Ein Flugzeug der libanesischen Middle East Airline steht am Beirut-Raifc Hariri International Airport in Libanon.
reportage

Krieg im Nahost Im letzten Linienflug nach Beirut

Stand: 18.10.2024 11:28 Uhr

Fast alle internationalen Fluggesellschaften haben ihre Flüge nach Beirut eingestellt. Das Risiko, beim Landeanflug unter Beschuss zu geraten, ist ihnen zu groß. Nur eine Airline fliegt unbeeindruckt weiter. Von Martin Durm.

Zumindest gibt es kein Gedränge am Gate D15 im Terminal II. Das Boarding hat begonnen, um 10:15 Uhr ist planmäßiger Abflug. Ein Dutzend Passagiere packen beherzt ihre Sachen zusammen und zeigen ein letztes Mal ihre Bordkarten vor. "Gute Reise", sagt das Bodenpersonal am Frankfurter Flughafen, und es klingt ehrlich besorgt.

Wer fliegt heutzutage schon nach Beirut? Ein Libanese im Rollstuhl, ein junges Paar mit einem Kleinkind, zwei ältere Damen, hin und wieder auch mal Journalisten. Niemand redet, alle scrollen auf dem Handy die letzten Nachrichten durch. Kurz vor dem Start melden tagesschau.de und die BBC, Israel habe am frühen Morgen wieder die südlichen Vororte Beiruts bombardiert.  

Bomben über dem Flugfeld

Die südlichen Vororte der libanesischen Hauptstadt reichen fast bis zur Landebahn. So gesehen liegt der Flughafen Beirut dieser Tage alles andere als günstig. Die Schiiten-Viertel im Süden sind Hochburgen der Hisbollah, dicht besiedelt, ärmlich, die israelische Luftwaffe legte dort in den vergangenen Wochen ganze Wohnblocks in Schutt und Asche. Manchmal, heißt es, wehen die Rauchschwaden israelischer Bombardements auch über das Flugfeld.

Ein Flugzeug der libanesischen Middle East Airlines (MEA) hebt vom internationalen Flughafen Beirut-Rafic Hariri ab, während über Dahiyeh in den südlichen Vororten Beiruts Rauch aufsteigt.

Ein Flugzeug der libanesischen Middle East Airlines (MEA) hebt vom internationalen Flughafen Beirut-Rafic Hariri ab, während über Dahiyeh in den südlichen Vororten Beiruts Rauch aufsteigt.

Die libanesische Middle East Airline fliegt weiter

Der Start in Frankfurt verzögert sich um ein paar Minuten. Und als Passagier ertappt man sich kurz bei dem Gedanken, dass sich der Pilot gern noch etwas Zeit lassen darf, weil man dann eventuell noch aussteigen könnte. Zu spät, der Airbus 320 der Middle East Airlines nimmt Fahrt auf, hebt ab und durchbricht die herbstliche Frankfurter Wolkendecke. Drei Stunden 50 Minuten bis Beirut.   

Alle internationalen Fluggesellschaften haben in den zurückliegenden Wochen den Flugverkehr nach Beirut eingestellt. Das Risiko, beim Landeanflug unter Beschuss zu geraten oder zufällig Drohnen, israelischen Kampfjets, iranischen Raketen in die Quere zu kommen, war ihnen zu groß.

Nur die abgebrühten Piloten der staatlichen libanesische Middle East Airlines fliegen unbeeindruckt vom Kriegsgeschehen die üblichen Ziele an: Kairo, Paris oder Frankfurt, jeden Tag hin und zurück, egal was geschieht. 

Im Bordprogramm läuft "Mission Impossible"

Sechs Stewardessen sind an Bord und entschuldigen sich bei jedem einzelnen Passagier, weil es wegen der - wie sie es nennen - "special situation" nicht das übliche Catering gäbe, nur Käsebrötchen mit Mineralwasser. Dafür läuft im Bordprogramm "Mission Impossible" mit Tom Cruise.

Der A320 hat 180 Sitzplätze, das ist ziemlich viel Beinfreiheit für 12 Passagiere, die auf dem Weg sind nach Beirut. Die Maschine fliegt über den Balkan, dann über die Türkei und dreht vor der östlichen Mittelmeerküste nach Westen ein. 

"Gott steh uns bei"

Die Flüge raus aus Beirut nach Europa sind immer ausgebucht bei der Middle East Airlines. Es sind Evakuierungsflüge, mit denen seit September Tausende das Land verließen. Der Flughafen ist vor allem für Ausländer die einzige Exit-Option, wird er zerstört, sitzen sie fest. Niemand weiß, wie lange er offen bleibt und funktionsfähig.

Im letzten Libanonkrieg 2006 haben die Israelis den Flughafen gleich am ersten Tag bombardiert. Diesmal scheinen die USA massiven Druck auszuüben, dass sich das nicht wiederholt. Aber der Kriegsverlauf hat in den vergangenen Woche bewiesen, dass es Israels Regierungschef Netanyahu nicht weiter kümmert, wenn die Amerikaner Zurückhaltung von ihm verlangen. "God be with us", sagt eine der Stewardessen beim Landeanflug auf Beirut, "Gott steh uns bei". Und dann: "Fasten your seatbelts."