Nach langer Verzögerung Weitere Geiseln sollen noch heute freikommen
Noch heute Abend sollen weitere von der Hamas verschleppte Geiseln an Israel übergeben werden. Mit Hilfe Ägyptens und Katars seien die "Hindernisse für die Freilassung" der zweiten Gruppe von Geiseln überwunden worden, sagte ein Diplomat. Zuvor hatte es stundenlange Verzögerungen gegeben.
Nach stundenlangen Verzögerungen haben Vermittlungsbemühungen Ägyptens und Katars offenbar den Weg zur Freilassung einer zweiten Gruppe von Geiseln der Terrororganisation Hamas geebnet, die ursprünglich bereits für den Nachmittag angekündigt worden war. Die Übergabe erfolgt nach Darstellung Katars noch am Samstagabend. Auch ein Sprecher des israelischen Militärs bestätigte am Abend, dass die Bemühungen zur Freilassung im Gange seien. "Nach einer Verzögerung bei der Freilassung von Gefangenen auf beiden Seiten wurden die Hindernisse durch katarisch-ägyptische Gespräche mit beiden Seiten beseitigt", teilte Madschid al-Ansari, Sprecher des katarischen Außenministeriums, mit.
Den Angaben zufolge sollen 13 israelische Geiseln sowie sieben ausländische Geiseln freikommen. Im Gegenzug sollen noch am Abend 39 in Israel inhaftierte palästinensische Frauen und Minderjährige freigelassen werden.
Hamas sprach von Verstößen gegen Abkommen
Die militant-islamistische Hamas bestätigte den Erfolg der Vermittlungen. Zuvor hatte sie überraschend mitgeteilt, die Übergabe der zweiten Geiselgruppe verzögere sich, weil Israel gegen einen Teil des Abkommens verstoßen habe. Sie warf Israel vor, nicht wie vereinbart ausreichend Hilfslieferungen auch in den nördlichen Teil des Gazastreifen ermöglicht zu haben.
Ob dies tatsächlich Teil des von Katar vermittelten Abkommens zwischen den beiden Konfliktparteien war, blieb zunächst unklar. In Israel war zunächst immer die Rede davon, Transporte mit Hilfsgütern wie Nahrung und Treibstoff in den Süden zu ermöglichen, wohin sich Zehntausende Palästinenser vor den Kämpfen im Norden geflüchtet haben.
Unklare Lage am Nachmittag
Die Freilassung der Geiseln war ursprünglich für Samstag um 15 Uhr deutscher Zeit erwartet worden. Nach israelischen Angaben sollten im Rahmen der unter anderem von Katar vermittelten Vereinbarung 14 israelische Geiseln freigelassen werden. Israel hatte zuvor angegeben, eine Liste der Geiseln erhalten zu haben, welche die Hamas für das Verlassen des Gazastreifens ausgewählt hat. Im Gegenzug wollte Israel 42 verurteilte palästinensische Gefangene freilassen, teilten die israelischen Strafvollzugsbehörden mit.
Am Nachmittag hatte es zwischenzeitlich bereits erste Berichte gegeben, dass die Übergabe der Geiseln begonnen habe. Das dementierten später die Hamas und israelische Sicherheitskreise. Unklar war danach stundenlang, wie lange die angekündigte Verzögerung dauern werde.
Medienberichte über Ultimatum
Bevor die katarische Delegation am Abend die grundsätzliche Einigung auf eine Einigung noch am Abend verkündete, meldeten zeitweise mehrere israelische Medien, dass Israels Regierung mit einer Wiederaufnahme der Offensive im Gazastreifen gedroht habe, sollten die von der Hamas verschleppten Geiseln nicht bis Mitternacht freigelassen werden. Eine offizielle Bestätigung für diese Bericht gab es allerdings nicht.
"Die Hamas ist sich bewusst, dass das israelische Militär die Bodenoffensive im Gazastreifen fortsetzen wird, wenn die Geiseln nicht bis Mitternacht freigelassen werden", sagte ein israelischer Sicherheitsbeamter der Nachrichtenseite "ynet". Er warf der Hamas vor, bereits am Vortag "dasselbe Spiel" gespielt zu haben. Demnach seien kurzfristig die Reiseroute und der Transport der Geiseln geändert worden sein. Dem Beamten zufolge sollen auch, anders als von der Hamas angegeben, mehr als 61 von 200 der für den Tag geplanten Hilfstransporte in den nördlichen Gazastreifen gelangt sein.
Katar sieht Chancen für längere Waffenruhe
Israel und die Hamas hatten sich am Mittwoch nach langwierigen Verhandlungen unter Vermittlung von Katar, den USA und Ägypten auf eine viertägige Feuerpause geeinigt, die erste seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas. Die Vereinbarung sieht vor, dass insgesamt 50 israelische Geiseln der Hamas sowie 150 palästinensische Gefangene freigelassen werden sollen.
Eine Verlängerung der am Freitagmorgen begonnenen Feuerpause auf bis zu zehn Tage ist möglich, wie das in dem Konflikt vermittelnde Golfemirat Katar mitgeteilt hatte. Insgesamt sieht die Vereinbarung eigentlich einen Austausch von bis zu 100 Geiseln aus Israel gegen bis zu 300 palästinensische Häftlinge vor.
Am Freitag waren in ersten Übergabe 24 Geiseln - 13 Israelis sowie 11 Ausländer - freigekommen. Unter ihnen waren auch vier Deutsch-Israelis. Im Gegenzug wurden 39 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen. Das Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass für jede Geisel aus Israel drei palästinensische Häftlinge freikommen sollen.
Terrorangriff mit 1.200 Toten
Terroristen der Hamas hatten am 7. Oktober im Süden Israels bei einem Überfall nach israelischen Angaben 1.200 Menschen getötet. Etwa 240 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt, darunter mehrere deutsche Staatsangehörige und Bürger anderer Länder. Daraufhin startete Israel einen großangelegten Militäreinsatz mit dem erklärten Ziel, die Bedrohung des eigenen Landes durch Angriffe aus dem Gazastreifen zu beenden. Israel griff den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen aus der Luft, vom Meer und am Boden an. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 14.800 Menschen im Gazastreifen getötet. Bei 40 Prozent davon soll es sich demnach um Kinder gehandelt haben.