Ismail Hanija bei einer Ansprache in Gaza-Stadt im Jahr 2009
Porträt

Getöteter Hamas-Führer Wer war Ismail Hanija?

Stand: 31.07.2024 20:19 Uhr

Einst war er der erste gewählte Premier der Palästinensischen Gebiete, dann etablierte Hanija in Gaza eine totalitäre Herrschaft und baute die engen Beziehungen der Hamas zu Israels Erzfeind, dem Iran, auf.

Im Frühjahr 2006 stand er auf dem Höhepunkt seiner Macht: Nach den ersten und einzigen Wahlen in den Palästinensischen Gebieten hatte die Hamas den Wahlsieg errungen. Es war zwar nur eine knappe Mehrheit, aber genug, um Ismail Hanija zum Premierminister der Palästinensergebiete zu machen.

Israel hatte zuvor unter dem damaligen Premier Ariel Sharon die Armee aus dem Gazastreifen abgezogen und israelische Siedlungen zerstören lassen.

Aufbau totalitärer Herrschaft

2007 dann verdrängte der palästinensische Ableger der Muslimbruderschaft, die Hamas, die säkulare Partei Fatah aus dem Küstenstreifen, übernahm alle amtlichen Einrichtungen der Palästinensischen Autonomiebehörde und baute in Gaza unter Hanijas Anleitung zielgerichtet eine totalitäre Herrschaft auf.

Widerspruch oder gar ziviler Widerstand wurden gnadenlos verfolgt. In den Verhörkellern der Hamas wurden Missliebige gefoltert, mitunter auch öffentlich exekutiert.

Beziehungen zum Iran

Es war Hanija, der frühzeitig Kontakt zum schiitischen Mullah-Regime in Teheran aufnahm und damit einen immer engeren Pakt mit dem eingeschworenen Erbfeind Israels einging. Er suchte den geopolitischen Schutzschirm des Iran - und die dauerhafte logistische Unterstützung bei der Finanzierung von Waffen und Munition.

Im Februar 2012 etwa empfingen das geistige Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Khamenei und der damalige Staatspräsident Mahmoud Ahmadinedschad Hanija bei einem seiner ersten großen Auftritte in Teheran mit einem überbordenden Protokoll.

Hamas-interner Machtkampf

Hanija geriet im internen Machtkampf mit Jihia al-Sinwar, dem späteren Hauptverantwortlichen für das durch die Hamas verübte Massaker vom 7. Oktober 2023, ins Hintertreffen. Er verließ 2017 den Gazastreifen, um als neuer Chef des sogenannten Politbüros der Hamas nach Doha zu wechseln.

Das katarische Herrscherhaus, seit längerer Zeit bereits finanzieller Förderer des von der Hamas kontrollierten Gazastreifens, hatte sich zuvor bei den USA sowie Israel erkundigt, ob es Hanija aufnehmen sollte.

In seiner Feindschaft gegenüber Israel passte zwischen Hanija und al-Sinwar kein Blatt. Den Terrorüberfall vom 7. Oktober pries der im Exil lebende Hamas-Politbürochef als "Öffnung der Tür für die Gründung eines palästinensischen Staates". Der verheerende Angriff habe "die palästinensische Frage auf eine noch nie da gewesene Ebene gehoben".

Auf die eigene Bevölkerung, die in den von der Hamas ausgelösten Kriegen von 2008 bis 2009, 2012, 2014 und 2021 schon gelitten hatte, nahm Hanija auch nach dem Oktober 2023 nicht die geringste Rücksicht.

Gefördert vom Hamas-Gründer

Ismail Hanija war ein Sohn einer Flüchtlingsfamilie aus dem Dorf Al Jura bei Ashkelon. Während des Studiums in den 1980er-Jahren an der Islamischen Universität in Gaza-Stadt begann er, politisch aktiv zu werden. Er wurde von israelischen Sicherheitskräften damals, während der Ersten Intifada, dem ersten Palästinenser-Aufstand Ende der 1980er-Jahre, mehrfach verhaftet.

Der breitschultrige, große Mann schloss sich der kurz zuvor gegründeten Hamas an. 1992 wurde er von Israel in den Libanon deportiert. Dort nahm ihn der Hamas-Gründer Scheich Ahmed Yassin unter seine Fittiche. Yassin, der aus demselben Dorf wie Hanijas Eltern stammte, blieb dessen Förderer.

Nachdem Yassin bei einem Luftangriff der israelischen Streitkräfte 2004 getötet worden war, stieg der damals 42-jährige Hanija in der Hierarchie der Hamas nach ganz oben.