Kanada-Reise endet in Arktis Papst entschuldigt sich erneut bei Inuit
Papst Franziskus sieht im Umgang mit den Ureinwohnern Kanadas an kirchlichen Internaten einen Völkermord. Er bat die indigene Bevölkerung zum Ende seiner Reise um Vergebung für die Gewalt und den Missbrauch, den Kinder dort erlitten hatten.
Papst Franziskus hat die jungen Ureinwohner im Norden Kanadas aufgefordert, ihre Tradition und ihr Land zu bewahren. Die Jungen seien die Zukunft in den Gebieten, sagte der 85 Jahre alte Argentinier im Küstenort Iqaluit. Das Oberhaupt der katholischen Kirche wurde in der Hauptstadt des nördlichen Territoriums Nunavut von Vertretern der Inuit mit traditionellem Kehlgesang empfangen.
Es reiche nicht aus, von dem zu leben, was andere bereits geschaffen hätten, so Papst Franziskus. Man müsse auch das für sich selbst erobern, was man als Geschenk empfangen habe, erklärte das katholische Kirchenoberhaupt. Die Welt, die die Menschen in diesen Gegenden bewohnten, sei der Reichtum, den sie geerbt hätten.
"Empörung und Scham"
Grund für den Besuch des Papstes in Kanada war die Bitte um Vergebung bei den Ureinwohnern Kanadas. In Iqaluit, wenige hundert Kilometer südlich des Polarkreises, richtete er sich vor allem an die Inuit. Über Jahrzehnte hinweg erfuhren Zehntausende Kinder der Ureinwohner Gewalt und Missbrauch in von der katholischen Kirche geführten Internaten.
"Auch heute, auch hier, möchte ich euch sagen, dass ich sehr traurig bin und um Vergebung bitten möchte", sagte Franziskus. Er wolle sich für das Böse entschuldigen, das von "nicht wenigen Katholiken" begangen wurde, die in diesen Schulen zu der Politik der kulturellen Assimilation und der Entrechtung beigetragen hätten.
Mehr als 4000 tote Kinder
Papst Franziskus traf frühere Heimbewohner und äußerte "Empörung und Scham" über den Umgang mit indigenen Kindern in der Vergangenheit. Er ging auf das "große Leid" der Kinder ein, die in katholische Internate gebracht worden seien, "um den Ureinwohner im Herzen des Kindes zu töten".
Zwischen Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1990er-Jahre des 20. Jahrhunderts hatte die kanadische Regierung etwa 150.000 indigene Kinder in Internate geschickt, die zum großen Teil von der katholischen Kirche betrieben wurden. Sie wurden von ihren Familien, ihrer Sprache und ihrer Kultur abgeschnitten. Viele von ihnen wurden körperlich und sexuell misshandelt.
Offiziell kamen mehr als 4000 Kinder ums Leben, nach Schätzungen dürften es mehr als 6000 gewesen sein.
Papst spricht von Genozid
Eine nationale Untersuchungskommission sprach von einem "kulturellen Völkermord". Die Entdeckung von 1300 anonymen Gräbern im vergangenen Jahr hatte eine Schockwelle ausgelöst.
Papst Franziskus äußerte sich ähnlich und nannte den Umgang mit den Ureinwohnern einen Völkermord. "Es ist wahr. Das ist ein Genozid", sagte er auf dem Rückflug von Kanada nach Rom.
"Pilgerfahrt der Buße"
Der Papst hatte seine am Sonntag begonnene Reise als "Pilgerfahrt der Buße" bezeichnet. Seine Bitten um Entschuldigung waren seit langer Zeit erwartet worden. Franziskus sprach in Kanada von "kultureller Zerstörung", "physischem, verbalem, psychologischem und geistigem Missbrauch".
Im Anschluss an den rund vierstündigen Besuch in Iqaluit brach Franziskus wieder Richtung Rom auf.
Papst plant künftig kürzere Reisen
Auf dem Rückflug nach Rom kündigte Papst Franziskus an, bei Reisen künftig kürzertreten zu wollen. Er könne nicht in demselben Reiserhythmus weitermachen wie zuvor, sagte er. Um der Kirche weiter dienen zu können, müsse er sich etwas mehr schonen.
Die sechstägige Reise nach Kanada sei ein kleiner Test gewesen mit der Erkenntnis, dass man Reisen in so einem Zustand eigentlich nicht machen könne. Er müsse "seine Kräfte ein wenig aufsparen" oder "andernfalls über die Möglichkeit nachdenken, beiseite zu treten".
Seit Anfang des Jahres hat Franziskus akute Knieprobleme. Seit Mai sitzt er bei öffentlichen Auftritten häufig im Rollstuhl. Auch während der aktuellen Reise war er darauf angewiesen.