Nach Hamas-Angriff Israels Armee bereitet mögliche Bodenoffensive vor
Die Vorbereitungen für ein Bodenangriff Israels im Gazastreifen laufen. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, heißt es vom Militär. Für die Zivilbevölkerung dort wird die Lage immer prekärer.
Israels Armee bereitet sich nach Angaben eines Militärsprechers auf eine mögliche Bodenoffensive im Gazastreifen vor. "Wir bereiten uns auf einen Bodenangriff vor, falls dieses von der politischen Führung entschieden wird", sagte Armeesprecher Richard Hecht. Eine solche Entscheidung sei noch nicht gefallen.
Israels Armee hat etwa 300.000 Reservisten für einen Krieg mit der im Gazastreifen herrschenden Terrormiliz Hamas mobilisiert. Militante Palästinenser im Gazastreifen haben nach Armeeangaben bisher rund 5.000 Raketen auf israelische Ortschaften abgefeuert.
Viele Tote auf beiden Seiten
Der Krieg zwischen der Hamas und Israel geht nun in den sechsten Tag. Seit Beginn am Samstag wurden 1.300 israelische Zivilisten, Sicherheitskräfte und Soldaten getötet, berichteten israelische Medien. Mehr als 3.300 wurden verletzt, zwischen 100 und 150 nach offiziellen Angaben in den Gazastreifen entführt.
Die Zahl der bei Luftangriffen Israels im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist auf mindestens 1.354 gestiegen. Mehr als 6.000 weitere Menschen seien verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza mit.
Israel zielt auf Hamas-Spitze
Nach Angaben von Armeesprecher Hecht will Israel mit Angriffen im Gazastreifen die gesamte Führungsspitze der Hamas ausschalten. Dies schließe nicht nur die militärische, sondern auch die politische Führung der Hamas ein. "Wir konzentrieren uns darauf, die ranghohe Führung auszuschalten, bis zu (Hamas-Chef Jihia) al-Sinwar", sagte Hecht. Nach israelischen Informationen habe auch die politische Führung von den Anschlagsplänen gewusst.
Man bemühe sich auch um die Identifikation aller bei den Tötungen und Entführungen in Israel beteiligten Terroristen. Dabei nannte er das Beispiel der 22-jährigen deutschen Staatsbürgerin Shani Louk, die mutmaßlich ebenfalls in den Gazastreifen verschleppt wurde. Einer der Entführer sei auf Aufnahmen eines Kleinlastwagens zu sehen, mit dem Louk transportiert worden sei, sagte Hecht. "Wir werden jeden Einzelnen von ihnen kriegen." Mehrere ranghohe Hamas-Mitglieder seien bereits bei den Angriffen getötet worden.
"Kein Flächenbombardement"
Angesichts von Bildern weitreichender Zerstörungen im Gazastreifen betonte Hecht, es gebe "kein Flächenbombardement" in dem Palästinensergebiet. "Wir greifen kein Ziel an, das nicht auf Geheimdienstinformationen basiert", so der Sprecher.
Die Angriffe seien zwar "größer als alles, was wir bisher gesehen haben", sagte er. Die Armee bekomme aber jeweils konkrete Informationen darüber, wo militante Palästinenser sich versteckten. "Wenn eine beteiligte Person sich versteckt, werden wir (die Zivilbevölkerung) vor dem Angriff warnen", sagte er. "Menschen, die gehen wollen, gehen dann."
Fast 340.000 Menschen vertrieben
Für die Zivilbevölkerung im dicht besiedelten Gazastreifen wird die Lage immer prekärer. Bis zum späten Mittwochabend seien fast 340.000 Menschen aus ihren Wohnungen geflüchtet, berichtete das UN-Nothilfebüro OCHA. Im Gazastreifen leben etwa 2,2 Millionen Menschen. Am vergangenen Samstag galten dort erst gut 45.000 Menschen als Vertriebene.
Bis Mittwochmittag waren mehr als 4.600 Wohnungen zerstört oder so beschädigt, dass sie unbewohnbar sind, wie das OCHA unter Berufung auf Behörden in Gaza berichtete. 32.000 weitere waren leicht beschädigt. Im Zuge der Luftangriffe auf den Gazastreifen haben knapp 220.000 Menschen in Einrichtungen des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge Schutz gesucht.
Treibstoff wird knapp
Gestern musste das einzige Elektrizitätskraftwerk im Gazastreifen seinen Betrieb einstellen, weil es keinen Treibstoff mehr hatte. Strom gibt es nur noch über einzelne Generatoren. Im Al-Schifa-Krankenhaus, dem größten des Gazastreifens, reiche der Treibstoff für die Notstromaggregate nur noch für drei Tage, sagte Matthias Kannes von der Organisation Ärzte ohne Grenzen. Andere Spitäler hatten nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds noch Diesel für fünf Tage Generatorenbetrieb.
Israels Energieminister Israel Katz knüpfte die Lieferung von Treibstoff und anderen vitalen Gütern für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen an eine Bedingung: die Freilassung der israelischen Geiseln. "Kein Stromschalter wird umgelegt, kein Wasserhahn geöffnet und kein Treibstofflaster fährt rein, bis die israelischen Geiseln nach Hause zurückgekehrt sind", schrieb Katz auf der Plattform X (vormals Twitter). Humanitäre Gesten werde es nur im Gegenzug für humanitäre Gesten geben. "Und dass uns keiner Moral predigt", schrieb er.
Ägypten lehnt Fluchtkorridor ab
Ägypten hat derweil die Einrichtung von Fluchtkorridoren für Menschen aus dem Gazastreifen abgelehnt. Eine Massenflucht aus der Enklave hätte schwerwiegende Folgen für die Sache der Palästinenser, sagte ein hoher ägyptischer Regierungsvertreter.
Ägypten verhandele mit Israel, den USA und anderen Staaten über einen Korridor, durch den Hilfsgüter und Treibstoff über den Grenzübergang Rafah nach Gaza geliefert werden sollen. Ausländer sollten über den Grenzübergang aus Gaza evakuiert werden.
Blinken in Israel eingetroffen
US-Außenminister Antony Blinken ist inzwischen zu einem Solidaritätsbesuch in Israel eingetroffen. Nach einem Treffen mit Premierminister Benjamin Netanyahu bekräftigte er, dass sein Land Israel unterstützen werde. "Wir werden immer an Ihrer Seite stehen", sagte er in Tel Aviv. Zugleich verwies er auf die "legitimen Interessen" der Palästinenser, die aber nicht von der radikalislamischen Hamas repräsentiert würden.
Netanyahu seinerseits erneuerte seine Aussage, dass er die Hamas "zerquetschen" wolle. Mit Blick auf die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) sagte er: "So wie der IS zerquetscht wurde, so wird die Hamas zerquetscht werden."