Arbeiter im Schutzanzug vor dem Tor eines abgesperrten Viertels.

Fünf Jahre Covid Keine Aufklärung und keine Aufarbeitung in China

Stand: 11.01.2025 08:04 Uhr

Auch fünf Jahre nach dem Ausbruch von Covid gibt es in China keine Aufarbeitung der eigenen Pandemie-Politik. Die Regierung will das Thema vergessen machen - und kaum jemand möchte darüber sprechen.

Um den Jahreswechsel vor fünf Jahren verbreiteten sich die ersten Meldungen über eine mysteriöse Lungenkrankheit aus Wuhan in der chinesischen Provinz Hubei. Am 11. Januar meldeten die chinesischen Behörden dann den ersten Todesfall.

Kaum jemand ahnte zu Beginn, was aus der unbekannten Lungenkrankheit werden würde: eine Pandemie, die die ganze Welt Jahre lang beschäftigen würde, ausgelöst durch ein neuartiges Corona-Virus, dem die WHO später den Namen SARS-CoV 2 gab, dem Auslöser der Covid-19-Krankheit.

Ursprungsort weiter unbekannt

Bis ist heute ist ungeklärt, wo das Virus herkam. Gerüchte und Verschwörungstheorien gibt es viele. Eine Theorie lautet, es sei aus einem chinesischen Labor ausgebrochen oder gar absichtlich verbreitet worden.

Der Infektionsforscher Fabian Leendertz von der Universität Greifswald hält die Labor-These für unwahrscheinlich. Es gebe mittlerweile viele Untersuchungen, die auf einen natürlichen Ursprung auf einem Fisch- und Wildtiermarkt in Wuhan hindeuteten, sagte er im ARD-Podcast Welt.Macht.China.

Tupferproben, die an verschiedenen Ständen des Marktes genommen worden seien, zeigten beispielsweise, dass das Virus dort sehr viel früher vorhanden gewesen sei als anderswo. Außerdem seien auf dem Markt die "klassischen verdächtigen sogenannten Zwischenwirte" gehandelt worden, wie Marderhunde und andere Fleischfresser. Das seien beides gute Hinweise auf den Markt als Ursprungsort, so Leendertz.

China hat Untersuchung abgelehnt

Die chinesischen Behörden haben eine transparente und unabhängige Untersuchung durch internationale Experten nie zugelassen, was Verschwörungstheorien bis heute anheizt. In den USA hat Anfang Dezember 2024 ein von Republikanern geleitetes Parlamentskomitee einen Bericht veröffentlicht, der zu dem Schluss kam, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan kam.

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Lin Jian verurteilte den Report auf einer Pressekonferenz am 3. Dezember. Und dann drehte er den Spieß um: Die USA sollten doch erstmal selbst ihre Daten der ersten Fälle zur Verfügung stellen, an die Weltgesundheitsorganisation weitergeben und die Situation in Fort Detrick offenlegen und eine verantwortungsvolle Erklärung liefern.

Fort Detrick ist eine Militärbasis im US-Bundesstaat Maryland. Chinesische Propagandisten haben immer wieder Verschwörungstheorien verbreitet, wonach das Virus von dort aus einem Labor stammen soll. In China, wo es keine unabhängigen Medien gibt, glauben das viele.

"Chinas Führung hat alles richtig gemacht"

Viele glauben auch, dass Chinas Führung alles richtig gemacht hat im Umgang mit der Pandemie. Im Vergleich zum Ausland sei die Situation in China wegen der strengen Kontrolle besser gewesen, so ein 33-jähriger Pekinger.

Seinen Namen will er nicht nennen. China habe das gut gemacht: "Die Zahl der Covid-Fälle hier war deswegen nicht so hoch, und das Virus hat sich nicht so schnell weiterverbreitet wie im Ausland."

Nach dem Ausbruch in Wuhan Ende 2019 versuchten die Behörden zunächst die Fälle zu vertuschen. Anschließend folgte ein harter Lockdown. Die Millionenstadt wurde komplett abgeriegelt, bis das Virus unter Kontrolle war.

Und dann folgten fast drei Jahre strikte Null-Covid-Politik im ganzen Land: mit weitgehend geschlossenen Grenzen, strengen Quarantäne- und Isolationsregeln, Massentests, Kontaktnachverfolgung und Lockdowns von weiteren Millionenstädten.

Zu Beginn der Pandemie habe "Null Covid" durchaus Sinn ergeben, sagt der Pandemie-Experte Jin Dong-Yan von der Uni Hongkong: als das Virus noch sehr tödlich war, als es noch keine Impfstoffe gab. Die strenge Politik habe den durch das Virus verursachten Schaden eingegrenzt. "In der ersten Phase der Pandemie konnten so Leben gerettet werden", so der Professor.

Chinas Wirtschaft seit der Pandemie in der Krise

Später sei "Null Covid" aber völlig falsch gewesen, und China habe zu lange daran festgehalten. Am Ende habe die strenge Covid-Politik enormen Schaden angerichtet - an der Wirtschaft, am gesellschaftlichen Leben und in vielen anderen Bereichen. "Einige der Nebenwirkungen sind bis heute spürbar", so Jin.

Zwar sagt er es nicht direkt, aber Chinas Wirtschaft steckt seit dem Ende der Pandemie tief in der Krise. Die Kommunen sind überschuldet, weil sie Unsummen an Geld für Massentests und Zwangsisolierungen ausgeben mussten. Es ist Geld, das heute vielerorts fehlt.

Spätestens als das Virus zur hochansteckenden Omikron-Variante mutierte, hätte man sich auf die Öffnung vorbereiten müssen, meint der Professor. Doch das geschah nicht. Chinas Führung hatte keine Ausstiegs-Strategie, hat keine Medikamente wie Paxlovid angeschafft, auch nicht genügend fiebersenkende Medikamente, keine Schnelltests - und das Gesundheitssystem war nicht darauf vorbereitet.

Junge statt Alte geimpft

Außerdem habe Chinas Führung falsch impfen lassen, so Jin: "Sie haben die älteren Menschen in der Anfangsphase nicht geimpft, was grundsätzlich auf einem falschen Konzept beruht."

Es wurde zwar viel geimpft gegen Covid in China, aber anders als in der restlichen Welt vor allem junge Leute. Die Idee dahinter: Diese sollten weiter zur Arbeit gehen und die Wirtschaft am Laufen halten. Die alten Leute blieben ohnehin meist zu Hause, so die Annahme.

Doch die Rechnung ging nicht auf. "Im sehr späten Stadium der Pandemie, waren viele immer noch nicht geimpft", so der Experte. Es sei ein Problem gewesen, dass sich ältere Menschen Sorgen gemacht hätten wegen der Impfung. Tatsächlich waren viele Rentnerinnen und Rentner in China verunsichert und der Meinung, die Impfung sei nichts für sie, schließlich wären sie sonst doch am Anfang geimpft worden.

Das wurde vielen zum Verhängnis. Als das Virus Ende 2022 nach knapp drei Jahren Null-Covid außer Kontrolle geriet, war China nicht darauf vorbereitet. Schätzungsweise eineinhalb Millionen Menschen starben innerhalb kürzester Zeit, die meisten von ihnen ältere Menschen.

In China will heute kaum jemand darüber sprechen, die Regierung will das Thema Covid vergessen machen. Experten trauen sich nicht mit ausländischen Medien zu sprechen. Die staatlich kontrollierten chinesischen Medien schweigen. Es findet keine Aufarbeitung statt in China, fünf Jahre nach dem Ausbruch von Covid-19.