Israels Wirtschaft in Kriegszeiten Hilfsbereitschaft stützt kleine Betriebe
Viele Firmen in Israel sind kleine Familienbetriebe - gerade in der Region nahe Gaza. Doch dort wird gekämpft, zahlreiche Geschäfte und Firmen sind geschlossen. Dass Israel ein sehr innovatives Land ist, hilft in dieser Situation.
Im Daniel Hotel in Herzliya nördlich von Tel Aviv sitzen Flüchtlinge aus Israels Süden in der Lobby und unterhalten sich. Sie sind froh nicht in der Nähe des Gazastreifens zu sein - dort wo sie eigentlich leben und wo jetzt gekämpft wird.
Inbal kommt aus der Stadt Ashkelon, die nur wenige Kilometer von Gaza entfernt liegt und in der 130.000 Einwohner leben. Sie betreibt dort mit ihrem Mann ein Elektrofachgeschäft. Zu Kriegsbeginn ist sie mit ihm und den fünf Söhnen nach schlaflosen Nächten im Bunker vor den Raketen und Terroristen geflohen.
"Unser Geschäft ist geschlossen. Wir verkaufen Kühlschränke in Ashkelon, aber es ist keiner mehr gekommen, um etwas zu kaufen. Wir können nicht zu unseren Mitarbeitern sagen, kommt zur Arbeit. Es ist sehr gefährlich und die Leute haben schreckliche Angst. Ich habe zu meinem Mann gesagt, 'schließ den Laden'. Wenn jemand einen Herzinfarkt bekommt oder verletzt wird, ist das unsere Schuld."
Die Dauer des Krieges ist entscheidend
Das Trauma des Krieges und die fehlenden Einnahmen machen nicht nur vielen Familien, sondern auch kleinen Familienbetrieben in Israel zu schaffen. Etwa drei Viertel der Firmen in Israel werden von Familien geführt. Sie seien es, die rund um Gaza und im Norden des Landes die Wirtschaft stützten, sagt der israelische Wirtschaftsexperte Dan Ben-David vom Shoresh-Institut der Tel-Aviv-Universität.
Hunderttausende seien aus den umkämpften Regionen geflüchtet und könnten nun nicht mehr zur Arbeit gehen. Die Firmen blieben geschlossen und viele Tausende arbeiteten nicht, weil sie als Soldaten im Krieg kämpften, so Ben-David: "Die Frage ist, wie lange werden sie in der Armee sein und welche Kriegsschäden wird es in Israel geben?"
Wichtig sei auch, ob die Hisbollah mit in den Krieg einsteige, so Ben-David weiter. Die Hisbollah könnte halb Israel "so platt machen wie einen Parkplatz". Israel könnte der Hisbollah in einem Gegenschlag das gleiche antun, meint der Wirtschaftsexperte: "Wenn es passiert, wird das furchtbar. Ich sage lieber, wenn dieser Krieg zeitlich begrenzt ist, kann sich Israels Wirtschaft davon erholen."
Ben-David zufolge ist es die Hilfsbereitschaft der Menschen im Land gewesen, die die Versäumnisse der Netanyahu-Regierung zu Kriegsbeginn abgefedert hat. So hätten Gruppen, die zuvor Proteste gegen die Justizreform organisiert hatten, über Nacht Spenden koordiniert und für die Soldaten gekocht. IT-Profis suchten mit Hilfe künstlicher Intelligenz nach Spuren von Vermissten in Videos der Hamas im Internet.
Große Hilfsbereitschaft und Innovationskraft
Israels Innovationskraft sei auch im Krieg hilfreich, meint Sagi Balasha. Seine Non-Profit-Organisation "Ogen", was so viel wie Anker heißt, wirbt Kredite und Anleihen für bedürftige Familien und Familienbetriebe ein, die andernfalls in Kriegszeiten nie welche bekommen würden. Ihnen bietet "Ogen" seit Kurzem zinsfreie Darlehen an.
Die Idee dazu kam Balasha während der Corona-Pandemie: "Wir mischen Spenden mit kommerziellem Geld. Wir nehmen Kredite von Banken und Versicherungen auf und geben Anleihen aus. Der Grund, warum uns jemand im Krieg Geld gibt, ist, weil wir das Kreditausfallrisiko mit Spenden absichern. Wird ein Kredit nicht zurückgezahlt, zahlen wir der Bank das Geld aus Spenden zurück. Unsere Kredite sollen über mehrere Jahre helfen. Wenn die Kredite zurückgezahlt werden, können wir das Geld recyceln, wiederverwenden und noch mehr Menschen helfen."
Mehr als 4.000 Anfragen für die zinsfreien Darlehen mit einer Laufzeit von fünf Jahren hat Ogen in den ersten 72 Stunden bekommen. In nur einer Woche hat die Organisation Spenden eingeworben, durch die 1.000 zinsfreie Kredite für vom Krieg betroffene Familien und 100 Kredite für Familienbetriebe abgesichert werden. Es sollen noch mehr werden, sagt Balasha. Seine Organisation richte sich auf einen langen Krieg ein.
"Auch in Friedenszeiten ist es für ein kleines Unternehmen schwer einen Kredit mit vernünftigen Zinsen zu bekommen. Bei uns hat jeder in Israel Anspruch auf einen zinsfreien Kredit, wenn er nachweist, dass er vom Krieg betroffen ist. Auch wenn Sie ein Kaffeekiosk in Tel Aviv sind und Sie müssen zu machen, weil die Sirenen aufheulen und die Raketen kommen. Dann brauchen Sie Hilfe. Wir versuchen jedem zu helfen", erklärt Balasha.
Ein langer Weg zurück zur Normalität
Hilfe möchte Inbal aus Ashkelon, deren Elektrofachgeschäft seit Kriegsbeginn geschlossen ist, nur annehmen, wenn es unbedingt nötig ist, sagt sie. Sie möchte sich jetzt um ihre Familie kümmern. Die Firma muss warten.
"Die Kinder haben schreckliche Angst zurückzugehen. Sie können nicht schlafen. Letzte Nacht hat mich mein Sohn gebeten, dass ich wach bleibe, bis er einschläft. Als wir hörten, dass die Hamas in Ashkelon ist, sind alle in ihre Bunker gerannt und haben die Türlinken festgehalten. Es ist Wahnsinn."
Zurück nach Ashkelon zu ihrem Laden will Inbal nur, wenn Israel die Terroristen besiegt.