Sudan Kaum Hoffnung auf baldiges Ende der Kämpfe
Die Bundeswehr hat ihre Evakuierungsflüge aus dem Sudan am Abend abgeschlossen. Obwohl die Feuerpause in dem Land laut UN-Einschätzung "in einigen Teilen" hält, gibt es kaum Hoffnung auf ein baldiges Ende der Kämpfe.
Der von den USA vermittelte Waffenstillstand im Sudan hält nach Auffassung der Vereinten Nationen bislang "in einigen Teilen". Es gebe allerdings keine Anzeichen, dass die Kriegsparteien bereit seien, "ernsthaft zu verhandeln, was darauf hindeutet, dass beide denken, dass ein militärischer Sieg über die andere Seite möglich ist", sagte der UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, Volker Perthes, vor dem UN-Sicherheitsrat. Dies sei eine Fehlkalkulation.
Im Sudan kämpfen seit dem 15. April die sudanesischen Streitkräfte und die paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF) um die Macht. Dabei sind mindestens 459 Menschen getötet und über 4000 verletzt worden. Seit Montagmitternacht gilt die US-vermittelte 72-stündige Waffenruhe. Zwei zuvor von beiden Konfliktparteien vereinbarte Feuerpausen waren nicht eingehalten worden.
Weiter Kämpfe in Khartum
In der Hauptstadt Khartum würden die Kämpfe unter anderem um den Palast der Republik, den internationalen Flughafen und die Hauptquartiere sowie Stützpunkte von Armee und RSF "weitgehend fortgesetzt oder in einigen Fällen intensiviert", so Perthes.
Luftangriffe und schwerer Beschuss insbesondere in den Städten Omdurman und Bahri unmittelbar bei Khartum hielten ebenfalls an. Der Flughafen sei Berichten zufolge zwar wieder in Betrieb, die Vorfelder seien aber beschädigt. Es gebe zudem zahlreiche Berichte über Wohnungseinbrüche, Plünderungen von Häusern und Geschäften sowie an Kontrollpunkten entwendete Autos. UN-Generalsekretär António Guterres rief vor dem UN-Sicherheitsrat zum Ende der Gewalt auf und warnte vor dem Ausbruch eines vollumfänglichen Krieges.
Bundeswehr schließt Evakuierungseinsatz im Sudan ab
Die Bundeswehr hat ihren Evakuierungseinsatz im Sudan derweil abgeschlossen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch sei eine weitere Maschine des Typs A400M mit 78 Personen in Jordanien gelandet, teilte das Bundesverteidigungsministerium auf Twitter mit. Damit steige die Gesamtzahl der Evakuierten auf mehr als 700 - darunter seien etwa 200 Deutsche gewesen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte dem ARD-Hauptstadtstudio mit Blick auf den für Dienstagabend angekündigten letzten Flug gesagt: "Dann war’s das erstmal. So weit wir den Überblick haben durch das Auswärtige Amt sind damit alle, die erreichbar waren, auch erreicht worden und haben sich auf dem Weg zum Flughafen gemacht." Deutsche, die noch im Sudan sind und es bislang nicht zum Flughafen geschafft haben, sollten in den kommenden Tagen bei Evakuierungsflügen anderer Länder mitgenommen werden.
Pistorius und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatten am Dienstag allen zivilen und militärischen Kräften "für ihre großartige Leistung im Rahmen der Evakuierungsmission" gedankt.
Der Chef des "Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte" beklagte im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio derweil, es seien keinerlei Vorkehrungen für die lokalen Beschäftigten getroffen worden, die man nun zurücklasse.
Bundestag soll heute über Mandat abstimmen
Wegen der akuten Gefahrensituation war die Bundeswehrmission am Sonntag zunächst ohne die eigentlich erforderliche parlamentarische Zustimmung gestartet worden. Die Bundesregierung will sich die Möglichkeit offenhalten, die Mission im Sudan bis Ende Mai fortzuführen. Über ein entsprechendes Mandat sollte der Bundestag am Mittwoch abstimmen und damit auch nachträglich die Mission genehmigen.
Bis zu 1600 Soldatinnen und Soldaten sollten sich daran beteiligen können, im Notfall könne diese Zahl auch überschritten werden, heißt es in dem am Dienstag vorgelegten Mandatsantrag der Regierung. Das Mandat umfasse ausdrücklich auch "den Einsatz militärischer Gewalt zur Durchsetzung des Auftrags".
Was die aktuelle politische Perspektive für den Sudan angeht, äußert die Bundesregierung in ihrem Mandatsantrag eine pessimistische Einschätzung. "In den letzten Tagen hat sich die Sicherheits- und Bedrohungslage in Sudan dramatisch verschlechtert", heißt es in dem Text. Der durch die internationale Gemeinschaft unterstützte innersudanesische Einigungsprozess sei weit zurückgeworfen.
Kritik von der Union an Informationsfluss
Die "anhaltende Gewalteskalation in weiten Landesteilen sowie in der Hauptstadt Khartum" habe ein Eingreifen der Bundeswehr erforderlich gemacht, schreibt die Bundesregierung in ihrem Antrag. Ziel der Bundeswehrmission sei es, "Leib und Leben deutscher Staatsangehöriger und weiterer berechtigter Personen" zu schützen.
Bei der Abstimmung im Bundestag über das Einsatzmandat ist mit einer deutlichen Mehrheit zu rechnen. Die oppositionelle Union deutete die Bereitschaft zur Zustimmung an, kritisierte allerdings die Informationspolitik der Bundesregierung sowie einige Unklarheiten im Mandatsantrag.
Mehrere weitere Länder fliegen Bürger aus
Im niederländischen Eindhoven landete unterdessen eine Maschine mit 104 Evakuierten aus dem Sudan. Wie das niederländische Außenministerium am Abend mitteilte, waren die Menschen zunächst nach Jordanien gebracht worden, bevor sie von dort in die Niederlande weiterfliegen konnten. Unter den 104 Evakuierten befinden sich nicht nur Niederländer, sondern auch Angehörige anderer Nationen.
Großbritannien flog am Dienstag erste Staatsbürger nach Zypern aus. Mindestens zwei weitere Evakuierungsflüge sollten in der Nacht stattfinden, sagte ein Sprecher von Premierminister Rishi Sunak.
Schulze: Evakuierung von Helfern könnte dramatische Folgen haben
Die eilige Evakuierung deutscher und internationaler Helfer könnte aus Sicht von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze dramatische Folgen haben. Ein Drittel der Bevölkerung im Sudan sei schon jetzt auf Nahrungsmittelhilfen aus dem Ausland angewiesen, und es würden täglich mehr, sagte die SPD-Politikerin dem "General-Anzeiger" aus Bonn.
Dass die Konfliktparteien einer Feuerpause von 72 Stunden zugestimmt haben, sei daher eine gute Nachricht. "So können sich die Menschen mit Wasser und Brot oder Medikamenten zu versorgen." Eine kurzzeitige Feuerpause könne aber nur der Anfang für eine dauerhafte Waffenruhe und Konfliktlösung sein, sagte Schulze. "Denn nur dann können wir unsere Arbeit wieder aufnehmen." Schulze forderte, dass das Militär seine Macht an eine zivile Regierung übertragen müsse.
UN: Konfliktparteien missachten Schutz von Zivilisten
Wahllose Angriffe der beiden Konfliktparteien im Sudan gefährden den Vereinten Nationen zufolge weiterhin das Leben von Zivilisten. "Beide Kriegsparteien haben die Gesetze und Normen des Angriffs auf dicht besiedelte Gebiete missachtet, mit wenig Rücksicht auf Zivilisten, Krankenhäuser oder sogar Fahrzeuge, die Verwundete und Kranke transportieren", sagte der UN-Vermittler Perthes am Dienstag bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrats.
So wurde etwa in Khartum ein bekannter sudanesisch-amerikanischer Mediziner erstochen. Bushra Ibnauf Sulieman war Leiter der Medizinischen Fakultät an der Universität der Hauptstadt Khartum. Er wurde vor seinem Haus getötet, wie der sudanesische Ärzteverband mitteilte. Er hatte lange in den USA gearbeitet, wo seine Kinder leben, war jedoch in das nordostafrikanische Land zurückgekehrt, um Ärzte auszubilden. Kollegen sagten, er habe in den vergangenen Tagen Menschen behandelt, die bei den Kämpfen im Land verletzt worden seien.
Perthes forderte beide Seiten auf, den Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts nachzukommen und den Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur sicherzustellen. Zudem gebe es "beunruhigende Berichte über versuchte sexuelle Übergriffe". Perthes, der seinen Arbeitsort aus Sicherheitsgründen in die Stadt Port Sudan verlegt hatte, ist nach eigenen Angaben weiterhin in regelmäßigem Kontakt mit den rivalisierenden Generälen im Sudan.
Mit Informationen von Kai Küstner, ARD-Hauptstadtstudio