Israel und Gazastreifen Ein Monat Gewalt und Verzweiflung
Heute vor einem Monat attackierten Terroristen aus dem Gazastreifen Israel und starteten damit einen Krieg in Nahost. Seitdem sind Tausende Menschen gestorben, Millionen geflüchtet - und ein Ende ist nicht in Sicht.
Genau einen Monat ist der Terrorangriff der Hamas auf Israel nun schon her. Seit einem Monat trauert Israel um die 1.400 Toten des Überfalls. Die Angehörigen bangen weiter um die verschleppten Geiseln.
Immer noch gibt es eine Viertelmillion Geflüchteter in Israel. Sie haben das Gebiet rund um den Gazastreifen verlassen - so wie viele Ortschaften im Norden, an der Grenze zum Libanon. Denn auch dort wird geschossen, auch dort sterben weiterhin Menschen.
Mehr als 10.000 Getötete im Gazastreifen
Seit einem Monat läuft auch der Krieg im Gazastreifen. Israels Armee sagt, sie habe seitdem rund 12.500 "militärische Ziele" angegriffen. Dabei sind inzwischen mehr als 10.000 Menschen getötet worden, darunter über zwei Drittel Frauen und Minderjährige. Das berichten die Vereinten Nationen unter Berufung auf Zahlen der Hamas.
Mehr als 45 Prozent der Gebäude im Gazastreifen sind demnach zerstört oder schwer beschädigt. Mehr als 1,5 Millionen Menschen sind innerhalb des Gazastreifens zu Binnenvertriebenen geworden. Auch im Süden, in den Hunderttausende geflohen sind, gibt es keine Sicherheit, denn auch dort greift Israel Ziele an.
Und die humanitäre Lage wird immer prekärer, auch weil zu wenig Hilfslieferungen in den Gazastreifen kommen: 33 Lkw waren es pro Tag im Durchschnitt, berichtet der Palästinensische Rote Halbmond - laut den Vereinten Nationen müssten es mindestens 100 Lkw am Tag mit Nahrungsmitteln, Wasser und medizinischem Material sein. Auch Treibstoff wird weiter dringend benötigt, etwa zum Betrieb der Krankenhäuser.
Najla Shawa, eine Mitarbeiterin der Hilfsorganisation Oxfam berichtet von der Situation, die sie im Süden des Gazastreifens erlebt: Demnach gehe in Nusseirat und Deir Al Bala das Essen aus. Es gebe nichts außer Reis, auch die Nudeln gingen zur Neige.
Weiter Beschuss auf Israel
Und trotz der massiven Schläge der israelischen Armee: Immer noch werden Raketen auf Israel aus dem Gazastreifen und im Norden abgefeuert - mehr als 9.000 bisher. Rund 8.500 Mal gab es seit Kriegsbeginn Raketenalarm, in insgesamt 570 Ortschaften. Es hat das Sicherheitsgefühl vieler Israelis nachhaltig erschüttert. Auch in diesen Tagen geht dies weiter - während die Bodenoffensive ausgeweitet wird und in Gaza-Stadt, dem größten Ballungsgebiet des Küstenstreifens, der Häuserkampf läuft.
Ohad Hemo, ein Analyst, der für den israelischen Fernsehsender Channel 12 arbeitet, hat Zweifel an den Erfolgsmeldungen der israelischen Streitkräfte im Krieg gegen die Hamas: "Ich habe keine Anzeichen dafür gesehen, dass die Hamas bereits zerbricht. Wir müssen unterscheiden zwischen dem zivilen Gazastreifen, wo wir einen Punkt erreicht haben, an dem wir noch nie waren, und der militärischen Hamas. Die Palästinenser berichten von bisher 10.000 Toten. Aber Anzeichen dafür, dass sich die Hamas in einer Krise befindet, sind nicht erkennbar."
Netanyahu unter Druck
Auch nach einem Monat heißt es von Seiten der israelischen Politik und der militärischen Führung: Dieser Krieg werde lange dauern, Monate. Und die Überlegungen über die Zeit danach sind noch nicht besonders konkret.
Israels Premier Benjamin Netanyahu steht unter wachsendem Druck - es läuft eine Diskussion über seine persönliche Verantwortung an dem Überfall der Hamas. Kritiker sagen, seine in Teilen rechtsextreme Regierung habe in den vergangenen Monaten die falschen Prioritäten gesetzt, etwa auf den Umbau des Rechtsstaats und den Ausbau der Siedlungen im besetzten Westjordanland.
Auch deshalb hat Netanyahu nun in einem Interview mit dem US-Fernsehsender ABC erstmals von einer Langzeitperspektive für Gaza gesprochen: "Ich denke, dass Israel für eine unbestimmte Zeit weiterhin die gesamte Sicherheitsverantwortung haben wird. Denn wir haben gesehen, was passiert, wenn wir die nicht haben. Dann erleben wir eine Explosion der Hamas auf einem Niveau, das wir uns nicht vorstellen konnten."
Rolle für die Palästinensische Autonomiebehörde?
Unklar ist, was die israelische Sicherheitsverantwortung für den Gazastreifen bedeuten wird - und wie es dort politisch weitergeht. Die USA haben eine mögliche Rolle für die Palästinensische Autonomiebehörde unter Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die Teile des Westjordanlandes kontrolliert, ins Spiel gebracht.
Doch angesichts des derzeitigen Zustands der Autonomiebehörde erscheint das vielen nicht realistisch: Vermutlich müsste diese zunächst grundlegend erneuert und vor allem demokratisch legitimiert werden.
Und vor all dem muss Israel den Krieg gewinnen, gegen eine Terrororganisation in dicht besiedeltem Gebiet. In der Hoffnung, dass es nicht auch noch im Norden mit der Hisbollah, die den Süden des Libanon kontrolliert, zur großen Eskalation kommt.