El Salvador Wahl auf dem Weg in die Diktatur
El Salvadors Präsident Bukele stellt sich heute erneut zur Wahl, obwohl die Verfassung das verbietet. Eine Mehrheit der Bevölkerung scheint das nicht zu stören. Ohnehin ist der Ausnahmezustand im Land Normalität geworden.
Zu Yesenia Haus in einem Armenviertel in La Libertad, unweit der Hauptstadt San Salvador, führt eine staubige Huckelpiste. Früher wurden die Straßen von der kriminellen Bande Mara Salvatrucha kontrolliert, seit dem Ausnahmezustand hat sich das verändert.
Yesenia muss nicht mehr an den Kontrollpunkten vorbei, an den teils sogar im Gesicht und auf dem kahlrasierten Kopf tätowierten, oft schwerbewaffneten Männern. Sie kann sich frei bewegen. "Als der Ausnahmezustand ausgerufen wurde, haben wir uns erstmal alle gefreut. Und mein Vater nannte ihn sogar Onkel Bukele. Er hat ihn für seine Sicherheitsstrategie gefeiert. Natürlich hatte er ihn auch gewählt. Dann ist die Polizei eines Tages gekommen und hat ihn einfach mitgenommen. Einen Unschuldigen!"
Als Sicherheitskräften kamen, um auch ihren Bruder zu verhaften, war Yesenia zu Hause. Sie hätten eigentlich nach einem ganz anderen Mann gesucht, ihn aber einfach mitgenommen, weil sie ihre Quote erfüllen mussten, 30 Verhaftungen bis 12 Uhr.
Der Ausnahmezustand macht es möglich
All das macht der Ausnahmezustand möglich, der mittlerweile seit knapp zwei Jahren andauert und zur Normalität geworden ist. Menschen können ohne richterliche Überprüfung bis zu 15 Tage in Polizeigewahrsam gehalten werden.
Richterinnen und Richter können in Anhörungen mit Hunderten Beschuldigten entscheiden, diese in Untersuchungshaft zu überstellen, die bis zu zwei Jahre dauern kann, ohne dass Beweise vorliegen müssen.
75.000 Menschen wurden mittlerweile verhaftet. Dafür rühmt sich Bukele fast täglich auf dem Kurznachrichtendienst X.
"Der coolste Diktator der Welt"
Seine Kritiker bezeichnen seinen Regierungsstil als autoritär. Kritische Journalistinnen und Journalisten und Menschenrechtsorganisationen werden diskreditiert und denunziert. Zeitweise wurden Autoren und Redakteurinnen von der Investigativ-Plattform El Faro mit der israelischen Spähsoftware Pegasus abgehört, die nur von Regierungen gekauft werden kann. Aus Sicherheitsgründen hat die Redaktion die gesamte Administration nach Costa Rica verlegt.
Bukele selbst spottet nur darüber, bezeichnet sich mal als den coolsten Diktator der Welt, mal als Philosophenkönig. Rund fünf Jahre ist er nun als Präsident im Amt. Nun stellt er sich ein zweites Mal zur Wahl, obwohl das eigentlich gegen die Verfassung verstößt.
Mit einer halbjährigen Auszeit hat der 42-Jährige dieses Verbot umgangen, so seine Auslegung der Rechtslage. So richtig stört das nur wenige. Laut aktuellen Umfragen kann sich Bukele nach wie vor auf mehr als 80 Prozent Zuspruch stützen.
Seine Fans bezeichnen ihn als progressiv. Er hat den Bitcoin als Währung von einem Tag auf den anderen eingeführt, auch wenn damit im Land selbst keiner bezahlt und hat international dafür viel Aufmerksamkeit bekommen. Ein Millenial, häufig in Jeans, mit Hipsterbart, die Haare trägt er nach hinten gegelt. Einer der für Sicherheit im Land sorgt, endlich hart durchgreift, so sehen es seine Anhängerinnen und Anhänger.
"Es herrscht unglaubliche Ruhe"
Im Viertel von Maria hat sich vieles verbessert, endlich könnten Kinder wieder auf der Straße spielen. Die Stadtverwaltung habe für Straßenlicht gesorgt. "Wir erleben eine unglaubliche Ruhe. Das hat bislang kein Präsident geschafft. Deswegen danke ich Gott dafür und Präsident Bukele", sagt sie.
Maria heißt eigentlich anders, sie will lieber unerkannt bleiben. Ein paar Bandenmitglieder würden sich nach wie vor in ihrem Viertel herumtreiben.
Tausende Unschuldige in Haft
In den Gefängnissen des Landes befinden sich Tausende Unschuldige, wie Menschenrechtsorganisationen wie Cristosal dokumentieren. 218 Menschen seien in der Haft gestorben. Viele würden unterernährt entlassen, berichten von Folter.
Die vermeintliche Sicherheit hat ihren Preis. Mit dem Ausnahmezustand wurde die zivilen Rechte beschnitten, Menschenrechte werden systematisch verletzt. Es sind vor allem Salvadorianer aus einkommensschwachen Schichten, aus den Armenvierteln des Landes, die in der Vergangenheit bereits Jahrzehnte unter den Banden gelitten haben, die nun unschuldig im Gefängnis landen.
Gestorben in der Haft: Sandra Hernandez zeigt das Bild ihres Ehemann Jose Dimas Medrano, der während des Ausnahmezustands verhaftet wurde und in Haft starb.
Nur wenige demonstrieren
Im Zentrum der Stadt findet an diesem Tag eine Demonstration statt. Auch Reyna Maribel Amaya ist darunter, rund 70 Demonstrantinnen und Demonstranten haben sich versammelt. Es sind nur wenige, viele hätten Angst vor Repressionen der Regierung, sagt sie.
Es war der 14. Mai 2022, als ihr Sohn Jorge Luis verhaftet wurde. Unter der Woche hatte er als Maurer gearbeitet, am Wochenende Englisch an einer Privatschule studiert. Sein Traum sei es gewesen, irgendwann einmal in den USA zu arbeiten. Auf einem Bild sieht er aus wie ein Konfirmand: gebügeltes weißes Hemd, Krawatte, schwarze Anzugshose. Strahlend hält er sein Englisch-Diplom in die Kamera.
Besuchen kann sie ihren Sohn nicht. "Mein Sohn ist krank, und der Regierung ist egal, ob die Häftlinge im Gefängnis sterben. Wir sind keine Verbrecher, das haben wir nicht verdient", sagt sie aufgebracht.
Auch wenn eine Mehrheit der Menschen sagt, dass sie sich sicherer und freier fühlen - am Ende sei Bukeles Sicherheitsstrategie nicht nachhaltig, kritisiert die Menschenrechtlerin Ruth López von Cristosal. Gerade die Köpfe der Banden seien noch frei. Das grundsätzliche Problem sei nicht gelöst, auch wenn die Basis im Gefängnis sitzt.
Ein Bild, das die Regierung in El Salvador verbreitet: Es zeigt ein neues Gefängnis für Gangmitglieder.
Die extrem Armut hat sich verdoppelt
Langfristig könnte das Bukeles Ansehen schaden, wenn sich zeitgleich auch die wirtschaftliche Lage für eine Mehrheit der Menschen nicht verändert. Die extreme Armut habe sich laut der letzten Statistik im Jahr 2022 seit Bukeles Amtsantritt sogar verdoppelt, wie die Ökonomin Tatiana Marroquín sagt.
Auch Maria, die unter der Bandengewalt gelitten hat, lebt nach wie vor prekär, aber lobt, dass der Präsident gerade in der Pandemie sie immer mal mit Lebensmittelpaketen versorgt hat. Lebensmittelpakete, die von Bukele-Anhängern auch kurz vor den Wahlen in den Armenvierteln verteilt werden. Fragt man nach, wollen sie sich dazu nicht äußern.
"Es überwiegt das Gute"
Die Beschneidung von wesentlichen zivilen und Menschenrechten könnte in Zukunft auch Maria treffen. Trotzdem wird auch sie dieses Mal wieder für Bukele stimmen: "Wie man so schön sagt, irren ist menschlich. Er hat sicherlich auch Fehler gemacht, aber es überwiegt das Gute. Sicherlich gibt es auch Unschuldige im Gefängnis, aber ohne ihn wäre unser Land jetzt nicht frei von Kriminellen."
Reyna Maribel Amaya wird zu den wenigen gehören, die für die Opposition stimmen werden, um ein Zeichen zu setzen. Dass der Präsident mit einer überbordenden Mehrheit wiedergewählt werden wird, weiß sie. "Was so traurig ist, früher haben uns die Banden tyrannisiert, jetzt müssen wir vor allem Angst vor dem Staat haben." Jeden Tag hofft sie, dass ihr Sohn endlich entlassen wird.