Internationaler Appell an die Taliban Ministerinnen fordern Schulöffnung für Mädchen
Die Taliban hatten am Mittwoch ihre Zusage widerrufen, Mädchen den Zugang zur Sekundarschule zu ermöglichen. Die Außenministerinnen zahlreicher Länder sowie der EU-Außenbeauftragte fordern nun, die Entscheidung rückgängig zu machen.
Außenministerinnen aus 18 Staaten haben das Verbot des Schulbesuchs von Mädchen ab der siebten Klasse durch die Taliban scharf kritisiert. "Als Frauen und Außenministerinnen sind wir zutiefst enttäuscht und besorgt, dass Mädchen in Afghanistan in diesem Frühjahr der Zugang zu Sekundarschulen verwehrt bleibt", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die vom Auswärtigen Amt in Berlin verbreitet wurde. Auch der EU-Außenbeauftragte und das US-Außenministerium unterstützen den Appell.
Der Beginn eines neuen Schuljahres in Afghanistan sei in jedem Frühjahr mit Hoffnungen und Erwartungen begleitet, erklärten Ministerinnen. Mädchen bleibe der Unterrichtsbesuch allerdings weiter verwehrt. "Die Entscheidung der Taliban, den weiterführenden Unterricht bis auf Weiteres auszusetzen, ist vor allem deswegen beunruhigend, da wir wiederholt ihre Zusicherungen erhalten haben, alle Schulen für alle Kinder öffnen zu wollen", kritisierten die Außenministerinnen von Albanien, Andorra, Australien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Estland, Indonesien, Island, Kanada, Kosovo, Malawi, Mongolei, Neuseeland, Norwegen, Schweden, Tonga und des Vereinigten Königreichs.
Taliban halten sich nicht an Zusagen
Am Mittwoch hatte das Schuljahr in Afghanistan begonnen. Trotz anderslautender Zusagen kündigten die radikalislamischen Taliban an, den Zugang zum Unterricht für Mädchen ab der siebten Klasse auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Tausende Schülerinnen wurden an ihrem ersten Unterrichtstag seit August nach wenigen Stunden wieder nach Hause geschickt. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Taliban-Kreisen erfuhr, war die Entscheidung für die Schulschließungen nach einem Treffen hochrangiger Beamter am Dienstagabend in Kandahar getroffen worden. Die UN, die EU und zahlreiche Organisationen und Länder kritisierten die Entscheidung.
"Das Vorgehen der Taliban steht im Widerspruch zu ihren öffentlichen Zusicherungen gegenüber dem afghanischen Volk und der internationalen Gemeinschaft", kritisierten die Politikerinnen. Die Entscheidung müsse dringend rückgängig gemacht werden. Die Konsequenzen gingen "weit über den Schaden für afghanische Mädchen hinaus".
Unterstützung an Menschenrechte gebunden
Praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer diskriminierungsfreien Bildungspolitik müssten überwunden werden. Die Ministerinnen wollen demnach "aufmerksam verfolgen, wie die Taliban ihre Zusicherungen einhalten". Das Ausmaß des Engagements in Afghanistan über humanitäre Hilfe hinaus werde an "diesbezügliche Ergebnisse" geknüpft sein, heißt es in der Erklärung.
Zugang zu Bildung sei ein Menschenrecht, erklärten die Ministerinnen in ihrem gemeinsamen Appell. "Die unbestreitbaren Rechte und Chancen, die für - und von - Mädchen und Frauen in Afghanistan in den letzten Jahrzehnten erreicht worden sind, müssen bewahrt und ausgeweitet werden." Die Erklärung verwies zudem auf die Bedeutung von Frauen mit Bildung für eine Gesellschaft: "Kein Land kann es sich leisten, nicht das Potenzial und die Talente aller seiner Bürgerinnen und Bürger zu nutzen."
Kurswechsel nach Machtübernahme
Als die Islamisten im August vergangenen Jahres die Macht übernahmen, hatten sie offiziell wegen der Corona-Pandemie alle Schulen geschlossen. Zwei Monate später durften nur Jungen und einige jüngere Mädchen den Unterricht wieder aufnehmen. Der Kurswechsel der Taliban hatte für Entsetzen gesorgt, eine schlüssige Begründung lieferten die Islamisten nicht.