Es gibt Einigkeit im Land, dass wir die Elektroautos und die erneuerbaren Energien fördern wollen."
Mithilfe der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und anderer Organisationen haben die Kapverden die Elektrifizierung ihres Verkehrs angeschoben; vom Ausbau des Stromnetzes über eine Werbekampagne bis hin zur Ausbildung von Fachleuten wurden viele Faktoren mitgedacht. Sogar Feuerwehrleute wurden eigens fortgebildet, um im Notfall brennende Elektroautos löschen zu können.
Doch nach Auskunft der speziell für E-Autos geschulten Feuerwehrfrau Laura Pereira in Praia kam ein solcher Fall noch nicht vor. Noch fehle eine adäquate Schutzausrüstung, sagt sie, aber immerhin habe sie eine App im Handy, die ihr helfe, alle E-Autotypen zu identifizieren und nachzuschlagen, wie jeweils der Stromkreislauf in einem verunglückten Auto zu unterbrechen sei.

An Ladesäulen mangelt es nicht - aber nicht immer sind - wie hier in Praia - die Plätze vor ihnen frei.
Ladesäulen nach europäischen Standards
Sicherheit und Verlässlichkeit seien extrem wichtig, damit die Bevölkerung Vertrauen fasse zur neuen E-Mobilität, sagt GIZ-Projektleiter Leo Pagnac. Deswegen habe man beispielsweise bei den Ladesäulen auf europäischen Standards bestanden, denn sie müssten robust sein und zuverlässig funktionieren. 7,1 Millionen Euro für die Jahre 2020 bis 2025 hat die GIZ bei europäischen Gebern für ihr Projekt in Cabo Verde eingeworben.
Ihr Ziel sei es gewesen, den Startschuss für die E-Mobilität zu geben und mitzuhelfen, die Wende zu beschleunigen. Das sei gelungen, meint Pagnac. Die Kapverden seien heute ein Vorbild für ganz Afrika, erste Delegationen aus Westafrika hätten sich schon angekündigt, um zu sehen, wie der Umstieg auf E-Mobilität gelingen könne.
Doch noch sind E-Autos die Ausnahme im dichten Verkehr der Hauptstadt Praia. Viele Bürgerinnen und Bürger sind weiter skeptisch, wie eine Zufallsumfrage ergibt. Die Journalistin Joana Lopes aus Praia nennt sich selbst Umweltschützerin, aber ein E-Auto würde sie derzeit nicht kaufen: "Strom ist nach meiner Auffassung bei uns keine nachhaltige Energie, er wird mit fossilen Kraftstoffen erzeugt."
Ebenso wie der Kraftfahrer Camilo Barbosa bezweifelt Lopez außerdem, dass es schon genügend qualifiziertes Personal zur Wartung von E-Autos gibt.
Sich frühzeitig auf die Zukunft einstellen
Im Bergstädtchen Assomada, im Zentrum der Insel Santiago, wartet die Automechatronikerin Angela da Viera seit zwei Jahren auf den ersten Kunden mit einem Elektroauto. Sie hat eigens in Portugal eine Fortbildung für E-Autos absolviert, ihr Wissen aber bislang nur bei Hybridfahrzeugen anwenden können. Verglichen mit herkömmlichen Autos hätten die E-Autos eben nur wenige Pannen, sagt da Viera.
Das liege auch daran, dass die wenigen E-Autos im Land noch nicht sehr alt seien. Wenn, dann hake es an der Batterie, sagt der Automechatroniker Edar Diaz von der Firma Tuacar, die E-Autos aus China importiert. Doch die Batterie-Ausfälle seien schnell zu beheben, Ersatzteile gebe es im Land.
Da Viera in Assomada, deren Betrieb "Mécangela" heißt, will jedenfalls die Zukunft nicht verschlafen. Sie sei mit ihrer Werkstatt vorbereitet auf die neuen Zeiten: "Man kann vielleicht sagen, dass die Kapverdianer mutig sind", sagt sie. Man möge es, neue Sachen zu lernen, neue Ideen aufzugreifen und sich neue Ansichten anzuhören.
Noch fährt da Viera privat einen Benziner, doch die Zukunft des Verkehrs in Cabo Verde, glaubt sie, sei früher oder später elektrisch.
