Großdemos in Brasilien Bolsonaros verzweifelte Machtdemonstration
Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro droht wegen Putschversuchs die Verurteilung - für die Präsidentschaft darf er nicht mehr antreten. Daher mobilisiert er seine Basis und versucht, mit Massendemos Druck auszuüben.
Lange hatte man diese Bilder an Rios Copacabana nicht mehr gesehen. Tausende in kanariengelben Trikots, die lautstark ihre Unterstützung für Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro kundtun. Für sie ist es ein Kampf für die Meinungsfreiheit, sie sehen ihr Land auf dem Weg zur Diktatur.
Bolsonaro, der mittlerweile zahlreiche Probleme mit Brasiliens Justiz hat, sehen sie als Opfer politischer Verfolgung. Demonstrant Darcy Correa etwa sagt: "Wenn er verhaftet wird, wird ganz Brasilien stillstehen. Niemand wird den Mut haben, etwas gegen ihn zu tun, wir stehen hinter ihm." Ein anderer, Vantoiu Neto, sagt: "Sie konstruieren eine Menge Dinge, lauter Märchen, damit sie ihn verhaften können, um ihn so aus dem Rennen zu werfen."
Für unwählbar erklärt
Fakt ist: Bolsonaro, der vor etwas mehr als einem Jahr aus dem Amt schied, steht inzwischen massiv unter Druck. Ein Gericht erklärte ihn für unwählbar. Das heißt, dass er bis Mitte 2030 nicht für politische Ämter kandidieren darf.
Denn gegen ihn laufen zahlreiche Ermittlungen. Es geht um gefälschte Impfpässe, veruntreute Staatsgeschenke, vor allem aber um Bolsonaros Rolle beim Putschversuch am 8. Januar 2023, als tausende seiner Anhänger Brasiliens Regierungsviertel stürmten. Mittlerweile deutet vieles daraufhin, dass Bolsonaro einen Umsturz plante, um an der Macht zu bleiben. Er hatte bei den Wahlen 2022 gegen Lula da Silva verloren.
Aufruf zum Kampf
"Ihr seht, dass das System Leute wie mich nicht im Präsidentenamt haben will. Sie können mich unhöflich nennen und auf jede erdenkliche Weise Fake News erfinden", erklärte Bolsonaro, der am Sonntag von einer Bühne auf einem Lastwagen zu seinen Anhängern sprach. "Hier wird uns klar, wohin unser Brasilien nun leider steuert, und wir müssen kämpfen, sonst landen wir wie Lämmer auf dem Schlachthof."
Bolsonaro spricht von Lügen und einer politischen Hexenjagd, sieht sich als Verfolgten durch die Justizbehörden, die er als verlängerten Arm der Lula-Regierung darstellt. Allerdings gibt es eine Reihe von Dokumente, Videos und Zeugenaussagen, die die Vorwürfe gegen ihn zu belegen scheinen, unter anderem von engen Mitarbeitern des Ex-Präsidenten und von Mitgliedern der Streitkräfte. Als Bolsonaro seinen Pass abgeben musste, übernachtete er zwei Nächte lang in der ungarischen Botschaft. Dass er sich so der Justiz entziehen wollte, streitet er ab.
Druck auf Justiz und Wahlbehörden?
Doch dass er nun, wie bereits im Februar in Sao Paulo, erneut seine Anhänger mobilisierte, zeigt, wie ernst er die Lage selbst nimmt, glaubt Politologe Guilherme Casaõres von der Getulio-Vargas-Stiftung, einem der ältesten Thinktanks Brasiliens.
"Bolsonaro weiß genau, dass die Straße seine größte Machtquelle ist", meint Casaõres. "Mit diesen Großdemonstrationen will er auf die Justiz Druck machen. Es ist sogar möglich, dass hinter dieser Strategie auch der Versuch steckt, Druck auf die Wahlbehörden auszuüben, damit Bolsonaro 2026 doch kandidieren darf."
Zündstoff für Brasiliens Gesellschaft
Eine Verhaftung des Ex-Präsidenten scheint, juristisch betrachtet, möglich - doch sie könnte in der ohnehin polarisierten brasilianischen Gesellschaft Zündstoff zu sein. "Eine Verhaftung Bolsonaros würde eine Stimmung in der brasilianischen Gesellschaft verschärfen, die sehr gefährlich sein kann, weil sie zu Gewalt und Protesten aller Art führen kann", sagt Casaõres.
Mehrere Tausend waren am Sonntag auf der Copacabana, sehr viel weniger als bei der Demonstration im Februar in Sao Paulo. Unterstützung bekommt Brasiliens rechter Ex-Präsident inzwischen auch vom US-Tech-Milliardär Elon Musk, der sich aktuell ebenfalls in einem Konflikt mit Brasiliens Justiz wegen gesperrter Konten auf seiner Plattform X befindet. Ein Applaus für Musk, ruft Bolsonaro so auch zu seinen Anhängern auf der Straße. Kampflos, das will er hier zeigen, werde er nicht gehen.