Ex-US-Präsident Carter gestorben Die Menschlichkeit ist sein Vermächtnis
Als Präsident gab Jimmy Carter oft eine glücklose Figur ab. Es ist die Zeit nach seiner Präsidentschaft, die sein Vermächtnis prägt - und ihm den Ruf als Kämpfer für Frieden und Menschenrechte einbrachte.
Jimmy Carter war zwar nur vier Jahre lang US-Präsident, aber keiner seiner Amtskollegen wurde annähernd so alt. Und keiner war so lange so glücklich verheiratet: 77 Jahre lang, bis Rosalynn im November 2023 starb.
Das Geheimnis ihrer Ehe verriet Carter - damals schon 96 Jahre alt - in einem Interview mit dem Sender PBS zum 75. Hochzeitstag: "Bevor wir ins Bett gehen, versuchen wir alle Meinungsverschiedenheiten zu bereinigen. Wir vertragen uns und geben uns einen Kuss und wir lesen jeden Abend in der Bibel."
Streit schlichten, Frieden stiften. Das wurde letztlich zur Lebensaufgabe des strenggläubigen Christen.
Hoffnung auf einen Neuanfang unter Carter
Seine Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten 1976 war eine Sensation. Kaum jemand außerhalb seines Heimatstaates Georgia kannte den Erdnussfarmer mit dem Südstaatenakzent. Aber nach Vietnam und Watergate-Skandal sehnte sich das Land nach einem Neuanfang. Und genau das versprach der Gouverneur: "Ich werde niemals lügen. Ich werde niemanden in die Irre führen. Ich werde niemals Euer Vertrauen verraten. Sollte ich es doch tun, dann unterstützt mich nicht."
Seine Amtszeit war zunächst ein Erfolg, vor allem außenpolitisch: das Abrüstungsabkommen SALT II mit der damaligen Sowjetunion. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China zum ersten Mal in der Geschichte. Und: Carter vermittelte ein Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel.
Präsident Jimmy Carter winkt der Menge zu, während er nach seiner Amtseinführung am 20. Januar 1977 in Washington mit seiner Frau Rosalynn und seiner Tochter Amy die Pennsylvania Avenue vom Kapitol zum Weißen Haus entlanggeht.
In Erinnerung bleiben Carters politische Niederlagen
Aber in der kollektiven Erinnerung bleiben die Niederlagen. Die Ölkrise Ende der 1970er-Jahre mit einer Rekordinflation von 14 Prozent bekam Carter nicht in den Griff. Und dann, im November 1979, besetzen iranische Studenten die US-Botschaft in Teheran.
"Unsere Botschaft ist besetzt", musste Carter seinen Landsleuten zu Hause erklären. "Und mehr als 60 US-Amerikaner werden festgehalten um inakzeptable Forderungen durchzusetzen."
Die Terroristen verlangten die Auslieferung des Schahs. Erst ließ Carter monatelang vergeblich verhandeln. Dann befahl er einen Befreiungsversuch, der komplett misslang. Keine einzige Geisel wurde befreit. Stattdessen starben acht US-Soldaten bei dem Einsatz.
Jimmy Carter bei einer nationalen Fernsehansprache über die gescheiterte Mission zur Rettung der iranischen Geiseln.
2002 mit Friedensnobelpreis ausgezeichnet
Bald darauf verlor Carter die Präsidentschaftswahl gegen den Republikaner Ronald Reagan und kehrte in sein Heimatörtchen Plains in Georgia zurück, in dem nicht mal 600 Menschen leben. Er engagierte sich als Wahlbeobachter und Konfliktlöser und gründete gemeinsam mit Ehefrau Rosalynn das "Carter Center", das sich für die Einhaltung der Menschenrechte weltweit einsetzt. 2002 bekam Carter den Friedensnobelpreis.
Das "Carter Center" leitet inzwischen Carters Enkel. Und es bietet mittlerweile auch Programme an, die den US-Amerikanern das verloren gegangene Vertrauen in ihre eigene Demokratie zurückgeben sollen.
Dass einer seiner Nachfolger, Donald Trump, so erfolgreich die Lüge von der verlorenen Wahl verbreiten konnte, das hätte er nie für möglich gehalten, so Carter im PBS-Interview. "Es wird ja zurecht die große Lüge genannt. Und wie er damit durchkommt, ist schwer zu verstehen. Aber ich glaube, wir müssen die Zähne zusammenbeißen und auf eine Zeit hoffen, wenn sich das wieder ändert. Hoffentlich kommt das bald."
Carter: "Ich habe Hoffnung in das amerikanische Volk"
Fliegenfischen, Spazierengehen, Schwimmen: Diese Hobbys pflegte Carter bis ins sehr hohe Alter. Mit Mitte 90 überstand er erst eine Krebserkrankung und dann eine Hüftfraktur. Und er leitete die Bibelarbeit in seiner Baptisten-Kirche.
Ob er eher mit Sorge oder Hoffnung an die Zukunft seines Landes denke, wurde Carter 2021 gefragt. Seine Antwort: Er habe Vertrauen in die grundlegende Integrität der Amerikaner insgesamt. Und sein Land habe in der Vergangenheit schon größere Probleme gemeistert: "Und deshalb habe ich letztendlich Hoffnung in das amerikanische Volk."