Hisbollah-Chef zu Krieg in Nahost "Alle Optionen sind auf dem Tisch"
In seiner ersten Rede seit Kriegsbeginn hat Hisbollah-Chef Nasrallah den Hamas-Angriff auf Israel gelobt - und betont, dieser sei rein palästinensisch geplant gewesen. Er drohte auch mit einer Eskalation an der libanesischen Grenze.
Erstmals seit Kriegsbeginn im Nahen Osten hat sich Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah in einer Rede an die Öffentlichkeit gewandt. Darin drohte er mit einer noch größeren Beteiligung seiner libanesischen Miliz am Krieg. "Alle Optionen sind auf dem Tisch", sagte er. "Alle Möglichkeiten an unseren libanesischen Fronten sind in Reichweite."
Eine mögliche Eskalation hänge vom Verlauf des Kriegs im Gazastreifen ab, aber auch von Israels Verhalten gegenüber dem Libanon. Die Interessen und Soldaten der USA - der wichtigste Verbündete Israels - würden im Fall eines regionalen Kriegs Opfer und größte Verlierer solch einer Eskalation sein, so Nasrallah.
Die Gefechte zwischen der Hisbollah-Miliz und dem israelischen Militär hätten Einfluss, sagte er. Es sei eine "realistische Möglichkeit", dass sich die "libanesische Front in eine große Schlacht" verwandele. "Manche mögen das, was an unserer Front passiert, als gemäßigt empfinden, aber wir werden uns nicht damit zufrieden geben."
Angriff "zu hundert Prozent palästinensisch" geplant
Die radikal-islamische Hisbollah-Miliz wird vom Iran unterstützt und operiert vom Libanon aus gegen Israel. Konkret mit einem großflächigen Angriff auf Israel drohte Nasrallah nicht. International hatte es Befürchtungen gegeben, dass die Lage weiter eskalieren könnte, sollte er in seiner Rede zu einer schärferen Gangart gegenüber Israel aufrufen.
Nasrallah lobte und rechtfertigte in seiner Videobotschaft den Terrorangriff der militant-islamistischen Hamas auf Israel ausdrücklich. Die Entscheidung für den Einsatz am 7. Oktober sei "weise, mutig und zur richtigen Zeit" gekommen, sagte er. Der Angriff habe eine "neue historische Phase des Konflikts" eingeläutet.
Die "Operation Al-Aksa-Flut" sei "zu hundert Prozent palästinensisch" geplant gewesen, betonte Nasrallah. Die Pläne seien vor der "Achse des Widerstands" geheimgehalten worden. "Die Tatsache, dass niemand davon wusste, beweist, dass diese Schlacht ausschließlich palästinensischer Natur ist." Bei dem Angriff fielen Terroristen der Hamas in den Süden Israels ein, töteten dort mehr als 1.400 Menschen und verschleppten rund 240 Menschen in den Gazastreifen.
"USA sind die Hauptverantwortlichen"
Den Vereinigten Staaten warf Nasrallah vor, die alleinige Verantwortung für den Krieg zu tragen. Israel sei nur ein "ausführendes Instrument". "Die USA sind die Hauptverantwortlichen für alle Massaker, von Hiroshima über Vietnam bis Afghanistan", sagte er. "Sie müssen den Preis für ihre Aggression zahlen."
Im Gazastreifen verfolge Israel Ziele, die es nicht erreichen könne, so der Hisbollah-Chef weiter. Das sei einer der größten Fehler, die Israel derzeit begehe. "Der Sieg Gazas heute liegt auch im nationalen Interesse Ägyptens, Jordaniens und Syriens", so Nasrallah. Vor allem liege er "im nationalen Interesse des Libanon".
Ein Versuch, die Iran-Connection abzuschwächen?
Nach Einschätzung des Direktors des GIGA-Instituts für Nahost-Studien, Eckart Woertz, waren Nasrallahs Worte keine Kriegserklärung. "Er war sehr darum bemüht, sich als Teil einer regionalen Widerstandsbewegung zu porträtieren", sagte der Wissenschaftler im Interview mit tagesschau24. Nasrallah habe deshalb den militärischen Beitrag der Hisbollah in diesem Zusammenhang hervorgehoben. Goertz verwies auf die Artilleriegefechte und Scharmützel, die in den vergangenen Wochen zwischen Israels Armee und der Miliz stattgefunden hatten. "Nasrallah hat auch dargestellt, dass diese Aktivitäten Kapazitäten von Israel von Gaza weggezogen haben."
Der Hisbollah-Generalsekretär habe betont, dass die Hamas nicht als Kraft der Muslimbruderschaft oder des Irans gesehen werden sollte, sondern als Teil einer regionalen Widerstandsachse. Aus der Sicht Nasrallahs seien die Erfolge dieser Widerstandsachse in Gaza auch Erfolge für den Libanon, für Jordanien und für Ägypten. Eine totale Eskalation wollte der Hisbollah-Generalsekretär aber nicht, so der Nahost-Experte. Deshalb habe dieser in seiner Rede auch gesagt, dass die Überfälle der Hamas-Terroristen am 7. Oktober reine Hamas-Aktivitäten gewesen seien. "Das kann man auch so lesen, dass er versucht hat, die Iran-Connection etwas abzuschwächen."
Immer wieder heftige Gefechte an Grenze
Seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas kommt es auch an der libanesisch-israelischen Grenze zu heftigen Gefechten. Auf beiden Seiten gab es bereits Todesopfer. Auch vor der Rede Nasrallahs wurde erneut gegenseitiger Beschuss gemeldet. Nach dem Abschuss einer Panzerabwehrrakete auf einen israelischen Militärposten habe die Armee den Abschussort im Libanon mit Artilleriefeuer beschossen, teilte das Militär mit. Bereits in der Nacht sei eine "Terrorzelle" angegriffen worden. Die Hisbollah bestätigte den Angriff auf den israelischen Militärposten.
Die libanesische Miliz gilt als wichtigster nichtstaatlicher Verbündeter des Iran und als deutlich mächtiger und einflussreicher als die Hamas. Sie zählt auch zur sogenannten "Widerstandsachse" - eine Front von Milizen, deren Ziel es ist, Irans Erzfeind Israel zu bekämpfen.