Tote in Gaza Was passierte bei der Verteilung von Hilfsgütern?
Tote und Verletzte bei der Verteilung von Hilfsgütern in Gaza - das scheint gesichert. Über die genauen Umstände herrscht allerdings Unklarheit. Wie beschreiben die Hamas und Israel die Ereignisse? Ein Überblick.
Was ist passiert?
Gesichert ist, dass mehrere Lastwagen am Donnerstag Hilfsgüter für die notleidende Bevölkerung in die Stadt Gaza im Norden des Gazastreifens gebracht haben. Zahlreiche Menschen strömten auf die Lastwagen zu. In diesem Umfeld kam es zu einer Tragödie mit Toten und Verletzten.
Das von der Terrororganisation Hamas geleitete Gesundheitsministerium spricht von mehr als 100 Toten und mehreren hundert Verletzten. Diese Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Was sagen Hamas und die palästinensische Seite zur Ursache?
Die Hamas nennt den Vorfall ein "Massaker". Sie wirft der israelischen Armee vor, gezielt auf die wartenden Menschen geschossen zu haben. Sie beruft sich dabei auch auf Augenzeugenberichte.
Der palästinensische UN-Botschafter, Riad Mansur, sagte: "Den uns vorliegenden Informationen zufolge, haben Dutzende Menschen Kugeln im Kopf. Es ist nicht so, als würde man in den Himmel schießen, um Menschen zurückzuhalten, wenn Verwirrung und Chaos herrschten. Es wurde absichtlich gezielt und getötet."
Was sagt Israel zu den Vorwürfen?
Nach Angaben der israelischen Armee kam es bei der Ankunft des Hilfskonvois zu einem "chaotischen Gedränge". "Einige fingen an, andere gewaltsam zu schubsen und zu Tode zu trampeln und plünderten die humanitären Hilfsgüter", sagte Armeesprecher Daniel Hagari.
Ein anderer Sprecher, Peter Lerner, sagte dem Fernsehsender CNN, nach ersten Erkenntnissen habe sich kurze Zeit später eine Gruppe von Menschen israelischen Soldaten genähert. Das Militär habe daraufhin Warnschüsse in die Luft abgegeben.
Die Gruppe habe sich den Soldaten jedoch weiter genähert und eine Bedrohung dargestellt, woraufhin die Soldaten das Feuer eröffnet hätten. Laut israelischen Medienberichten sollen sie auf die Beine gezielt haben. Eine Handvoll Menschen sei bei dem Vorfall verletzt worden, sagte Lerner.
Nach Angaben des Militärs hätten einige Lkw-Fahrer zudem im Gedränge ihre Fahrzeuge in Bewegung gesetzt, was ebenfalls zu Toten und Verletzten geführt habe.
Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?
International hat der tödliche Vorfall Entsetzen ausgelöst. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte die Ereignisse: "Wir wissen nicht genau, was geschehen ist", ließ er über seinen Sprecher Stéphane Dujarric verlauten. "Aber ob diese Menschen nun durch israelische Schüsse getötet wurden, ob sie von der Menge erdrückt oder von Lastwagen umgefahren wurden, es handelt sich um Akte der Gewalt, die in gewisser Weise mit diesem Konflikt in Verbindung stehen."
Entsetzt zeigte sich EU-Außenbeauftragter Josep Borrell: "Ich bin entsetzt über die Nachricht von einem weiteren Blutbad unter der Zivilbevölkerung in Gaza, die verzweifelt auf humanitäre Hilfe wartet", schrieb er auf X. Diese Todesfälle seien "völlig inakzeptabel". Den Menschen die Nahrungsmittelhilfe vorzuenthalten, sei ein schwerer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Eine ausdrückliche Schuldzuweisung nahm Borrell in dem Beitrag nicht vor.
Deutlicher wurde Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der israelische Soldaten direkt verurteilte: "Ich bin zutiefst empört über die Bilder aus dem Gazastreifen, wo Zivilisten von israelischen Soldaten angegriffen wurden. Ich verurteile diese Schießereien aufs Schärfste und fordere Wahrheit, Gerechtigkeit und die Einhaltung des internationalen Rechts", schrieb er auf X.
Deutliche Schuldzuweisungen kamen auch von mehreren arabischen Ländern, die Israel vorwarfen, gezielt Zivilisten ins Visier genommen zu haben. Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien verlangten mehr sichere Durchfahrten für humanitäre Hilfen und stärkeren Druck der internationalen Gemeinschaft, damit Israel sich an internationales Recht hält.
Vielfach wurde zudem eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse sowie ein sofortiger Waffenstillstand gefordert. Der UN-Sicherheitsrat befasste sich noch am Donnerstagabend in geschlossener Sondersitzung mit dem Vorfall.