Nach Erdbeben in der Türkei und Syrien "Es fehlt an allem"
Trinkwasser, Unterkünfte, provisorische Heizungen: Mehr als einen Monat nach den schweren Beben im türkisch-syrischen Grenzgebiet mangelt es weiter an lebenswichtigen Gütern. Die Suche nach Vermissten dauert an.
Fast fünf Wochen nach den schweren Erdbeben im syrisch-türkischen Grenzgebiet fehlt es laut der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Luise Amtsberg, "an allem, was für das konkrete Überleben gebraucht wird". Das betreffe sowohl den Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen als auch Unterbringungen jenseits von Zelten, so Amtsberg im Anschluss an eine Reise in die betroffene Region. Sie forderte ein abgestimmtes Vorgehen der Bundesregierung.
Hilfe sei auch im Bereich Bildung und psychosozialer Unterstützung - für Überlebende wie Helferinnen und Helfer - nötig. Allein in der türkischen Stadt Antakya seien 85 Prozent der Häuser zerstört oder unbewohnbar, sagte die Grünen-Politikerin. Die Lage vor Ort zeige, dass neben der weiterhin "zwingend erforderlichen Nothilfe" auch die mittel- und langfristige Unterstützung mitgedacht werden müsse.
Am 6. Februar hatten zwei Beben der Stärke 7,7 und 7,6 die Südosttürkei und den Nordwesten Syriens erschüttert. Es folgten etliche Nachbeben. Insgesamt wurden bisher mehr als 50.000 Todesopfer gemeldet.
Trinkwasser und Heizgeräte benötigt
Auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen wies auf den ihrer Ansicht nach weiter sehr hohen Hilfsbedarf in der Erdbebenregion hin. "Viele Vertriebene haben immer noch keine Unterkunft, kein sauberes Wasser und keinen Zugang zu lebensnotwendigen Gütern", sagte der Projektkoordinator für das syrische Idlib, Ahmed Rahmo.
Die Hilfsgüter, die in die Region gelangten, seien noch immer begrenzt. "Es besteht nach wie vor ein enormer Bedarf an Unterkünften, Trinkwasser, Waschgelegenheiten oder Heizgeräten", so Rahmo. Das Material, insbesondere für chirurgische Eingriffe, werde immer knapper.
Amtsberg: Grenzübergänge offen lassen
Laut der türkischen Regierung wurden bei den Erdbeben 230.000 Gebäude zerstört oder unnutzbar. 1,5 Millionen Menschen in der Türkei lebten in Zelten, drei Millionen seien evakuiert worden. Laut der Nichtregierungsorganisation Ärzte ohne Grenzen kämen im Nordwesten des Bürgerkriegslands Syrien zu den 2,8 Millionen Vertriebenen infolge des Krieges 180.000 weitere infolge der Erdbeben hinzu.
"Die Situation in Nordwestsyrien war aus humanitärer Sicht auch vor dem Erdbeben schon katastrophal", sagte die Menschenrechtsbeauftragte Amtsberg. Sie forderte, die Phase der zusätzlichen Grenzöffnungen in Syrien zu nutzen - und auf Dauer zu stellen.
Verwechslungen bei Beisetzungen
Aus der Türkei werden zeitgleich Probleme bei der Identifikation von Todesopfern des Erdbebens gemeldet. Noch vergangene Woche habe man 2500 Leichen nicht zuordnen können, sagte Ahmet Hilal vom Verein der Gerichtsmediziner im türkischen Sender NTV. Auch habe es Verwechslungen bei den Beisetzungen gegeben. Neben den vielen Unidentifizierten würden weiterhin viele Menschen vermisst.
Die größte Oppositionspartei CHP hatte im türkischen Parlament eine Untersuchung zu Vermissten und unbegleiteten Kindern gefordert. Der Antrag wurde laut der Nachrichtenagentur Anka allerdings von der regierenden AKP und ihrem Partner, der ultranationalistischen MHP, abgelehnt. Der Abgeordnete Ali Haydar Hakverdi von der CHP warf dem Staat in dem Zusammenhang vor, verantwortlich für voreilige Aufräumarbeiten und achtloses Vorgehen mit Baggern in den Trümmern zu sein.