Proteste an US-Unis Alles wie damals gegen den Vietnamkrieg?
Die Pro-Palästina-Proteste an US-Unis spitzen sich weiter zu. Viele sehen Parallelen zu den Vietnamkrieg-Protesten. Die Regierung steht unter Handlungsdruck, hat aber nur wenig Spielraum.
"Bewegt Euch, Polizisten, aus dem Weg!" Sprechchöre wie diese an der George Washington University sind an immer mehr Universitäten in den USA zu hören. Für die Universitätsleitungen ist es eine Gratwanderung: Vorwürfe, jüdische Studierende fühlten sich bedroht, setzen sie unter Handlungsdruck. Lassen sie die Protestcamps von der Polizei räumen, droht Eskalation.
Aus Regierungssicht ergibt sich ein ähnliches Dilemma. Präsident Joe Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre sagte, es gebe keinen Platz für Antisemitismus an Universitäten oder irgendwo anders und spricht von einem "schmerzlichen Moment für Amerika". Die freie Meinungsäußerung sei wichtig, aber sie müsse innerhalb gesetzlicher Grenzen ausgeübt werden.
Wie die Republikaner die Proteste nutzen wollen
Die Republikaner versuchen, die Lage für den Wahlkampf zu nutzen, werfen der Regierung vor, nach dem Chaos an der Grenze zu Mexiko auch noch tatenlos dem Chaos an den Universitäten zuzusehen. "Stoppt die Proteste jetzt!", postete Donald Trump in seinem Online-Netzwerk Truth Social.
Der republikanische Kongressabgeordnete Mike Waltz aus Florida nennt die Israel-Politik der Biden-Regierung bei Fox News schwach: "Diese Mehrdeutigkeit, dieses Wischiwaschi ist für die ganze Welt erkennbar." Während Außenminister Antony Blinken versuche, die Hamas zur Freilassung der Geiseln zu bewegen, sehe die Hamas die Studentenproteste hier. "Die Botschaft an die Hamas ist: Die Zeit arbeitet für sie."
Härte wie bei den Vietnam-Protesten?
Also mehr Härte zeigen, auch an den Universitäten? Nein, sagt der demokratische Senator Tim Kaine aus Virginia: "Die Nationalgarde auf die Universitätsgelände zu rufen - das würde sehr viele Leute daran erinnern, was während des Vietnam-Kriegs passierte. Und das ging nicht gut aus."
Tiefpunkt der Einsätze damals war, als an der Kent State University in Ohio 1970 bei einem Einsatz der Nationalgarde vier Studierende erschossen wurden.
Die Polizei geht mit Pfefferspray gegen pro-palästinensische Demonstranten in Austin, Texas, vor, die Polizeifahrzeuge daran hindern, die Universität zu verlassen.
Unterschiede zwischen Vietnam- und Gaza-Protesten
Die Frage, ob die Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg bereits mit den Protesten gegen den Vietnam-Krieg vergleichbar sind, wird in US-Medien immer öfter gestellt.
"Die Proteste selbst sind diesmal ziemlich moderat", sagt Angus Johnston, Professor an der City University in New York. Er betont im Fernsehsender PBS die Unterschiede. "Wir haben bisher nicht wie Ende der 1960er-Jahre wirkliche Krawalle gesehen, Steine, die auf Polizisten fliegen oder gar Gebäude, die wie damals in Brand gesteckt würden."
Was derzeit aber schon Öl ins Feuer gieße, seien Polizeieinsätze mit Massenfestnahmen von Studierenden und in einigen Fällen Schlagstockeinsätze gegen Dozentinnen und Dozenten.
Biden "kann nicht gewinnen"
Und Präsident Biden? Hat er Spielraum, seine Nahost-Politik zu ändern? Ein Problem hat er auf jeden Fall: Eine CNN-Umfrage ergab, dass 71 Prozent der Befragten mit Bidens Umgang mit dem Krieg zwischen Israel und der Hamas unzufrieden sind, nur 28 Prozent zufrieden.
Bidens Optionen seien sehr begrenzt, sagt Alex Thompson vom Nachrichtenportal Axios. "Es ist eine Situation, in der er wirklich nicht gewinnen kann." Wenn er jetzt deutlich mehr pro-palästinensisch agieren und der Forderung der Parteilinken nachkommen würde, sich vollkommen gegen Israel zu wenden, würde er eine ganze Reihe anderer Probleme mit der politischen Mitte des Landes bekommen. "Das Thema spaltet die demokratische Partei genau in zwei Hälften, es gibt keine einfache Antwort.“